Im Juni beginnt die Fußball-Europameisterschaft EURO 2008 in Österreich und der Schweiz. Das Forum Umweltbildung aus Wien hinterfragt die Nachhaltigkeit des Events und fordert zugleich zu mehr Bewegung im Leben auf.
Noch deutlich in Erinnerung dürfte bei vielen der Medienhype um die Fußball-WM 2006 in Deutschland sein: Ganz Deutschland befand sich im Fußballrausch. An vielen Autos wehten bunte Flaggen. Im Bildungsbereich fanden zahlreiche kreative Aktivitäten statt. Wird sich dieses Szenario bei der Europameisterschaft in Österreich wiederholen? Und wie kann eine Bildung für nachhalti-ge Entwicklung (BNE) - aufbauend auf den Erfahrungen aus Deutschland - daran partizipieren?
Das Forum Umweltbildung in Wien ist eine Initiative des Umwelt- und des Bildungsministeriums, Projektträger ist der Um-weltdachverband. Das Forum gibt vierteljährlich die Zeitschrift umwelt&bildung heraus. Heft 1/08 befasst sich schwerpunktmä-ßig mit der EURO 2008 und mit der Bedeutung von Bewegung für die Bildung. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Beiträge des Heftes zusammen.
Fußball-EM als Green Event
Die EM 2008 wird die größte Sportveranstaltung, die Österreich je gesehen hat: Mehr als zwei Millionen Gäste werden erwartet. Weltweit werden rund acht Milliarden ZuschauerInnen die 31 Spiele am Fernseher verfolgen. Ein spezielles Nachhaltigkeitskon-zept soll für umweltfreundliche Spiele sorgen, von denen das Land dauerhaft profitieren soll. So sollen die Stadien während der Veranstaltungen umweltfreundlich mit Fernwärme, Strom aus Fotovoltaik-Modulen auf den Dächern oder Ökostrom versorgt werden. TicketinhaberInnen können kostenlos mit der Bahn und öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Gezielte Marketingmaß-nahmen für regionale Firmen sollen einheimische Produkte und Urlaubsangebote ins Blickfeld rücken. Daneben wird ein umfang-reiches Kulturprogramm für gute Stimmung, Völkerverbindung und eine behindertenfreundliche und antirassistische Atmosphäre sorgen. Neben dem offiziellen roten EM-Fußball gibt es einen grünen des Umweltministeriums für besondere Verdienste um die Umwelt. Es gibt auch einen Fair-Trade-Ball für 22 Euro, von dessen Endpreis fünf Euro für Bildungsprojekte abgegeben werden. Doch ist damit schon der Nachhaltigkeit Genüge getan?
Welchen Fußball wollen wir?
In seinem Beitrag "Nachhaltig(keit) am Ball" zeigt Wolfgang Sorgo, der Redakteur von umwelt&bildung, wie stark sich der Fußball in den letzten 100 Jahren von einem Spiel um "Fair Play" mit partizipativen Elementen sowohl im bürgerlichen als auch im proletarischen Kulturbereich entfernt hat und zu einem kommerzialisierten und globalisierten Event geworden ist. Professio-nell angeboten, ökonomisiert auf allen Ebenen und medialisiert bis ins letzte Detail bewegt sich der Fußballsport heute auf einem fragilen Grat zwischen einer total kommerzialisierten Sportshow und einer gelebten Fußballpraxis im Alltag vieler Menschen. Welchen Fußball wir wollen und letztendlich bekommen, ist daher auch immer eine Frage der Reflexion der kulturellen Bedeu-tung von Fußball und der Gestaltung von Alltagsprozessen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung.
Nur wer sich bewegt, bewegt etwas
Ein "Bewegtes Leben" fordert Professor Werner Lenz von der Universität Graz in seinem gleichnamigen Beitrag. Bewegung beginnt immer im Kopf, weil die Koordinationsleistung des Gehirns Bewegung erst möglich macht. Umgekehrt bedeutet Bewe-gung aber auch Veränderung, mit denen das Gehirn fertig werden muss. Bewegung bildet und Bildung bewegt - so die These von Lenz, die er mit vielen Beispielen untermauert. Er schlägt den Bogen von den Bildungsreisen der Eliten früherer Jahrhunderte über die Handwerksgesellen "auf der Walz" bis zu den Abiturreisen heute, die seiner Meinung nach touristisch getarnte Initiati-onsriten ins Erwachsenenleben darstellen. Der Arbeitsmarkt fordert, dass wir uns flexibel und mobil zeigen, und führt zu weltwei-ten Migrationsströmen von Menschen auf der Suche nach Arbeit. Lenz fordert dazu auf, nicht alles einfach nur hinzunehmen, sondern sich zu bewegen, aufzustehen und sich zu engagieren. Jeden Tag sollten wir 30 Minuten über das Vorgegebene hinaus denken, eine soziale Phantasie wagen, das Gewohnte verlassen und uns eine andere Lebenswelt vorstellen.
Bildung - mit am Ball
Ob und wie die Bildung den Ball aufnehmen wird, den ihr die EURO 2008 jetzt zuspielt, hängt also von uns allen ab. um-welt&bildung zeigt viele Aktionsformen und pädagogische Beispiele, deren Ähnlichkeiten mit der WM 2006 sicher nicht zufällig sind. So gibt es ein offizielles Schulprojekt "Euroschools 2008", bei dem Schulen als Botschafter der 53 UEFA-Nationen fungie-ren. Verschiedene Ausstellungen in Wien thematisieren die Geschichte des Fußballsports, zeigen historische Orte und fordern zum Mitmachen auf. 16 Theatergruppen in elf Städten bieten mit über 90 Veranstaltungen künstlerische Aktionen und regen zur Auseinandersetzung mit dem Phänomen Fußball an. Die Ergebnisse eines Videoclip-Wettbewerbs sind bereits auf umweltbil-dung.at zu sehen.
Der Anstoß ist gemacht. Jetzt gilt es den Ball vorwärts zu spielen, möglichst viele Spieler zu beteiligen und eine breite Bewe-gung zu starten, die für eine gesunde Bewegung beim Einzelnen statt für kommerzialisierten Wettkampf und Sportkonsum
eintritt.
[Jürgen Forkel-Schubert]
www.umweltbildung.at/fussball
www.umweltamball.at
www.fussballverbindet.at
www.euroschools2008.org
www.jugendeinewelt.at