Wie kann Umweltbildung mit Geflüchteten gelingen?

Viele Akteure der Umweltbildung arbeiten seit 2015 verstärkt mit Geflüchteten. Das Werkstatt-Treffen 2016 der ANU Bayern zum Thema „Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) mit geflüchteten Menschen” zeigte neue geistige und praktische Wege interkultureller Nachhaltigkeitsbildung. Zudem war es ein gefragtes Forum kollegialen Austauschs über Fachgrenzen hinweg.

Was brauchen Akteure der Umweltbildung für ihre Arbeit mit Geflüchteten? Wo liegen ihre Stärken und was ist das Spezifische ihrer Bildungsarbeit? Das sind Fragen, die an die Aktiven derzeit gestellt werden und die auch Thema auf einer Tagung der ANU Bayern waren.

Die Zukunft ist nicht linear

„Zukunftsfähigkeit ist die neue Muse“, davon ist Dr. Hildegard Kurt überzeugt. Die Kulturwissenschaftlerin inspirierte die Teilnehmer*innen des Werkstatt-Treffens der ANU Bayern am 26.04.2016, das unter dem Motto „ZusammenWachsen – Umweltbildung und BNE mit geflüchteten Menschen“ stand. Kurts Gedankenexperiment geht davon aus, das Nichtplanbare zu bejahen: „Gewöhnlich sind wir sehr mit unserem Rucksack an Erfahrungen beschäftigt“, sagte Dr. Kurt, „daher ist die Zukunft oft nur ein Extrapolieren des Bisherigen. Doch wer sich von der Zukunft her berühren lässt, kann etwas auslösen, das eine andere, nicht lineare Zukunft ermöglicht.“ Nachhaltigkeit heiße auch: offen sein für neue Begegnungen und dafür, neue Wurzeln zu bilden. Mit diesen Gedanken lädt die Künstlerin zur Perspektivenerweiterung für die Umweltbildung ein. Denn die Frage, wie wir mit Neuem umgehen, beschäftigt die deutsche Gesellschaft gerade intensiv.

Gute Beispiele sichtbar machen

Offenheit für Neues legten auch die Mitglieder der ANU Bayern an den Tag, als sie 2015 die Arbeit mit Menschen auf der Flucht zu einem der Schwerpunktthemen des Verbands wählten. Daraus entstand das Projekt „Willkommen in Bayern – Umweltbildung mit geflüchteten Menschen“, das die Deutsche Bundesstiftung Umwelt von November 2015 bis Mai 2016 förderte. Es zielt darauf ab, die Potenziale der BNE bei der Integration von Asylsuchenden sichtbar zu machen. Dazu gehört zum Beispiel der Kompetenzansatz, der Partizipation und damit gesellschaftliche Teilhabe in den Vordergrund stellt. Deutlich wird das beispielsweise am Erfolg von Multiplikator*innentrainings, bei denen Geflüchtete lernen, wie sie verschiedene Zielgruppen zu einem nachhaltigeren Lebensstil motivieren. Die ANU vernetzt die Akteure, stellt unterschiedlichste Projekte vor, regt zu neuen Fragestellungen für gelingende Bildungsarbeit an und ermutigt zum Engagement. Als Plattform dafür wirkt die Website www.umweltbildung-mit-fluechtlingen.de, die neben guten Beispielen auch nützliche Publikationen, Links und Termine bereithält.

Methodische Vielfalt und Partizipation

Durch die Begegnungen zwischen Einheimischen und neu ankommenden Menschen sammeln beide Seiten interkulturelle Erfahrungen. Welche Rolle spielen Autoritätspersonen oder Dienstabzeichen (zum Beispiel von Polizisten, Förstern etc.) hier und in den Herkunftsländern? Wann gilt ein Verhalten als Gastfreundschaft? Wo gibt es gefährliche Tiere und Pflanzen?

Das Bedürfnis nach Austausch und Fortbildung in Bezug auf kulturspezifische Hintergründe der Ankommenden wächst. Darum verstärkt die Umweltbildung Kooperationen vor allem mit Wohlfahrtsverbänden und Partnern der Jugend-, Sozial- und Kulturarbeit. Dabei lernen beide Seiten voneinander.

Wem in der neuen Heimat zunächst alles fremd erscheint, der hat ganz eigene Bedürfnisse an Bildungsarbeit. Diese ist deshalb momentan stark am Ankommen der Geflüchteten orientiert und vermittelt erste Sprachkenntnisse, ein sinnliches Erleben der neuen Umgebung beispielsweise durch Waldausflüge und neue Kontakte zu Einheimischen oder beim gemeinschaftlichen Gärtnern und Kochen. Weil oft die gemeinsame Sprache fehlt, bewährt sich die Ausbildung von MultiplikatorInnen zu Themen wie Energiesparen oder Ressourcenschonung, die im Sinne des Partizipationsansatzes das Programm mitbestimmen und das Erlernte an ihre MitbewohnerInnen weitergeben. All diese neuen Rahmenbedingungen sorgen in der Umweltbildung für eine verstärkte Flexibilität und Reflexion der eigenen Arbeit. Austausch auf Augenhöhe und Partizipation der Geflüchteten sind ein wesentlicher Baustein der Integration. Dazu kann Bildung für nachhaltige Entwicklung beitragen und befähigen. Sogar beim Philosophieren und beim Thematisieren von Werten braucht man nicht vor Kultur- oder Sprachbarrieren zurückschrecken, denn es lässt sich dabei sehr gut mit Bildern arbeiten. Das zeigte einer der Workshops beim Werkstatt-Treffen der ANU Bayern, dessen zentrale Erkenntnis lautet: Philosophieren bedeutet: Was denkst du darüber? Lass uns darüber austauschen.

www.umweltbildung-mit-fluechtlingen.de

www.umweltbildung-bayern.de

www.hildegard-kurt.de