5. Glossar

Glossar der Wandelinitiativen

Buen vivir

Der vor allem in Lateinamerika gebräuchliche Begriff „Buen vivir“ (auch „Sumak Kawsay“ oder „Gutes Leben“ genannt) beschreibt eine Philosophie des Zusammenlebens, die zentral auf ökologischen und sozialen Normen basiert und für mehr Gerechtigkeit und Gleichheit in der Gesellschaft sorgen will. Wesentlicher Bestandteil dieses Lebenskonzeptes ist das Leben im Einklang mit der Natur und eine solidarischere Welt, ohne Mensch oder Natur durch rein kapitalistisch motiviertes Fortschrittsverhalten zu zerstören. Ebenso ist die Wahrung kultureller Identitäten ein zentrales Merkmal. Bisher wird das Buen vivir besonders in Bolivien und Ecuador gelebt und hat dort als „Recht auf gutes Leben“ Verfassungsrang erhalten. Auch in den westlichen Industriegesellschaften hat Buen vivir Anhänger gefunden und soll eine Alternative zum rein wirtschaftlichen Maß für den Wohlstand bieten.

Mehr dazu bei der Heinrich Böll Stiftung unter www.boell.de/de/content/buen-vivir-recht-auf-gutes-leben.

Carrot Mob

Ein Carrot Mob ist eine Aktion, bei der an einem festgelegten Tag oder Abend Menschen zu gezieltem Konsum für den Klimaschutz, z.B. in einem Ladengeschäft, Unternehmen oder einem Restaurant aufgerufen werden. Die Laden- oder Restaurantbesitzer haben zuvor festgelegt, welchen Prozentsatz des Umsatzes an diesem Tag sie in Klimaschutzmaßnahmen investieren werden. Das können z.B. ernergiesparende Kühlgeräte oder Leuchtmittel sein, die nach dem Carrot Mob gekauft und installiert werden. In einigen Städten sind in den vergangenen Jahren Carrot Mob Initiativen entstanden. Meist geht es damit los, dass die InitiatorInnen einen Bieterwettbewerb um die Ausrichtung des Carrot Mobs ausrufen. Wer den höchsten Prozentsatz des Umsatzes während der Aktion in Energiesparmaßnahmen investieren will, erhält den Zuschlag. Nun stoßen die OrganisatorInnen eine Kampagne an, um möglichst viele Menschen im festgelegten Zeitraum zum sog. strategischen Konsum in diesem Laden zu bewegen. Dabei hilft zum Beispiel ein attraktives Rahmenprogramm. Über soziale Netzwerke und möglichst über einen eigenen Blog wird die Aktion bekannt gemacht. Als Gegenteil eines Boykotts birgt die Aktionsform für alle Beteiligten Vorteile. Der Laden kommt in den Genuss von kostenloser Werbung, erfährt einen Imagegewinn und spart in den Folgejahren Energiekosten. Die VerbraucherInnen haben Spaß, schärfen ihr ökologisches Bewusstsein und demonstrieren ihre Konsummacht. Den ersten Carrotmob führte der US-Amerikaner Brent Schulkin 2008 in San Francisco durch.

Mehr Infos bietet die Carrotmob-Akademie von Green City e.V. unter www.carrotmob-akademie.de.

Change Agents

Der aus der Wirtschaft stammende Begriff der Change-Agents kann im Nachhaltigkeitskontext als Pioniere des sozial-ökologischen Wandels bezeichnet werden. Gemeint sind AkteurInnen, die die Entwicklung und Initiierung von Veränderungsprozessen zu einer nachhaltiger lebenden Gesellschaft besonders stark vorantreiben. Sie können als Einzelpersonen oder in kleinen Gruppen agieren und setzen mit Hilfe von verschiedenen Aufgaben, wie Identifikation von Alternativen, deren Entwicklung, Optimierung und Synthese Transformationsprozesse in Gang. Der/die Change-AgentIn in der Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung plant, organisiert und begleitet das Lernen innerhalb von sozial-ökologischen Transformationsprozessen.

Ein informatives Video zum Begriff des Change Agents finden Sie auf der Homepage der WBGU (Episode 2 - Change Agents) http://wbgu.de/videos/trafoseminar/8-change-agents/

Commons, Gemeingüter, Allmenden

In der neuen, weltweiten Strömung des Commoning verbinden sich alte Traditionen mit einer modernen Kultur: Ressourcen werden gemeinsam bewirtschaftet, öffentliche Flächen für gemeinwohlorientierte Nutzungen reklamiert, Wissen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Es handelt sich also um eine spezifische Art der Beziehung zwischen Menschen zu Dingen. Commons brauchen die Community, die sie durch kollektives Handeln pflegt und erhält, das Commoning. Ob etwas ein Gemeingut ist, hängt also von der Art der Nutzung ab. Nicht nur Grund und Boden, Saatgut, Rohstoffe oder Wasser können als Commons behandelt werden; auch Wissen, Kunst und Kultur, Sprache oder Gene, ein Gesundheits- oder Bildungssystem und nicht zuletzt Software. Die Vielfalt der Commons erfordert eine Vielzahl von unterschiedlichen Regelungen. Es gibt nicht eine Lösung für alle, sondern die NutzerInnen müssen ihre Regeln jeweils selbst entwickeln. Das fördert Sozialbeziehungen und Gemeinschaftlichkeit jenseits des kapitalistischen Marktes. Das Internetlexikon Wikipedia ist als „Wissensallmende“ eine Commons-Initiative. Das Unterrichtsmaterial „Was sind Commons?“ ermöglicht einen Einstieg in das Thema und ist erhältlich unter https://commonsblog.wordpress.com/

Eine jährliche Commons-Sommerschule ermöglicht Austausch und voneinander Lernen.

Coworking

Coworking bezeichnet eine neue Form von Arbeiten. Fremde Menschen arbeiten verstärkt kleinräumig und flexibel in einem großen Raum zusammen, in dem die wichtigste Infrastruktur, wie WLAN, Drucker, Schreibtische, Scanner etc. zur Verfügung stehen und von den NutzerInnen für einen bestimmten Betrag gemietet werden können. In diesen offenen, auf Zeit geteilten Arbeitsräumen finden sich besonders AkteureInnen ein, die für ihre Arbeit nur ihr Laptop, Handy und Internet benötigen. Selbstständige, Kreative, kleine Unternehmen oder Designer nehmen diese kreativen Orte mit geringen Betriebskosten gerne an. Auch für UmweltbildnerInnen eignen sich diese kleinen und günstigen Arbeitsräume, um flexibel und im Austausch mit anderen Branchen zu arbeiten. Coworking-Spaces liegen bevorzugt in urbaner Umgebung.

Eine Übersicht dieser Arbeitsräume in Deutschland bietet die Plattform www.coworking.de.

Crowdfunding, Crowdsourcing

Als Crowd werden im Englischen Menschenmengen bezeichnet. Begriffe wie Crowdfunding oder Crowdsourcing beziehen sich daher immer auf eine Leistung, die durch eine Vielzahl von Personen realisiert wird. Bei Crowdfundig werden beispielsweise Projekte, Produkte oder Geschäftsideen durch die „Schwarmfinanzierung“ mit Geld ermöglicht. Solche Finanzierungsaufrufe werden meist als Kampagne im Internet umgesetzt.

Im Vergleich dazu geht es beim Crowdsourcing um die Auslagerung von Teilaufgaben einer Herausforderung, die sonst nicht umsetzbar bzw. finanzierbar wäre oder wo man auf das Wissen und die Erfahrungen vieler angewiesen ist. Auch diese Kampagnen werden über das Netz verbreitet. Einzelpersonen oder Gruppen übernehmen freiwillig und unentgeltlich die Bearbeitung von Teilen einer größeren Aufgabe, die es zu bewältigen gilt.

Beide Maßnahmen werden häufig von Umweltorganisationen oder bei Themen mit Umweltbezug verwendet. Plattformen wie EcoCrowd haben sich auf nachhaltige Crowdfunding Projekte spezialisiert und werden vom BMUB und UBA gefördert. Aktuelle Projekte finden Sie unter www.ecocrowd.de.

Die Plattform „Bürger schaffen Wissen – Die Citizen Science Plattform“ bietet eine eigene Rubrik mit Crowdsourcing Projekten im Umweltbereich. Dort finden sich neben Umweltschutzprojekten auch Umweltbildungsaufgaben. Nähere Beschreibungen zu den Projekten finden Sie unter www.buergerschaffenwissen.de.

Degrowth

Die im französisch-sprachigen Raum unter "Decroissance" bekannte Bewegung wird ins deutsche häufig mit Postwachstum übersetzt. Ihre Protagonisten verstehen darunter eine Wirtschaftsweise und Gesellschaftsform, die das Wohlergehen aller zum Ziel hat und die ökologischen Lebensgrundlagen erhält. Dafür sei eine grundlegende Veränderung unserer Lebenswelt und ein umfassender kultureller Wandel notwendig. Im deutschen Webportal wird die "Philosophie" hinter dem Begriff anschaulich erläutert, eine wachsende mehrsprachige Mediathek bündelt viele Filme, die jährliche Degrowth-Sommerschule und weitere Camps bieten Vernetzung ebenso wie die zweijährliche internationale Degrowth-Konferenz, die 2016 in Budapest stattfindet.

www.degrowth.de/de/

Desinvestition/Divestment

Im Vergleich zu Investitionen in Aktien, Anleihen oder andere Anlagemöglichkeiten, mit denen verschiedenen Institutionen Einnahmen für ihre Betriebskosten erzielen, gilt es beim Desinvestieren, die bereits vereinbarten Investitionen auf ökologische und ethische Gesichtspunkte zu untersuchen und sich bei fragwürdigen Partnern, von diesen zu trennen. Dadurch soll erreicht werden, dass Vermögen aus bestimmten Unternehmen abgezogen und somit eine Veränderung herbeigeführt wird. Derzeit wird der Begriff vor allem im Kontext der fossilen Energien verwendet. Die Desinvestitions-Bewegung gegen nicht erneuerbare Energien will erreichen, dass die Investitionen aus bestimmten fossilen Energieunternehmen abgezogen werden und in nachhaltige Energieproduktion reinvestiert wird. Somit soll die Desinvestition eine Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel sein.

Weitere Infos unter gofossilfree.org/de

DIY - Do it yourself

Selbermachen oder gern auch DIT - Do it together -  gemeinschaftliches Handeln sind zentrale Abkürzungen und Begriffe der sozial-ökologischen Wandelszene. Die Stiftungsgemeinschaft anstiftung&ertomis bietet online ein DIY-Lexikon an, in dem von Bausteln über Knit Nites bis zu Upcycling und Zwischennutzung viele Begriffe der Transformation von unten erklärt werden.

Ernährungsräte

Ernährungsräte setzen sich für mehr Mitspracherecht bei der Lebensmittelversorgung in Städten ein. Im Ernährungsrat werden die Interessen von LandwirtInnen und VersorgerInnen aus dem Umland, PolitikerInnen, sowie BürgerInnen als KonsumentInnen und lokale AkteurInnen z.B. von Gemeinschaftsgärten, EssensretterInnen, TafelunterstützerInnen oder Slow-Food-AktivistInnen gebündelt. So sammelt sich im Ernährungsrat das Wissen der unterschiedlichsten Bereiche des Ernährungs­systems. Die Herausforderungen, denen Ernährungsräte sich stellen, sind vielfältig und variieren je nach Ausgangslagen, Interessen und der Zusammensetzung der vielfältigen AkteurInnen in der Region. Ziel der meisten Ernährungsräte ist es, ein nachhaltiges, gerechtes und ökologi­sches Ernährungssystem in der Stadt zu etablieren. Oft geht es dabei um Themen wie die Förderung urbaner Landwirtschaft, geringere soziale Benachteiligung im Ernährungssystem, Verbesserung der Gemeinschaftsverpflegung in Schulen oder sozialen Einrichtungen, Stärkung der Beziehungen zwischen StadtbewohnerInnen und ErzeugerInnen im Umland. 

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Erste Ernährungsräte in Deutschland arbeiten in Berlin (www.ernaehrungsratschlag.de) und in Köln (http://ernährungsrat-köln.de/).

Einen guten Überblick zu Ernährungsraten gibt das INKOTA-Netzwerk: www.inkota.de

FabLabs - Fabrikationslabore

FabLabs (engl. fabrication laboratories – Fabrikationslabore) sind die Hightech-Labore unter den offe­nen Werkstätten: Ausgestattet mit computergestützten Maschinen, wie 3D-Druckern (Drucker für dreidimensionale Werkstücke), CNC-Fräsen (Fräsen mit rechnergestützter numerischer Steuerung, computerized numerical control) und Lasercuttern (mit Laser schneidende Maschinen) ist hier dem kreativen Schaffen fast keine Grenze mehr gesetzt. Werden in offenen Werkstätten Menschen ermu­tigt, handwerkliche Fähigkeiten zu erproben und Dinge zu reparieren statt wegzuwerfen, wird in ei­nem FabLab der Konsument zum Produzenten: Üblicherweise industriell gefertigte Produkte können hier computergesteuert hergestellt werden. So ist es beispielsweise möglich, fehlende Ersatzteile für die Reparatur eines Gerätes einfach selber herzustellen, statt teuer beim Hersteller zu bestellen oder gar nicht mehr zu erhalten. In Industrienationen profitieren neben Hobbybastlern und „Makern“ (Machern) auch  Kinder und Jugendliche außerhalb des regulären Schul- oder Hochschulsystems von den FabLabs, die ebenfalls unter dem Aspekt einer Bildungsgerechtigkeit den Erwerb von technischem Know-how ermöglichen. Im Jahr 2010 ist an der Technischen Hochschule in Aachen das erste FabLab gegründet worden und steht nicht nur Studierenden sondern Privatpersonen offen. Inzwischen gibt es in Deutschland über 60 dieser „Reallabore“, das sind Experimentierräume für eine zukunftsfähige Alltagsgestaltung.

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Weltkarte der FabLabs: https://www.fablabs.io/map

Internationale FabLab Vereinigung: http://empty-ice-3260.herokuapp.com/de//

Foodsharing - Essensretter

War der Hunger beim Einkauf einfach zu groß? Oder die verpackte Einheit kann für den eigenen Haus­halt nicht komplett verwendet werden? Oder der Kühlschrank ist vor dem Urlaub noch voll?  Bevor diese Lebensmittel in der Tonne landen, gibt es jetzt eine sinnvolle Alternative: Foodsharing. Über ein Internetportal können Privatpersonen kostenlos Abnehme­rInnen für ihre nicht mehr benötigten Lebensmittel in der eigenen Umgebung finden. Das Prinzip ist einfach: Jeder, der Lebensmittel übrig hat, erstellt einen virtuellen „Essens­korb“, in dem er beschreibt, was er oder sie genau verschenken möchte und wie der Zustand der Ware ist. Wer Interesse an den Lebensmitteln hat, tritt mit dem/der AnbieterIn in Kontakt und holt sich die Lebensmittel kostenlos ab.

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Mehr Infos bei Foodsharing e.V.: https://foodsharing.de/ und www.facebook.com/foodsharing.de

Gemeinwohlökonomie

Bei diesem neuen Ökonomie-Modell stellen Kooperation und das gute Leben aller die obersten Maximen dar. Diese neue Wirtschaftsordnung soll ein Hebel für  Veränderungen auf wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene sein. Ziel des Wirtschaftens von Unternehmen ist dabei, das Gemeinwohl zu steigern und nicht den Gewinn. Trotzdem soll die Gemeinwohlökonomie marktwirtschaftlich funktionieren. Allerdings treibt Kooperation das System an, und nicht Gewinn- und Vorteilsstreben. Der Ressourcenverbrauch soll dadurch gesenkt werden und die Menschen arbeiten nachhaltig und vertrauensvoll miteinander, auch über Ländergrenzen hinweg. Kapital soll möglichst gleich verteilt werden, um Chancengleichheit beim Start ins Berufsleben bzw. bei der Gründung von Unternehmen zu schaffen. In basisdemokratischen Prozessen in Staat und Unternehmen wird definiert, was das Gemeinwohl fördert und wie es gemessen und unterstützt werden kann. Die Vision der Gemeinwohlökonomie ist, dass Menschen arbeiten, um sich ein gutes Leben zu ermöglichen: soziale Sicherheit, erfüllte Beziehungen und die Natur genießen sollen dazugehören, nicht aber die Maximierung des Einkommens.

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Der Verein Gemeinwohlökonomie: www.ecogood.org

https://de-de.facebook.com/Gemeinwohl.Oekonomie

Kleidertauschparty

Den ganzen Schrank voll und nix anzuziehen? Kleidertauschpartys schaffen Abhilfe. Dabei wird eine Idee aufgegriffen, die üblicherweise zwischen gleichgesinnten Freundinnen im privaten Kämmerchen für fröhliche Stimmung sorgt: Verschmähte oder länger nicht mehr getragene, aber noch gut erhaltene Kleidungsstücke werden aussortiert und zu einem Tauschtreff gebracht. Die neueren öffentlichen Kleidertauschpartys zeigen, dass Konsum auch anders geht: Vor Ort wird die Kleidung meist von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen bewertet und sortiert. Als Gegenwert für die mitgebrachte Kleidung erhalten die TeilnehmerInnen einen Tauschwert in Form von Stempeln, Tokens oder ähnlichem. Damit geht es los: Stöbern, Anprobieren, zwischendurch Kaffee trinken und dann mit neuen Lieblingsstücken nach Hause gehen. So verbinden Kleidertauscher Lust auf Neues mit Abfallvermeidung.  Bei manchen Partys stehen Nähmaschinen bereit, an denen Kleidungsstücke ausgebessert werden können oder aus alten Teilen Neues entstehen kann, kundige Partygäste helfen dabei. Neben diesem handwerklichen Lernen können die BesucherInnen z.B. durch Flyer, Filmbeiträge oder Diskussionen Hintergründe zu Rohstoffeinsatz und Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie kennenlernen. Kleidertausch spricht viele junge Menschen an und kann auch leicht in der Schule organisiert werden.

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Eine informative Quelle zum Ablauf und zu sozial-ökologischen Hintergründen der Tauschpartys ist die Internetseite www.tausch-rausch.org von Aktiven in Kassel und Rostock. Es gibt in vielen Städten Initiativen.

Öffentlicher Bücherschrank

Statt Bücher, nachdem sie einmal gelesen und wahrscheinlich nie wieder zur Hand genommen werden, zu Hause im Regal verstauben zu lassen, kann man sie heute auch zum Tausch verwenden. Öffentliche Bücherschränke in Form von ausgemusterten Telefonzellen, zusammengeschusterten, regenfesten Regalen und Schränken oder sogar als moderne Profidesigner-Box, sind heute auf vielen Plätzen und in Straßen anzutreffen. Auch in Büchereien, in Umweltbildungseinrichtungen und bei Veranstaltungen in Räumen werden Regale mit der Tauschware aufgestellt. Die Idee ist, nicht mehr gebrauchte Bücher dort hinzubringen und dafür im Tausch ein oder mehrere Bücher mitzunehmen.

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Einen öffentlichen Bücherschrank gleich um die Ecke zu finden ist übrigens ganz einfach: Unter www.tauschgnom.de/offene-buecherschraenke sind deutschlandweit die meisten aufgelistet.

Permakultur

Das Konzept entwickelten in den 1970er Jahren die Australier Bill Mollison und David Holmgren  - eigentlich für die Landwirtschaft. Es zielt darauf, dauerhaft funktionierende, nachhaltige und naturnahe Kreisläufe  aufzubauen. Aus diesem Konzept entwickelten sich Ansätze der Permakultur, die in vielfältigen Lebensbereichen angewendet werden können. Permakultur ist damit zu einer ökologischen Lebensraumgestaltung im weitesten Sinne  geworden – z.B. Regional- und Freiraumplanung, Aufbau von alternativen menschlichen Gemeinschaften, ökonomische Konzepte, aber natürlich auch Gärtnern, Selbstversorgung und Hausbau. Das grundlegende Prinzip von Permakultur ist, nützliche Verbindungen zwischen verschiedenen Elementen eines Systems herzustellen, damit möglichst viele Bedürfnisse aus dem System selbst heraus gedeckt werden können. Die drei ethischen Werte der Permakultur sind der achtsame Umgang mit der Erde, der achtsame Umgang mit den Menschen und der faire Austausch von Ressourcen.

Inzwischen gibt es zahlreiche Projekte weltweit, die nach diesen Werten verschiedenste Ideen entwickeln. Infos unter www.permakultur-akademie.de.

ProsumentIn/Prosumer

Der von Alvin Toffler 1980 eingeführte Begriff bezeichnet eine Person, die ein Produkt konsumiert, das sie auch selbst produziert hat. Der/die ProsumentIn stellt das Produkt, das er/sie konsumieren will also selbst her oder übernimmt einen Teil der Arbeit. Häufig wird hier das IKEA-Beispiel aufgeführt, bei dem die Kunden bereit sind, Planung, Transport und Aufbau der Möbel selbst zu übernehmen. Im Kontext der Nachhaltigkeit sind mit ProsumentInnen häufig Personen gemeint, die Lebensmittel, Strom und andere Konsumgüter vermehrt selbst und ökologisch/nachhaltig herstellen und dann ebenso konsumieren. Interessante ausführlichere Literatur zum Thema finden Sie im Buch „Marke Eigenbau“ von Holm Friebe und Thomas Ramge, erschienen im Jahr 2009.

Reallabor

Reallabore dienen dazu, WissenschaftlerInnen oder PraktikerInnen in konkret stattfindende Veränderungsprozesse zu involvieren. Wichtige Zukunftsfragen können so gemeinsam mit Forschung, Bildung, Politik und Zivilgesellschaft bearbeitet werden, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Hierbei ist das Lernen durch Experimentieren zentral. Experimentierräume zum Ausprobieren stehen zur Verfügung. In Reallaboren können wir praktisch erproben und dabei lernen ohne dass die ausprobierten Szenarien irreversibel sind. Die vielen lokalen Wandelinitiativen wie urbane Gärten oder Upcycling Werkstätten können als kleine Reallabore einer Gesellschaft im Wandel bezeichnet werden.

Spannende Reallabore der Forschung finden sich unter https://mwk.baden-wuerttemberg.de/de/forschung/forschungspolitik/wissenschaft-fuer-nachhaltigkeit/reallabore

Reparatur-Cafés

Wegwerfen kommt nicht in die Tüte! In Reparatur-Cafés treffen ehrenamtliche Technikfreaks auf Menschen mit defekten Gegenständen, wie Toaster, Fahrräder oder Handys. Nach dem Motto Hilfe zur Selbsthilfe werden Lieblingsstücke oder wichtige Geräte gemeinschaftlich wiederbelebt. Bei Kaffee und Kuchen werden zudem wertvolle Reparaturtipps ausgetauscht. Die Beteiligten lernen, einfache Reparaturen selbst durchzuführen und welche Werkzeuge sie dafür benötigen. Sie können erfahren, worauf es beim Kauf von Geräten ankommt, z.B. dass man sie „aufschrauben“ und Teile ersetzen kann. Beim Werkeln oder im Café kann z.B. Wissen über seltene Rohstoffe, ihre Gewinnung getauscht werden. Auch Produktionsbedingungen rund um den Globus und die Entsorgung der Geräte können angesprochen werden. Die geplante Obsoleszenz, der Einbau von „Sollbruchstellen“ in Geräte, die den Kauf von neuen Geräten fördern, kann Thema im Reparatur-Café sein. Viele Informationen zur Initiierung und Durchführung von Reparatur-Initiativen gibt es unter www.reparatur-initiativen.de oder beim internationalen Netzwerk der Repair-Cafés http://repaircafe.org.

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Auch Umweltbildungszentren initiieren Reparatur-Cafés oder kooperieren mit den Initiativen, z.B. das NaturGut Ophoven, das Umweltbildungzentrum Licherode oder das Regionale Umweltbildungszentrum (RUZ) Schortens.

Schnippelparty, Schnippeldisco

Zu krumm, zu unansehnlich, zu schrumpelig – das gibt es nicht für die TeilnehmerInnen von Schnippelpartys oder –diskos. Bei cooler Musik werden gemeinschaftlich Kartoffeln geschruppt, Karotten geschält, Salat geputzt und Kochlöffel geschwungen. Das Gemüse kommt in der Regel aus der Nachlese auf den Höfen oder als Unverkäufliches aus dem Handel. So ist die Schnippeldisko eine kulinarische Protestaktion, um der sinnlosen Verschwendung leckerer Lebensmittel die Stirn zu bieten. Denn laut einer Studie der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) landet ein Drittel aller Lebensmittel, die weltweit produziert werden auf dem Müll –  und das, obwohl vieles noch essbar wäre. Ziel ist es, zu zeigen, dass auch sogenannte „Missfits“, Lebensmittel, die nicht den vorgeschriebenen Standards für den Handel entsprechen wie Karotten mit zwei Beinen oder Riesenzucchinis, gut schmecken und zu schade für die Tonne sind. Rund um eine Schnippeldisco kann so einiges über Lebensmittelerzeugung und –handel gelernt werden. Der Spaß kommt bei solchen Aktionen auch nicht zu kurz: es wird gegessen, getanzt und gefeiert.
Das Umweltbildungszentrum NaturGut Ophoven in Leverkusen hat eine Schnippeldisco veranstaltet.

Shareconomy / Kollaborativer Konsum

"Wortkreation aus Sharing und Economy zur Bezeichnung einer Wirtschaftsweise, in der Teilen, gemeinschaftliches Nutzen und Produzieren von Wissen, Gebrauchsgütern und Ressourcen an die Stelle von Kaufen und exklusivem Besitz treten. Carsharing, Couchsurfing, Give-Boxes und weitere Shareconomy-Güter können so zum einen preisgünstige Konsummöglichkeiten eröffnen, die vorher nicht erschwinglich waren. Zum anderen kann das Teilen von Gütern den Ressoucenaufwand des Konsums reduzieren. Um den gemeinsamen Verbrauch (auch "collaborative consumption") zu koordinieren, erfordert die Shareconomy einen vermehrten Kontakt zwischen den KonsumentInnen, wobei die digitale Kommunikation eine zentrale Rolle spielt. Der kollaborative Konsum [...] steht für die Absage an individuelles Kaufen und Besitzen sowie den Versuch, über Tauschen, Teilen, Schenken und andere Formen des gemeinschaftlichen Nutzens Ressourcenverbrauch und Kaufzwang zu reduzieren." (Welzer, H.; Giesecke, D. & L. Tremel (2014): Futurzwei - Zukunftsalmanach 2015/16: 505, 513. Frankfurt/M.)

Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi)

oder englisch "Community-supported agriculture (CSA)": KonsumentInnen unterstützen solidarisch einen landwirtschaftlichen Betrieb, indem sie für ein Jahr Ernteanteile „zeichnen“ und im Voraus dafür bezahlen. Die LandwirtInnen finanzieren damit ihr Saatgut und den Anbau. Ihre Erzeugnisse bringen sie dann meist an einen zentralen Ort in der Stadt. Dort holen sich die VerbraucherInnen ihr frisches Gemüse, Obst oder Säfte und Marmeladen meist einmal wöchentlich ab. Die Beteiligten fördern die Vielfalt im Nutzpflanzenanbau, die regionale Vermarktung und meist auch den Biolandbau. Sie können bei ihren Treffen und Hofbesuchen über industrialisierte Agrarwirtschaft und kleinbäuerliche Landwirtschaft und die ökonomischen Zusammenhänge diskutieren. Sie erfahren geschmackssinnlich die Saisonalität und Frische ihrer Lebensmittel und Abwechslung im Kochtopf. Auf Lernbauernhöfen kann die Solidarische Landwirtschaft mit Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung verbunden werden. Die solidarisch wirtschaftenden BienenCoop in Freiburg kooperiert mit dem Umweltbildungszentrum Ökostation Freiburg.

Gute Infos zu deutschsprachigen Initiativen unter www.solidarische-landwirtschaft.org. Eine Landkarte der solidarisch wirtschaftenden Initiativen und Höfe wächst derzeit auf https://ernte-teilen.org.

Transition Town, Stadt im Wandel

Ziel dieser seit 2006 aktiven Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen in vielen Städten und Gemeinden der Welt ist es, auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren und sich auf eine Zukunft mit knapper werdenden Roh- und Treibstoffen vorzubereiten. Initiiert wurde die Bewegung u. a. von dem irischen Permakultur-AnhängerRob Hopkins, der für die Stadt Kinsale ein Programm entwarf, um den Energieverbrauch und die Abhängigkeit von Industrieprodukten zu verringern. Kinsale wurde die weltweit erste Transition Town. Es gibt unterschiedlichste Initiativen innerhalb der Bewegung, die sich mit Themen wie Energie, Ernährung und Lebensstilen auseinandersetzen. Eigene oder gemeinschaftliche Gemüsegärten werden bestellt, solidarische Landwirtschaft mit Höfen in der Umgebung organisiert, (Lasten-) Fahrräder dienen möglichst als Hauptfortbewegungsmittel, Maßnahmen zum Energiesparen werden ergriffen und lokale Produkte gefördert. Dazu wird in manchen Transition Towns eine eigene Währung ausgegeben, mit der regionale Produkte in kleineren Läden unterstützt werden können. Die Mitglieder möchten als gemeinschaftliche Interessenbewegung ihr Leben für einen Übergang in eine postfossile Welt  nach dem Peak Oil und in eine relokalisierte Wirtschaft  entwickeln.  Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Gestaltungsprinzipien der Permakultur.

Auf www.transition-initiativen.de ist Näheres zur Inhalten und Vernetzung aller deutschen, österreichischen und Schweizer Transition-Initiativen, -Interessenten und –Aktiven zu erfahren.

Upcycling

Der englische Begriff bezeichnet eine besondere Art des Recyclings. Anstatt wie beim Recycling die Materialen wiederzuverwerten, wird beim Upcycling darauf geachtet, dass Abfallprodukte oder scheinbar nutzlose Nebenprodukte zu neuen Produkten umgewandelt werden. Neben den Kostenersparnissen stehen beim Upcycling besonders der Ressourcenschutz im Vordergrund. In Zeiten des globalen Schwunds an natürlichen Ressourcen ist es immer wichtiger, die vorhandenen Güter sowie ihre “Abfallprodukte” zu möglichst 100% zu nutzen. Von der Umweltbildung beim „Basteln mit Müll“ mit Kindern und Jugendlichen über Wandelinitiativen der Näh- und Reparatur-Cafés bis hin zur Nutzung von Stoff- und Verschnittresten in der Modeindustrie ist Upcycling vertreten.

Viele Ideen für Upcycling im Alltag finden Sie auf der Homepage http://www.weupcycle.com

Urban Beekeeping, Stadtimker

Imkern in der Stadt ist inzwischen zu einem trendigen Hobby für viele, oft junge Leute geworden. Sie halten Bienen in Hinterhöfen, auf Balkonen und Dachterrassen  und  auch in den Gemeinschaftsgärten der Städte. Ziel der meisten BienenhalterInnen ist der Schutz von Honig- und Wildbienen, die wichtig für unsere Ernährungssicherheit sind. Und nebenbei fällt noch ein gesundes Produkt an, ein Beitrag auf dem Weg zur städtischen Selbstversorgung. Für die städtische Bienenhaltung spricht in der Tat eine ganze Menge. Unter anderem, dass sich Bienen in der Stadt wohl fühlen. Parkanlagen, Hausgärten, Alleen, verwilderte Grundstücke, Verkehrsinseln und Balkonkästen bieten den Bienen vom Krokus im Frühjahr bis zur Goldrute im November stets einen reich gedeckten Tisch. Das breite Angebot zeigt sich auch im Honigertrag, der oft doppelt so hoch ist wie auf dem Land. Die dort durch Monokulturen bedrohten Tiere finden in der Stadt zunehmend Nischen und Fürsorge. Imkergemeinschaften teilen ihre Erfahrungen oft und gerne, bieten manchmal auch einen Besucherbienenstand oder ein Bienenhotel zum Anschauen an. Neugierige sind in der Regel willkommen.

Zahlreiche Informationen und Ausbildungen zur wesensgemäßen Bienenhaltung bietet Mellifera e.V. unter https://www.mellifera.de.

Urban Gardening, Gemeinschaftsgärten

Ob auf kleinen Plätzen, innerstädtischen Brachflächen, auf Randstreifen oder Dachterrassen, ob in Palettenbeeten, Safttüten oder Säcken – gepflanzt wird wie und wo es beliebt, wo Platz und Möglichkeit besteht, horizontal wie vertikal. Stadträume werden von den urbanen GärtnerInnen-Gemeinschaften als Treffpunkt, zur gemeinsamen Nahrungsmittelproduktion und zur liebevollen Gestaltung von Stadträumen genutzt. Oft kommen Menschen verschiedener Kulturen und Generationen hier zusammen, um miteinander zu gärtnern, zu ernten, zu kochen und voneinander zu lernen. Einige GärtnerInnen-Gemeinschaften beteiligen sich darüber hinaus an Debatten wie demokratische Nutzungen des öffentlichen Raums und Commons, über nachhaltige Stadtentwicklung, industrielle Nahrungsmittelproduktion oder Biodiversität und Saatgutvielfalt. Das eigene Tun, Handeln und darüber Reden kann bei Beteiligten und BesucherInnen der Gärten zu einem anderen gesellschaftspolitischen Denken führen und  zum sozial-ökologischenTransformationsprozess in der Gesellschaft beitragen.

Zahlreiche Informationen und das Urban Gardening Manifest gibt es unter http://anstiftung.de/urbane-gaerten.