Außerschulische Bildung. Auf dem Weg in die Nachhaltigkeit

In Empfehlungen von Kultusministerien oder Bildungskonzepten von Schulen wird das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung häufig erwähnt. Doch wie sieht es damit in außerschulischen Bereichen aus? Eine Studie der Universität Lüneburg ergab, dass die überwiegende Zahl der Einrichtungen sich mit dem neuen Leitbild beschäftigt. Mit der Einbindung in den politischen Dialog hapert es aber noch.

Bereits vor rund zehn Jahren gab die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) eine umfassende Bestandsaufnahme zur außerschulischen Umweltbildung in Auftrag. Die Forschergruppe um Gerhard de Haan von der Freien Universität Berlin befragte daraufhin rund 7.000 Einrichtungen in Deutschland, rund 4.600 beteiligten sich. Lediglich knapp ein Drittel davon hatte Themen aus dem Nachhaltigkeitsspektrum im Angebot, die Mehrzahl bot überwiegend „grüne“ Themen mit Schwerpunkt Natur an (ökopädNEWS 104, März 2000).

Außerschulische Bildung als unbekanntes Wesen
Bis heute gibt es keine allgemein gültige Definition, was „außerschulische Bildung“ eigentlich ist. Neben den „grünen“ Bildungseinrichtungen wie Umweltzentren, Waldschulen oder Schulbauernhöfen zählen auch Institutionen des Globalen Lernens, des Klimaschutzes, der Verbraucherbildung oder private und staatliche Informationsstellen dazu. Ihre Angebote, wie etwa Verbraucher- oder interkulturelle Bildung, werden heute meist als Teil einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gesehen. Im Gegensatz zur Schule, die als formaler Bildungsbereich bezeichnet wird, spricht man deshalb hier von non-formaler Bildung und bezieht dabei mitunter auch das „Informelle Lernen“ ein. Die Bildungslandschaft hat sich also beträchtlich verändert. Die DBU wollte deshalb in einer Folgestudie den aktuellen Stand der Umsetzung von BNE bei außerschulischen Anbietern erfahren, um aus empirisch gewonnenen Daten Erkenntnisse über Entwicklungspotenziale und die Wirksamkeit ihrer Förderung zu gewinnen.

Lässt sich BNE messen?
Ende März dieses Jahres stellte die Universität Lüneburg als Auftragnehmer die Ergebnisse ihrer dreijährigen Arbeit vor. Aus 17 zur Verfügung gestellten Verteilern wurden 5.703 Adressen ausgewählt und per E-Mail befragt. Die Rücklaufquote dieser quantitativen Studie lag bei 29 Prozent. Daneben wurden in einer qualitativen Studie 31 Interviews mit Einrichtungen aus dem gesamten Themenspektrum durchgeführt.

Kurz gesagt: So richtig neue Ergebnisse gibt es nicht. Außerschulische Anbieter zeigen heute im Vergleich zu 1999 eine deutlichere Ausrichtung auf BNE-affine Inhalte wie Energie, Bauen oder Verkehr. Unklar bleibt, ob sie damit auf allgemeine gesellschaftliche oder bildungspolitische Diskurse oder auf Anforderungen der UN-Dekade BNE reagieren.

Zur Messung von BNE haben die Forscher um Horst Rode und Maya Wendler einen Indikator mit fünf Kriterien ent¬wickelt:
1. Beschäftigung mit BNE: Immerhin zwei Drittel aller Anbieter beschäftigen sich gelegentlich oder öfter mit BNE.
2. Nachhaltigkeit im Leitbild: Drei von vier Einrichtungen haben BNE in ihrem Leitbild bereits verankert
3. BNE in den Bildungszielen: Zwar nennen nur 22 Prozent BNE explizit in ihren Zielen oder Aufgaben – allerdings ist dieses Kriterium auch nur schwer zu definieren.
4. Berücksichtigung sogenannter Kernelemente: Die Verknüpfung sozialer mit ökonomischen und ökologischen Aspekten, Interdisziplinarität, Verbindung lokaler und globaler Gesichtspunkte sowie Einbeziehung partizipativer Elemente werden aus der Sicht der Befragten zu einem hohen Grad umgesetzt. Gut die Hälfte aller Anbieter erreichten hier 29 von 40 möglichen Punkten.
5. Nachhaltigkeitsmanagement in der Einrichtung: 15 Prozent setzen dieses Instrument bereits ein, weitere 65 Prozent sind auf dem Weg dorthin oder nutzen Ansätze davon.

Die wichtigsten Ergebnisse können im Internet – nach Bundesländern aufgeschlüsselt – abgerufen werden. Aus der Analyse der Daten wurden „Gelingensbedingungen für außerschulische BNE“ identifiziert. Beispiele sind die Notwendigkeit zur Lernbereitschaft und Profilbildung oder die Verbesserung von Kommunikation und Netzwerkarbeit. Auch eine gewisse „Leidenschaft“ und ein hohes Engagement bei den MitarbeiterInnen seien nötig, um in der Öffentlichkeit glaubwürdig zu sein.

Die aufgestellten Empfehlungen für die Steuerungsebene sind hilfreich, aber nicht revolutionär. Neben der notwendigen Popularisierung des Leitbildes sollten unter anderem die institutionelle Förderung zur organisatorischen Weiterentwicklung von Einrichtungen verbessert und Qualitätsstandards und Zertifizierungssysteme nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein entwickelt werden.

Wie sieht die BNE der Zukunft aus?
Bei der Präsentation der Ergebnisse entspann sich eine lebhafte Diskussion darüber, wie weit BNE über Bildungsarbeit hinaus auch in einen politischen Diskurs mit der Umgebung treten müsse. Bereits jede dritte Einrichtung arbeitet mit lokalen Nachhaltigkeitsinitiativen vor Ort zusammen. Rund 70 Prozent stehen in einem Dialog mit politischen Akteuren, Kommunen oder Unternehmen. Dies ist deshalb so bemerkenswert, weil Bildungsaspekte in vielen staatlichen und fachbezogenen Dokumenten zur Nachhaltigkeit auch heute noch mit keinem Wort erwähnt werden.

In zukünftigen Erhebungen zur außerschulischen Bildung sollte allerdings berücksichtigt werden, dass es neben den mehr oder weniger verankerten außerschulischen Institutionen eine steigende Zahl neuer informeller Formate gibt, um Menschen für Nachhaltigkeit zu interessieren und zu aktivieren. Dazu gehören die sozialen Medien wie Facebook oder Wikipedia, neue Aktionsformen wie Flashmobs oder informelle Netzwerktreffen von Führungskräften aus Wirtschaft und Verbänden auf lokaler Ebene. [Jürgen Forkel-Schubert]

Leuphana-Universität Lüneburg, Institut für Umweltkommunikation, Dr. Horst Rode, Maya Wendler, Tel. +49 (0)4131 / 6772939, E-Mail: rode@uni.leuphana.de, www.leuphana.de/infu
Länderkarte (nur mit Firefox zu öffnen): www.ridens.de/HF/V5.3/BNE.xhtml

 

ökopädNEWS März 2000: Evaluation zur außerschulischen Umweltbildung in Deutschland. Blick zurück in die Zukunft. www.umweltbildung.de/3489.html