Rio+10

Strategie ohne Bildung?
Auf dem Weltgipfel 1992 in Rio de Janeiro haben sich mehr als 170 Staaten verpflichtet, nationale Nachhaltigkeits-Strategien zu erarbeiten. Am 26. Juli 2000 beschloss das Bundeskabinett endlich, dieses Vorhaben umzusetzen. Ein Projekt unter großem Zeitdruck.


Das Thema Nachhaltigkeit soll als neue Leitlinie für alle Politikbereiche gelten. Zur Umsetzung bildete die Bundesregierung aus fast allen Ministerien einen "Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung". Das sogenannte "Green Cabinet" soll die Nachhaltigkeits-Strategie erarbeiten und konkrete Projekte festlegen. Diesem gehören neben dem leitenden Staatsminister beim Bundeskanzler, Hans Martin Bury, Staatssekretäre aus verschiedenen Bereichen an. (www.bundesregierung.de).
Ihm zur Seite gestellt wurde der "Rat für Nachhaltige Entwicklung". Er umfasst 17 Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen, darunter Klaus Töpfer (United Nations Environment Programme), Hubert Weinzierl (Deutscher Naturschutzring) und Angelika Zahrnt (Bund für Umwelt- und Naturschutz). In drei Arbeitsgruppen sollen Vorschläge zu den Bereichen Energie und Klimaschutz, Mobilität sowie Landwirtschaft, Ernährung, Gesundheit und Umwelt gemacht und der gesellschaftliche Dialog vorangebracht werden. (www.nachhaltigkeitsrat.de).

Dialog Nachhaltigkeit

Für die Erarbeitung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie gibt es plötzlich einen straffen Zeitplan, weil die Bundesergierung sie gerne im September 2002 auf dem Weltgipfel verkünden möchte. Bis Mitte November 2001 konnten BürgerInnen mit der Bundesregierung im Internet einen "Dialog Nachhaltigkeit" über Ziele und Leitbild führen. Wer aber unter www.dialog-nachhaltigkeit.de nachschaut, findet magere 291 Beiträge zu 78 Themen mit sehr unterschiedlicher Qualität. Die geringe Zahl spiegelt aber weniger die fehlende Resonanz in der Bevölkerung wieder, als vielmehr die besondere Eile, mit der die Bundesregierung das Vorhaben durchzieht. Bereits im Dezember soll der erste Entwurf der Strategie erarbeitet und im Januar 2002 der Öffentlichkeit zur Diskussion vorgestellt werden. Die endgültige Fassung soll im April 2002 vorliegen. Geplant ist auch, ein Projektforum im Internet einzurichten, in das jeder sein eigenes Projekt einbringen kann.

CSD-Nachhaltigkeitsindikatoren

In der in Rio verabschiedeten Agenda 21 werden in 36 Kapiteln Aufträge für die unterzeichnenden Staaten genannt. Eine UN-Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD) überprüft deren Umsetzung. Sie hat ein mehrjähriges Arbeitsprogramm zu Nachhaltigkeitsindikatoren verabschiedet (www.un.org/esa/sustdev/isd.htm). Kernelement ist eine Indikatorenliste mit 134 Einzelindikatoren, die derzeit in einer Pilotphase von 22 Ländern, darunter Deutschland, getestet wird. Die Ergebnisse können unter www.umweltbundesamt.de/uba-info-daten/daten/csd.htm abgefragt werden. Ein Bericht des Umweltbundesamtes (UBA) stellt fest, dass sich das Indikatorensystem als Grundlage für eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie in Deutschland gut eignet. Die große Anzahl der Indikatoren sollte allerdings weiter verdichtet werden. Das Umweltbundesamt und die ZDF-Umweltredaktion haben deshalb den Deutschen Umweltindex, DUX, ins Leben gerufen (www.umweltbundesamt.de/dux/). Ähnlich wie beim Deutschen Aktienindex, DAX, soll mittels einer einzigen plakativen Zahl der aktuelle "Umweltwert" bei sechs übergeordneten Rubriken angezeigt werden: Klima, Luft, Boden, Wasser, Energie und Rohstoffe. Anhand dieses Wertes sollen Erfolge in der Umweltpolitik, aber auch bestehender Handlungsbedarf ablesbar sein. Für jeden Indikator gibt es höchstens 1.000 Punkte. Wenn in allen Bereichen die umweltpolitischen Ziele erreicht würden, wäre der DUX-Höchststand von 6.000 Punkten erreicht. Der aktuelle Stand liegt bei 1.714 Punkten.

Wo bleibt die Bildung?

Für einige Kapitel der Agenda ist es sehr schwierig, aussagefähige und quantitative Indikatoren zu entwickeln. Dazu gehört insbesondere das Kapitel 36 "Förderung von Bildung und Bewusstsein". Das UBA schlägt hierfür Abänderungen und Ergänzungen zu den CSD-Indikatoren vor. Es möchte die Bildung nicht dem Bereich "Soziales", sondern den Institutionen zuordnen um die Neuausrichtung der Bildung auf eine nachhaltige Entwicklung und die Förderung der öffentlichen Bewusstseinsbildung angemessen und qualitativ besser zu berücksichtigen (vgl. auch: UBA-Schlußbericht "Konzeptionelle Weiterentwicklung der CSD-Nachhaltigkeitsindikatoren, Teilvorhaben Umweltbildung/Umweltbewusstsein", Autoren: de Haan u.a., 1998, www.bmu.de).
Der Bundestag hat im Juni 2000 einstimmig für eine "Bildung für nachhaltige Entwicklung" votiert. Auch die Bundesregierung will einen breiten gesellschaftlichen Dialog zum Leitbild Nachhaltigkeit führen. Sie weiß, dass Nachhaltigkeit von unten wächst - das haben zahlreiche Projekte und Aktionen dokumentiert. Deshalb müssen zwei Fragen erlaubt sein. Erstens: Gelingt es, die komplizierten Ziele der Agenda 21 in eine für die Bevölkerung verständliche Sprache zu übersetzen? Und zweitens: Durch welche Strategien will man die Bevölkerung und nicht nur wenige Einzelpersonen dazu bewegen, diese Ziele aktiv zu unterstützen? Dies sind klassische Fragen der Umweltkommunikation und der Umweltbildung. Die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung (ANU) arbeitet derzeit an Qualitätskriterien für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung im außerschulischen Bereich und kann auf viele gute Beispiele zur praktischen Umsetzung verweisen. Einen Dialog hat die Bundesregierung den großen Umweltbildungsverbänden ANU, der Deutschen Gesellschaft für Umwelterziehung und der Gesellschaft berufliche Umweltbildung bislang jedoch noch nicht angeboten.

Kontakt: Gerhard Schröder, Bundeskanzleramt, Postfach "Dialog Nachhaltigkeit", D-10482 Berlin, www.bundesregierung.de