Wertevermittlung im Elementarbereich - Was Hänschen nicht lernt ...

Menschenwürde, Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und Gerechtigkeit für heute lebende Menschen und zukünftige Generationen sind die wichtigsten Grundlagen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Dass diese Werte bereits Kindern im Elementarbereich vermittelt werden können, zeigte eine Tagung in Potsdam. Praktische Übungen dazu enthält eine Praxismappe.

Seit der Antike hat sich unser Werteverständnis stetig gewandelt. Die aktuelle Werteumfrage von Unicef und der Kinderzeitschrift Geolino nennt als die wichtigsten Werte für Kinder Geborgenheit, Vertrauen, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. „Total wichtig“ fanden zwei Drittel der befragten Kinder Familie und Freunde; immerhin die Hälfte sprach sich auch für Bildung aus.

Ute Stoltenberg ist Professorin und Leiterin des Instituts für Integrative Studien an der Universität Lüneburg und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat für das ANU-Projekt Leuchtpol. Ihrer Meinung nach bilden Werte den Orientierungsrahmen der Zivilgesellschaft, der sich idealerweise in einem öffentlichen Verständigungsprozess herausbildet. Werte seien nicht statisch, sondern das Ergebnis einer umkämpften historischen Entwicklung, so Stoltenberg.

Fachtagung „Vom Wissen zum Handeln: Kinder, Werte, Klimaschutz“

Einen Schritt in einem solchen öffentlichen Verständigungsprozess bildete die ANU- Leuchtpol-Fachtagung im Dezember 2010 in Potsdam. Hauptthema war die Bedeutung von Werten für die Bildungsarbeit im Kindergarten: „Was ist uns wichtig?“ oder „Welche Beziehung haben wir zu den Dingen um uns herum?“ Am Beispiel des Klimaschutzes wurden in Vorträgen, und Diskussionsrunden Fragen nach dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und nach gerechtem Zusammenleben debattiert. Speziell die Arbeit im Kindergarten bietet durch die hohe Sensibilität der Kinder vielfältige Möglichkeiten, positive wertorientierte Haltungen zu Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Menschenwürde zu entwickeln.

Susanne Schubert, Bereichsleiterin für Pädagogik bei Leuchtpol, hatte die Tagung inhaltlich vorbereitet. Sie warnte davor, die Debatte um Werte in der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zu überladen. Allzu leicht gleite man im Spannungsfeld von Theorie und Wirklichkeit in ein zu starkes Moralisieren ab und überfordere damit die Beteiligten. Die über 200 ErzieherInnen, FachberaterInnen, Fachschullehrkräfte, MultiplikatorInnen und MitarbeiterInnen in Umweltzentren konnten in Workshops und auf dem „Markt der Möglichkeiten“ verschiedene Ansätze und dokumentierte Beispiele gelungener Praxis diskutieren.

Diese Werte brauchen Kinder

Einen konkreten Vorschlag, wie wertebezogene Erfahrungsräume in der pädagogischen Praxis von Bildungseinrichtungen geschaffen werden können, machte der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) mit dem Material „Leben gestalten lernen: Werte leben“. Ein roter Sammelordner enthält neben Praxisanleitungen zum spielerischen Lernen mit den Kindern auch Hintergrundinformationen und ein von Eltern verfasstes Kapitel „Erziehungspartnerschaft“.

Das umweltpädagogische Team um Klaus Hübner, den pädagogischen Leiter beim LBV, hat sich in seinem Wertekanon in langen Workshops und Diskussionen auf sieben Werte als die für den Elementarbereich wichtigsten geeinigt:

  • Lebensfreude: die Grundhaltung, das Leben mit positiven Blickwinkeln zu besetzen;
  • Mut: vor allem definiert als der Mut, die eigenen Grenzen zu überwinden und über sich selbst hinauszuwachsen;
  • Verantwortungsbewusstsein: die Erkenntnis, dass das eigene Handeln Konsequenzen hat, um diese Macht zum eigenen und zum Wohle der anderen einzusetzen;
  • Offenheit: die Bereitschaft, Neues zu lernen und dabei andere Meinungen zu respektieren und anzunehmen;
  • Wir-Gefühl: Teil einer Gemeinschaft sein und mit für deren Wohl sorgen, ohne nur den eigenen Vorteil zu sehen;
  • Vertrauen – in sich selbst und in andere Menschen, als Basis für Geborgenheit;
  • Achtung – vor den eigenen Fähigkeiten, den Talenten der anderen, der Schöpfung, kulturellen Leistungen.

Auch für Klaus Hübner ist die Erfahrung von Werten das wichtigste Prinzip der Bildung für nachhaltige Entwicklung: „Kinder sollen lernen, vernetzt zu denken, um später solidarisch miteinander nach Lösungen für Herausforderungen wie Klimawandel, Armut und Verlust biologischer Vielfalt zu suchen.“ Erst wenn positive Werte erfahren und verinnerlicht würden, könnten Kinder ihre Fähigkeiten zum Guten für sich und andere einsetzen. Doch über all dem steht für Hübner noch die Lebensfreude, um positive Erfahrungen zu sammeln.

Auch die Wirtschaft fordert Wertevermittlung

Dass die Ausbildung von Eigenschaften und Haltungen wie Solidarität, Empathie und Sorge um die Mitwelt bereits in der frühen Kindheit reale nachhaltige Zukunftsvorsorge darstellt, wird auch von unternehmerischer Seite bestätigt. Eine Wertekommission aus Führungskräften deutscher Unternehmen legte in einer Studie dar, dass gelebte Werte ein wichtiges Führungsinstrumentarium und wichtig für eine höhere und nachhaltigere Wertschöpfung in Unternehmen sind. Der Kommissionsvorsitzende Sven Korndörffer betonte, dass Führungskräfte die entscheidenden Kompetenzen und Wertprägungen lange vor ihrer eigentlichen Karriere erfahren. Was Hänschen nicht lernt ...

[Lisa Hübner]

Umfrage: www.kurzlink.de/kinderwerte-monitor
Tagung: www.leuchtpol.de/fachtagung
Praxisordner: www.kurzlink.de/lbv-werteordner
Studie: www.wertekommission.d