Welt im Wandel. WBGU-Gutachten: Transformation nur mit Bildung und Forschung

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) veröffentlichte passend zur Rio+20-Konferenz sein Hauptgutachten 2011 mit dem Titel „Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“. Wie soll die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit vor sich gehen und welche Rolle spielt die Bildung dabei?
Der WBGU hält fest, dass die Weichenstellungen für die Veränderungsprozesse im Laufe dieses Jahrzehnts gelingen müssen, damit bis 2050 der Klimawandel noch auf ein Minimum reduziert werden kann. Insgesamt sei ein neuer Weltgesellschaftsvertrag nötig, mit einer Kultur der Achtsamkeit, der Teilhabe und der Verpflichtung. Zentrales Element sei ein „gestaltender Staat“, der auf globaler Ebene von einem UN-Rat für nachhaltige Entwicklung begleitet werden soll.
Die drei wichtigsten Transformationsfelder sind der Umbau des Energiesystems, die Gestaltung der urbanen Räume sowie eine klimaverträgliche Landnutzung.
Veränderungen sind häufig das Ergebnis aktiver Weichenstellungen. Eine Transformation der Gesellschaft in Richtung Klimaschutz ist wissensbasiert und braucht eine gemeinsame Vision sowie aktive „Pioniere des Wandels“, die neue Leitbilder vorantreiben. Sie erfordert aber auch den gestaltenden Staat, der den Rahmen vorgibt und Pioniere ebenso fördert wie den Aufbau globaler Politikstrukturen.

Der WBGU zeigt in seinem Gutachten Wege zu einer gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeit auf und nennt zehn konkrete Maßnahmenbündel zur Beschleunigung des Umbaus. Beispiele sind die Verabschiedung von Klimaschutzgesetzen, die CO2-Bepreisung von Waren und Gütern, der Abbau von klimaschädlichen Subventionen und die klimafreundliche Gestaltung von Städten. Damit diese groß angelegte Transformation gelingen kann, soll ein neuer globaler Gesellschaftsvertrag zwischen Regierungen und Bürgern geschlossen werden.

Bei der Transformation spielen Bildung und Forschung eine zentrale Rolle. Der WBGU spricht von der Notwendigkeit einer „Transformationsbildung“, bei der sogenannte Pioniere des Wandels und Bildungseinrichtungen verstärkt nachhaltigkeitsorientiertes Wissen vermitteln und die Menschen befähigen, lebenslang zu lernen und systemisch zu denken. Andererseits sei auch eine „transformative Bildung“ nötig, die die Grenzen zwischen den Disziplinen aufbricht und ein Verständnis für globale Zusammenhänge ermöglicht.

Visionen für die Bildung
In seinen Empfehlungen räumt der WBGU Forschung und Bildung eine zentrale Rolle ein. Das Thema Transformation muss eine größere Bedeutung in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bekommen. Es soll auch in alle formalen Bildungssektoren integriert werden, insbesondere in die schulische und universitäre Ausbildung, in die Berufsbildung und das lebenslange Lernen am Arbeitsplatz. Weiterhin empfiehlt der WBGU der Unesco die Entwicklung institutioneller Mechanismen, damit eine Bildung für die nachhaltige Entwicklung auch nach Ende der Dekade BNE gewährleistet ist.

Der WBGU empfiehlt auch die Einrichtung einer Bundesuniversität mit Schwerpunkt auf Forschung und Bildung für die Transformation zur Nachhaltigkeit, ein entsprechendes großes Forschungsprogramm sowie die Entwicklung neuer Studiengänge: Hochschulen könnten um „Low-carbon Business Schools“ erweitert, interdisziplinäre Fakultäten für klimaverträgliche Landnutzung oder Transformationsmanagement neu geschaffen werden. Lebenslanges Lernen am Arbeitsplatz kann in Richtung Weiterbildung und universitäre Zusatzqualifikation ausgebaut werden.

Im außerschulischen Bereich sollen untereinander vernetzte Bildungsstationen mit den Schwerpunkten Umwelt- und Klimaschutz, Biodiversität, Elektromobilität und alternative Landwirtschaft die Einbindung gesellschaftlicher Akteure gewährleisten.
Zwar hält sich das Gutachten mit konkreten Vorschlägen für außerschulische Bildungsanbieter zurück. Zugleich bietet es aber eine Reihe von Anknüpfungspunkten und Argumentationshilfen, darunter die Einführung eines freiwilligen Gesellschaftsjahres „Bildung und Wissenschaft“, die stärkere Einbindung gesellschaftlicher Akteure durch partizipative Formate und miteinander vernetzte Biodiversitäts-, Umwelt- und Klimastationen. Der WBGU fordert ein großes Bildungs- und Forschungsprogramm „Partizipation an der Wissenschaft für die Transformation“. Viele der Vorschläge klingen vielleicht zunächst etwas sperrig, ließen sich aber zu guten und konkreten Projekten weiterentwickeln.

[Lisa Hübner, Jürgen Forkel-Schubert]

WBGU: Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. Zusammenfassung für Entscheidungsträger. 29 S., kostenlos. Bezug und Download: www.wbgu.de