Moralische Fähigkeiten fördern

Beim Klimaschutz gibt es im Alltag viel zu beachten, um es „richtig“ zu machen. Zahlreiche Dilemmasituationen erfordern Lösungskompetenz, zudem können Rebound-Effekte die Wirkung von Klimaschutz einschränken. Im Projekt „Klimabildung+“ re-cherchierte der Förderverein NaturGut Ophoven hierzu Grundlagen, um herauszufinden, wie Pädagog*innen Kindern schon im Grundschulalter Handlungs- und Entscheidungskompetenzen mit auf den Weg zum Klimaschützer geben können.

Aktiv praktizierter Klimaschutz bedeutet, dass sich Kinder und Jugendliche in vielen Alltagssituationen schnell für oder gegen etwas entscheiden sollen. In diesem Entscheidungsprozess geraten sie in einen inneren Konflikt, also eine Dilemmasituation, und erfahren ein Gefühl der Überforderung.

Kognitive Dissonanz

Dieser Spannungszustand wird in der pädagogischen Psychologie auch „kognitive Dissonanz“ genannt. Der Begriff der kognitiven Dissonanz wurde 1957 von Leon Festinger geprägt. Basis ist die Prämisse, dass der Mensch von Natur aus stets ein Gleichgewicht verschiedener Kognitionen, also Verhaltenstendenzen anstrebt und danach handelt. Dem voran geht oftmals eine kognitive Dissonanz, bei der mindestens zwei Kognitionen wie Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Wünsche oder Absichten nicht im Einklang sind und den Menschen unter Druck setzen, eine Lösung zu finden.

In der Umweltbildung eignet sich die Methode der Dilemmageschichte, um Gewissenskonflikte kindgerecht zu lösen. Dilemmageschichten für Kinder orientieren sich an der Lebenswelt der Kinder und erzeugen eine persönliche Betroffenheit. Die Methode wurde von Prof. Dr. Georg Lind der Universität Konstanz zur „Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion“ weiterentwickelt, um moralisch-demokratische Fähigkeiten zu fördern. Dadurch kommt es in angeleiteten Gesprächsrunden und Aktionen zur Auseinandersetzung mit einem konkreten Problem und zur Erarbeitung von Lösungsvarianten. „Moral muss trainiert werden, dann entwickelt sie sich am besten, denn eine moralische Orientierung ist zwar jedem Menschen angeboren, moralische Fähigkeiten jedoch müssen erworben werden“, sagte der Psychologe Georg Lind 2012 im Interview mit dem Südkurier.

Der Rebound-Effekt: zwei Schritte vor, einer zurück

Die Herausforderung unserer Gesellschaft ist es auch, technische Fortschritte nicht durch erhöhten Konsum so zu nutzen, dass die dabei erzielten Klimaschutzeffekte nicht überkompensiert und ineffizient werden. Dieses Phänomen nennt man Rebound-Effekt (Rückprall) und es lässt sich nur verhindern, wenn das Nichtnutzen attraktiver ist als die Nutzung. Eine Kausalität zwischen Energie-, Produktivitätssteigerung und Mehrnachfrage wurde bereits 1865 vom britischen Ökonomen Stanley Jevons entdeckt und als Paradoxon beschrieben: Er stellte im Zusammenhang mit der Einführung der dreimal effizienteren Watt’schen Dampfmaschine fest, dass diese nicht etwa einen sinkenden, sondern einen sogar rasant steigenden Kohleverbrauch zur Folge hatte. Auch heute werden technisch mögliche Effizienzgewinne in der Praxis häufig nicht erreicht, weil das Produkt häufiger oder intensiver genutzt wird.

Bislang werden Rebound-Effekte lediglich in Politik und Wirtschaft thematisiert, in Bezug zu Entscheidungen im Alltag könnten sie stärker in den Fokus von Umweltbildungszentren rücken. Für die Umweltbildung sind insbesondere psychologische Rebound-Effekte von Bedeutung, darunter der „Moral-Leaking-Effekt“ und der „Moral-Licensing-Effekt“. Bei beiden geht es um die unerwünschten Folgen eines eigentlich erwünschten Verhaltens. Ersterer ist ein direkter Rebound-Effekt, der besagt, dass der Kauf eines effizienteren Produkts gewissensberuhigend wirkt. Dadurch wird dasselbe Gut mehr genutzt. Das neue Produkt ist somit durch die Anpassung des Verhaltens im Endeffekt nicht energieeffizienter. Energiesparende Handlungen werden nicht mehr für wichtig erachtet oder sogar aufgegeben, da die ökologische, ökonomische oder gesellschaftliche Notwendigkeit hierfür nicht gesehen wird. Der Moral-Licensing-Effekt ist ein indirekter Rebound-Effekt, bei dem der Erwerb eines umweltfreundlichen Produkts die Nachfrage nach anderen umweltschädlichen Produkten rechtfertigt und so steigert.

In Zeiten des globalen Klimawandels entstehen mit steigenden Erwartungen und Anforderungen an den Bürger und Verbraucher viele Konfliktsituationen. Doch erst durch Reflexion und Bewertung des Denkens und Handelns kann das kognitive Gleichgewicht wiederhergestellt und mit Freude und Überzeugung Klimaschutz geleistet werden. Vor diesem Hintergrund haben insbesondere Umweltbildungszentren die wichtige Aufgabe der Dissonanzvorbeugung, indem sie entsprechende Kompetenzen vermitteln. Dies bietet die große Chance, Kinder und Jugendliche trotz der gewaltigen gesellschaftlichen Umbrüche mit positivem Blick in die Zukunft starten zu lassen.

www.uni-konstanz.de/ag-moral/moral/dildisk-d.htm

www.santarius.de/1360/rebound-effekt-und-sozial-%C3%B6kologische-transformation