Umweltbewusstseinsstudie 2008 - Mehr Bildung, mehr Umweltschutz?

Das Umweltbewusstsein in Deutschland steigt mit dem Bildungsgrad, zeigt eine neue Studie des Umweltbundesamtes. Doch für die Bereitschaft zum eigenen Handeln ist oftmals die Zugehörigkeit zu einem speziellen Milieu leitend. So engagieren sich überdurchschnittlich viele Menschen aus den Milieus der "Postmateriellen" und der "Etablierten" im Rahmen der kommunalen Agenda 21.

Im vergangenen Dezember hat das Umweltbundesamt die Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsumfrage "Umweltbewusstsein in Deutschland 2008" vorgestellt. Die Daten belegen die große Bedeutung des Umweltschutzes für die Deutschen. So gaben 91 Prozent der 2000 repräsentativ ausgewählten Befragten an, dass der Umweltschutz ihnen wichtig sei. Noch wichtiger waren ihnen allerdings Arbeitslosigkeit, Rentensicherung, Gesundheitsvorsorge - und niedrige Energiekosten. Umweltschutz landete erst auf dem achten Rang.

Das Ergebnis bietet Raum für Interpretationen. Einerseits ist das Problembewusstsein für Naturerhalt und Klimawandel hoch und die Mehrheit (84 Prozent) ist der Überzeugung, dass man durch verändertes Konsumverhalten zu mehr Umweltschutz beitragen kann. Doch zugleich wollen rund 80 Prozent der befragten Personen nur dann aktiv werden, "wenn alle so handeln würden". Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent erklärte sogar, dass sie nur dann etwas zum Umweltschutz tun würde, wenn dies ihren Lebensstandard nicht beeinträchtigt. Etwa ebenso viele Menschen zeigten sich auch nicht bereit, für weniger umweltbelastende Produkte mehr Geld auszugeben oder höhere Ökosteuern zu zahlen. Dies zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger beides wollen: Umweltschutz und Wohlstand.

Neben der Bildung ist das Milieu entscheidend

Bei den meisten umweltrelevanten Fragen spielen klassische soziodemografische Merkmale wie Alter, Geschlecht, Bildungsstand und Einkommen eine entscheidende Rolle. Bildung und Umweltbewusstsein sind häufig direkt proportional miteinander verbunden: Menschen mit hoher Bildung und hohem Einkommen zeigen nicht nur hohes Problembewusstsein, sondern nutzen auch vorhandene Informationsquellen und -instrumente. Die gebildete Zielgruppe schreibt der Gentechnik ein hohes Risikopotenzial für Natur und Umwelt zu, fühlt sich vom Klimawandel besonders bedroht und zeigt sich besorgt über den Verlust der biologischen Vielfalt.

Es gibt aber auch Bereiche, bei denen der Bildungsgrad keine wesentliche Rolle spielt. Ein Beispiel ist der Verkehr. Junge Menschen unter 29 Jahren wollen einfach keine "mobilitätseinschränkenden" Maßnahmen wie Tempolimits oder Sperrung von Straßen. Auch bei der Frage nach dem Atomausstieg spielt weniger die Bildung als vielmehr die Milieuzugehörigkeit eine Rolle.

Avantgarde des Umweltschutzes: Die "Postmateriellen"

Menschen aus dem aufgeklärten Nach-68er-Milieu zeigen beispielsweise eine liberale Grundhaltung, intellektuelle Interessen und postmaterielle Werte. Rund zehn Prozent der Bevölkerung lassen sich dem Milieu der "Postmateriellen" zuordnen. Diese Gruppe zählt neben den "Etablierten" und der Leistungselite der jungen "modernen Performer" zum gesellschaftlichen Leitmilieu, in dem der Umweltschutz laut der Studie fest verankert ist. Hierbei zeigt die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen, die durch die Ökologiebewegung der 70er- und 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts sozialisiert wurde, die höchste Sensibilität für umweltbezogene Gesundheitsbelastungen. Sie bildet gemeinsam mit Akademikern und Menschen mit gehobenem Einkommen den Kern einer derzeit für Marketingstrategen populären Zielgruppe, die genussvollen Lebensstil mit Umweltbewusstsein verbindet: Die "LOHAS" (Lifestyle of Health and Sustainability).

Bescheidenheit und Sparsamkeit: Die "Traditionalisten"

Gebildete und wohlhabende Menschen zeigen in der Regel eine stärkere persönliche Betroffenheit und größere Neigung zum Umweltengagement und zur Spendenbereitschaft. Dennoch ist Umweltschutz nicht nur im gehobenen Gesellschaftssegment fest verankert. Auch im Mainstream der Gesellschaft - bei der sogenannten "bürgerlichen Mitte" - wird Umweltschutz als politisches Topthema gesehen und als ein notwendiger und unaufhaltsamer Trend begriffen. Als weiteres wichtiges Milieu gelten die sogenannten "Traditionsverwurzelten", weil sie beispielsweise sparsamer und bescheidener als andere Menschen leben und dadurch Umwelt und Klima schonen.

Weitere Milieus durch informelle Bildung erreichen

Umweltrelevantes Verhalten ist also je nach Milieu sehr unterschiedlich ausgeprägt und hängt von Werten, Lebensstil, Weltanschauungen und ästhetischen Präferenzen ab. Daher sieht die Studie für die Zukunft eine große Herausforderung darin, den Menschen zu verdeutlichen, dass umweltschonendes Verhalten und nachhaltiger Lebensstil unabhängig von den materiellen Kosten auch einen ganz persönlichen Gewinn an Lebensqualität bedeuten und neue Möglichkeiten der Lebensgestaltung aufzeigen können.

Derartige Werte und Einstellungen werden aber meist gerade nicht durch unser formales Bildungssystem geprägt. Hier haben informelle und außerschulische Lernprozesse, wie sie die außerschulische Umweltbildung ermöglicht, ihre klare Stärke.

[Jürgen Forkel-Schubert]

www.umweltbundesamt.de/umweltbewusstsein