Nicht nur das Überleben tierischer und pflanzlicher Spezialisten hängt vom Vorhandensein des Lebensraums Sand ab. Auch unser Alltag wird maßgeblich durch die Ressource bestimmt. Dennoch gibt es kaum Bewusstsein dafür, wie sich das Leben in Abwesenheit der Ressource gestalten würde. Man mag denken: „Dieser kommt doch vor wie Sand am Meer!“ Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn Sand ist nicht unendlich vorhanden. Schlimmer noch: als global zweithäufigst gehandelter Rohstoff (nach Wasser) droht dieser sogar zu verschwinden (1).
Hintergrundwissen Sand Was fällt Ihnen zum Begriff Sand ein? Sandkasten? Baggersee? Baustoff? Lebensraum? Glas? Ihnen kommt sicherlich mindestens ein Begriff in den Sinn. Denn Sand ist unweigerlich Teil unserer (modernen) Lebenswelt. Bei der Definition wird es dagegen schon schwieriger: Ein Gestein, welches eine Korngröße unter 2 mm besitzt (2) und sich in Kombination mit Zement (und Wasser) perfekt zum Bauen eignet. Aber Achtung, es kann nicht jeder Sand verwendet werden. Grund ist die physikalische Einwirkung auf das Körnchen. Glatter Wüstensand hilft der Bauindustrie wenig. Damit Gebäude stabil und sicher stehen, muss der kantigere Fluss- oder Meeressand verwendet werden. Vor diesem Hintergrund macht der massive Sandimport von Wüstenstaaten nun zumindest theoretisch Sinn. Dem gegenüber steht allerdings die Praxis. Beim Bau des Burj Khalifa in Dubai wurden 330.000 Kubikmeter Beton verbraucht (3) und dieser besteht zu 2/3 aus Sand. Aber nicht nur die Baubranche im Ausland boomt. Alleine in Deutschland fließen rund 95 Prozent des abgebauten Sandes ins Bauwesen. Und der Verbrauch wird in Zukunft vermutlich nicht abnehmen. Fazit: Mittlerweile übersteigt der massive Sandabbau die Reproduktionsfähigkeit der Erde bei weitem! Denn bis ein neues Sandkorn nach seiner langen Reise im Meer landet, kann es mehrere Millionen Jahre dauern. Der Weg durch Flüsse bis zum Meer ist lang. Und dies wird beim Abbau zu keiner Zeit mit einberechnet. Aber nicht nur für den Gebäude- und Straßenbau wird Sand benötigt. Er findet sich aber auch in unserem täglichen Leben wieder… .
Sand im Alltag? Wofür benötigt man Sand eigentlich noch? Stellen Sie sich dafür einfach Ihren regulären Tagesablauf vor. Bereits beim Zähneputzen geht es los. Die Sandstaubkörnchen in Ihrer Zahnpasta fungieren als Putzkörper und tragen den Plaque an Zähnen ab. Anschließend überprüfen Sie ihren Putzerfolg im Spiegel. Dabei schützt eine durchsichtige Glasplatte die dünne Schicht aus Aluminium. Glas besteht wiederum zu 60 Prozent aus Sand. Und auch die Porzellantasse, welche gleich mit Kaffee befüllt wird, wurde „verglast“. Denn der Tonmasse wird vor dem Brennen ebenfalls Sand beigemischt. Damit müsste doch bereits die meiste Sandnutzung im Alltag aufgezählt sein, könnte man meinen. Doch während Sie ihr Ei salzen, lesen Sie, dass das Salz eine „Rieselhilfe“ enthält; den Lebensmittelzusatzstoff E551. Eine Suche im Internet ergibt, dass E551 nano-technisch aufbereitetes Siliziumdioxid (Quarz) ist. Dieses ist Hauptbestandteil von Sand. Und damit Sie mit ihrem Handy überhaupt nach E551 im Internet suchen können, wurden Microchips verbaut, welche Silizium in Reinform benötigen. Und dieses Element wurde, Sie ahnen es schon, aus reinem Sand gewonnen. Selbiges wird auch bei der Synthese von Silikon(en) verwendet. Dieses Gedankenspiel könnte man bis zum abendlichen Glas Wein weiterspinnen. Es soll zeigen, wie präsent dieser Rohstoff eigentlich in unserem Alltag ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Sandnachfrage innerhalb der letzten 30 Jahren bereits um 360 Prozent gestiegen ist. Die Ressource wird unweigerlich knapp und das führt zu massiven Problemen.
Sand zerstört Leben Was Ihnen bei der einleitenden Aufzählung vermutlich nicht direkt in den Sinn gekommen ist, ist der Begriff „Sandmafia“ – eine brutale Bandenstruktur, welche aus der Endlichkeit der Ressource entstanden ist. 2018 wurden beispielsweise in Indien vier Journalisten im Rahmen von Recherchen zum Thema Sand brutal ermordet (5). Die Dunkelziffer wird vermutlich wesentlich höher sein. Aber auch die Pflanzen- und Tierwelt wird durch den massiven Raubbau unweigerlich zerstört. Beim unkontrollierten Abbau des kostbaren Meeres- oder Flussandes wird das Bodensubstrat zerstört und Sediment aufgewirbelt, welches sich als Trübung des Wassers bemerkbar macht (6). Durch weniger einfallendes Licht kommt es daraufhin zur Beeinträchtigung der Ökosysteme. Zudem leiden Küstenbereiche immens unter dem Absaugen des Rohstoffs. Sie verschwinden regelrecht unsichtbar in den Bäuchen der absaugenden Schiffe. Dadurch ergibt sich mehr Angriffsfläche für Wellen und es entsteht eine Abwärtsspirale, bis die Küstenlinie nicht mehr vorhanden ist. Ebenso geht es ganzen Inseln und Archipelen. Laut Schätzungen sind mittlerweile weltweit zwischen 75-90 Prozent der Strände auf dem Rückzug (7).
Sand als Lebensraum für Tiere und Pflanzen Nicht nur als Rohstoff ist Sand von immenser Bedeutung. Er bietet spezialisierten Tier- und Pflanzenarten ein einzigartiges Zuhause (8). Solche Lebewesen sind wahre Meister in Ihrer evolutiven Anpassung, denn diese Lebensräume bieten ganz besondere Herausforderungen an ein Überleben. Wenig Nährstoffe, viel Trockenheit und hohe Sonneneinstrahlung können schnell zum Problem werden. Passt man sich evolutionär daran an, wird man mit einer (meist) konkurrenzarmen Nische belohnt.
Als heimische Pflanzenspezialisten sind Silbergras (Corynephorus canescens) und Sandgrasnelke (Armeria maritima) zu nennen. Silbergras ist eine Pionierpflanze auf Sandflächen und Meister der Lichtreflexion. Die Sandgrasnelke oder auch Sandnelke hat einen optimierten Verdunstungsschutz durch eine spezielle Wachsschicht.
Die heimischen Insektenvertreter des Sandlebensraums sind der Ameisenlöwe (Myrmeleon formicarius) und die blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens). Ersterer ist die Larve der Ameisenjungfer, welche als Jagdstrategie ein Loch in den sandigen Boden gräbt und in der Mitte des Trichters auf Beute wartet. Gibt es für diese am Rand der Falle, aufgrund des instabilen Sands, kein Halten mehr, stürzt die Beute herab. Kann sie sich dagegen gerade noch am Rand halten, bewirft der Ameisenlöwe die Beute mit Sandkörnchen, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen – eine hoch sandspezialisierte Beutestrategie. Die Ödlandschrecke besticht dagegen durch ihre perfekte Tarnung im Lebensraum und ihre bezaubernde Flügelfärbung, die allerdings nur im Flug zu sehen ist.
Es gilt also, auf unterschiedlichen Wegen mehr Bewusstsein für diese endliche und wertvolle Ressource zu schaffen. Wie die LBV-Umweltstation das Thema bearbeitet, wird im „Blickpunkt“ auf den folgenden Seiten vorgestellt.
Autorin und Kontakt: Lisa-Sophie Scheuer Leitungsteam und Projektmitarbeiterin Region Süd (BildungKlima-plus-56) LBV Umweltstation Rothsee https://rothsee.lbv.de/
E-Mail: lisa.sophie.scheuerlbvde
Quellen: