Eine Analyse der Bildungspläne der deutschen Bundesländer für den Elementarbereich
ergab, dass nur Schleswig-Holstein und Bayern ausdrücklich auf "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" Wert legen. Allen anderen Länder haben großen
Nachholbedarf. Die Autorin der Studie stellt die wichtigsten Ergebnisse vor.
Dass Kindertagesstätten sichtbar zum Bildungsbereich gerechnet werden, dauerte vom Bildungsplan des Deutschen Bildungsrats 1970 - der sie immerhin bereits als solche erwähnt - bis zum vergangenen
Jahr. In den fünf Jahren zwischen 2003 und 2007 erarbeiteten alle deutschen Bundesländer, zum Teil erstmalig, eigene
Bildungspläne für den Elementarbereich. Anlass war die öffentliche Diskussion über die internationalen Bildungsvergleichsstudien, die frühkindliche Bildung als einen
Schlüssel für lebenslanges Lernen in den Blick nahmen.
Bildungspläne der Länder ohne Bildung für nachhaltige Entwicklung?
Die Erarbeitung der Bildungspläne fiel in eine Zeit, in der in Deutschland das Konzept der "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" (BNE) ausformuliert und die gleichnamige UN-Dekade auf den
Weg gebracht wurde. Da liegt die Frage nahe, inwieweit die neuen Bildungspläne für den Elementarbereich sich bereits am Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung
orientieren und der Zusammenhang von Menschenwürde und Demokratie, Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und Gerechtigkeit in der Verteilung der Lebenschancen
und Lebensqualität in der "Einen Welt" dort thematisiert wird.
Differenziertes Bild in den Ländern
Einen ausdrücklichen Bezug auf BNE gibt es nur in zwei Plänen: Im Bildungsplan von Schleswig-Holstein "Erfolgreich starten - Leitlinien zum Bildungsauftrag von
Kindertageseinrichtungen" wird BNE als grundlegendes Prinzip angesehen. Der "Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen
bis zur Einschulung" orientiert sich im Bildungsbereich "Umwelt" an dem Leitbild der BNE und seiner konzeptionellen Ausgestaltung und stellt von diesem Bildungsbereich
auch Verknüpfungen mit den anderen dort genannten her. Hessen erwähnt "Nachhaltigkeit" als neue Orientierung für Umweltbildung, ohne näher auf das entsprechende Bildungskonzept
einzugehen. Dennoch finden sich sowohl im hessischen als auch in weiteren Bildungsplänen
Inhalte, Arbeitsweisen und Methoden, die nicht nur eine Nähe zu dem Konzept einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
aufweisen, sondern als deren Bestandteile angesehen werden könnten. Ihr Potenzial im Sinne einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung wird jedoch nicht
ausgeschöpft. Denn wo es keine ausdrückliche Reflexion der Werte und Ziele gibt, - also ohne ein orientierendes Bildungskonzept - sind die guten Ansätze nicht als
Beispiel für eigenes Arbeiten unter einem Perspektivenwechsel, den Bildung für eine nachhaltige Entwicklung mit sich bringt, erkennbar.
Nachhaltigkeitsperspektiven sind selten
Zudem sind Nachhaltigkeitsperspektiven eher selten. Das gilt für Themenfelder wie Ernährung/Gesundheit und Wasser/Energie, die in der Mehrzahl der Bildungspläne
vorkommen, und das gilt auch für das wichtige Prinzip der Partizipation von Kindern. Es hat durch die Vorgabe des Kinder und Jugendhilfegesetzes zum Recht von
Kindern, an allen sie betreffenden Entscheidungen entsprechend ihrem Entwicklungsstand
beteiligt zu werden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII), inzwischen einen hohen Stellenwert. Partizipation wird in der Regel
jedoch immer noch vorrangig als Einübung in demokratisches Zusammenleben verstanden - Kindertagesstätten als Lernort
für Demokratie. Partizipation im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, die Partizipation auch als Beitrag der Kinder
zur Gestaltung des Zusammenlebens sieht, ist bisher erst in den Bildungsplänen von Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Schleswig-Holstein berücksichtigt. Für die Gestaltung der Kindertagesstätte als Erfahrungsort für nachhaltiges Leben und Wirtschaften finden sich erst wenige und vereinzelte Beispiele. Und die
Zusammenarbeit mit "Fachinstitutionen, insbesondere mit der lokalen Agenda 21, mit Umwelt- und Naturschutzverbänden, Verbraucherschutzverbänden, Umweltstationen,
Forstämtern, Abfall- und Energieberatungsstellen", wie im Bayerischen Bildungsplan angeregt, wünscht man sich nicht als Ausnahme, sondern als begründete
Regel. Oft fehlt der ökologische Wirkungszusammenhang Besonders bemerkenswert ist ein Trend, der die Art der Auseinandersetzung mit Natur
betrifft. Zehn der 16 Bundesländer haben einen Bildungsbereich aufgenommen, der
sich auf Naturwissenschaften bezieht; nur fünf Länder nennen "Natur" explizit als Bestandteil eines Bildungsbereichs, zwei fassen Fragen der Natur unter "Umwelt".
Die Analyse macht jedoch deutlich, dass das Anliegen, Natur als Lebensraum und Zusammenhang aller Kreaturen, als ökologischen Wirkungszusammenhang bewusst
zu machen, nur ausführlicher in den Plänen angesprochen wird, die "Natur" oder "Umwelt" im Titel eines gesonderten Bildungsbereichs haben.
Wenn interkulturelle Bildung in zwei Bildungsplänen überhaupt nicht vorkommt, in anderen eher als Wissensbereich oder als Frage unterschiedlicher Bildungschancen
und nicht als Zugang, um kulturelle Vielfalt bewusst wahrzunehmen und als Potenzial für das gemeinsame Zusammenleben
in Einer Welt zu begreifen, ist eine übergreifende Diskussion über frühkindliche Bildung unausweichlich.
Gestaltungsfelder für Bildung für eine nachhaltige Entwicklung gibt es derzeit viele. In den Nachhaltigkeitsinitiativen der Bundesländer oder in Aktivitäten zur UNDekade
Bildung für nachhaltige Entwicklung könnte man sich durchaus treffen und gemeinsame Initiativen auf den Weg bringen.
Die Unesco wird dieses Thema jetzt bundesweit ansprechen. [Ute Stoltenberg]
ZZ Prof. Dr. Ute Stoltenberg, Universität Lüneburg,
Institut für integrative Studien,
Tel. +49 (0)4131 /6771721,
E-Mail: stoltenberg@uni-lueneburg.de
ZZ Stoltenberg, U.: Bildungspläne im Elementarbereich
- ein Beitrag zur Bildung für eine nachhaltige
Entwicklung? Eine Untersuchung im Auftrag
der AG Elementarpädagogik des Deutschen
Nationalkomitees für die UN-Dekade "Bildung
für nachhaltige Entwicklung", gefördert durch
die Max-Traeger-Stiftung. Hamburg/Lüneburg,
Februar 2008, 106 S. Download (PDF, 490 kB):
www.kurzlink.de/elementar-bne-08.pdf