DFG - Projekt "Naturerfahrung und umweltgerechtes Handeln"

Der unmittelbaren Naturerfahrung wird in der Biologiedidaktik ein hoher Stellenwert beigemessen. Das Naturerleben und die Begegnung mit der Natur gelten als zentrale Ausgangspunkte für den Lernprozeß, als Basis für Naturerklärung, Naturverständnis, Umweltbewußtsein sowie umweltgerechtes Verhalten. Allerdings mangelte es bisher an differenzierten und empirischen Belegen für den umwelterzieherischen Effekt von Naturerfahrung. Das Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) führte deshalb das DFG-Projekt "Einfluß von Naturerfahrungen auf Umweltwissen und Umwelthandeln im Kindes- und Jugendalter" mit 1243 Kindern aus Baden-Württemberg, Bayern, NRW, Hamburg und Schleswig-Holstein durch. Die Daten für diese Querschnittsstudie wurden mittels Fragebogen von November 1996 bis Januar 1997 erhoben. Natur wird ganz allgemein auf verschiedene Weisen erfahren ("Integriertes Handlungsmodell"): ästhetisch (sinnliches Erleben des "Naturschönen"), erkundend (Erforschung biologischer Systeme), instrumentell (Versorgen und Verwerten von Tieren und Pflanzen), ökologisch (Schützen von Arten und Biotopen) und sozial (Pflegen einer besonderen Beziehung zu einem Tier). Durch eine spezielle Methode (sog. "Mixed-Rasch-Modell") lassen sich aus dem Personenkreis vier Naturerfahrungstypen charakterisieren:
1) Der soziale Typ (33%) besitzt einen ausgesprochen starken Bezug zu einem Tier und hat sonst kaum Naturerfahrungen aufzuweisen.
2) Der ökologische Typ (22%) verfügt über die größten Erfahrungen im Arten- und Biotopschutz und hohe erkundende sowie bemerkenswerte instrumentelle und soziale Naturerfahrungen.
3) Der ästhetische Typ (27%) erlebt das Naturschöne intensiv, für alles andere interessiert er sich dagegen kaum.
4) Der instrumentelle Typ (18%) ist gut im praktischen Umgang mit Tieren und Pflanzen aber auch in allen anderen Arten der Naturerfahrung, weist aber Defizite im sozialen Bereich auf.
Die IPN-Studie verglich nun annähernd gleich viele Jungen und Mädchen zwischen 10 und 18 Jahren aus Umweltgruppen (z.B. NABU, BUND usw.) mit nicht organisierten SchülerInnen. Deutlich mehr Mitglieder aus den naturbezogenen Gruppen gehören zum "ökologischen" Typ, bei den SchülerInnen dominierte der "soziale" und "ästhetische" Typ. In beiden Gruppen gab es ungefähr gleich viele "instrumentelle" Typen. Mädchen sind zumeist "ästhetisch", Jungen mehr "ökologisch" und "instrumentell" orientiert. Welcher Typ handelt nun besonders umweltbewußt? Hier müssen einzelne Variablen untersucht werden, z.B. die interne Verantwortungszuschreibung (jeder einzelne ist (mit)verantwortlich, weitere Umweltbelastungen zu begrenzen) und die externe Verantwortungszuschreibung (umweltgerechtes Verhalten ist Sache von Industrie oder Staat), die direkte Intention (eigene Handlungsbereitschaft) und indirekte Intention (andere Personen werden angeregt, umweltbewußt zu handeln, z.B. die Eltern). Die vier Typen unterscheiden sich nach Motivation und Intention für umweltgerechtes Handeln: der "ökologische" Typ besitzt überall die höchsten Werte außer bei der Verantwortungszuschreibung. Hier hat der "instrumentelle" Typ die Nase vorn. Den "ästhetischen" Typ kennzeichnen mittlere Werte, den "sozialen" Typ die niedrigste Motivation für umweltgerechtes Handeln. Die Unterschiede sind für alle Typen hoch signifikant. Die dargestellten Ergebnisse sollen in Detailanalysen weiter spezifiziert werden (z.B. Geschlechtsspezifität der Typen, Bereichsspezifität von Motivation und Handlungsintentionen, ökologischem Wissen der vorgestellten Typen usw.). Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse sollen durch didaktisch-methodische Überlegungen und Empfehlungen nutzbar gemacht werden.

Auszüge aus: Susanne Bögeholz, Dr. Jürgen Meyer, "IPN Blätter" vom Oktober 1997 Bezug: IPN Olshausenstr. 62 24098 Kiel Tel: 0431/8803123