Gelebte Inklusion

Inklusive Umweltbildung an der Ökologischen Bildungsstätte Burg Hohenberg e.V. (ÖBI) gibt es schon seit Langem. Bereits zehn Jahre vor Inkrafttreten der UN-Behindertenkonvention startete Thomas Kappauf (heute an der LBV-Umweltstation Lindenhof in Bayreuth) 1998 das erste Umweltbildungsprojekt mit der damaligen Lebenshilfeschule Marktredwitz. 

Sicher stellt sich der eine oder die andere die Frage, warum sich eine Umweltstation wie die ÖBI Hohenberg der Umweltbildung mit Menschen mit geistiger Behinderung widmet und diese sogar zu einem ihrer Schwerpunkte macht? Diese Frage ist ganz einfach zu beantworten! Fachlich gesehen ergänzen sich Naturpädagogik und Sonderpädagogik ideal. Was liegt also näher, als diese beiden pädagogischen Richtungen im Rahmen von Umweltbildungsveranstaltungen zu kombinieren?

Natur erleben mit allen Sinnen ist ein beliebtes Element in der Umweltbildung. Es eignet sich hervorragend, um Menschen mit Handicap die Natur zu vermitteln. Riechen wie beim Klassiker Kräuter, fühlen, hören und natürlich auch schmecken gehören unbedingt in die Konzeption naturpädagogischer Veranstaltungen für Menschen mit Handicap. So werden alle Teilnehmenden erreicht. Zum ganzheitlichen Aufbau solcher Veranstaltungen haben sich auch Lieder, Geschichten, Kreatives Gestalten und Experimente bewährt.

Aber von größerer Bedeutung sind die Erfahrungen, die man mit diesen besonderen Menschen machen kann. Die Arbeit mit diesen liebenswerten Menschen ist ein ganz besonderes Geschenk. Jede UmweltbildnerIn sollte sich dieser Zielgruppe widmen, um dies selber erleben zu dürfen.

So wurde im Jahre 2003 ganz nach dem Leitsatz der ÖBI „Umweltbildung für alle“ die „Umweltbildung für Menschen mit Handicap“ durch Susanne Bosch wieder mit ins Programm der ÖBI aufgenommen. Seitdem ist sie ein fester Bestandteil. Umweltbildung und Sonderpädagogik sind sich ähnlich und ergänzen sich prima. Seit Jahren sind Naturerlebnistage mit geistig behinderten Menschen einer der Schwerpunkte der Umweltstation. So wurden in der Vergangenheit regelmäßig Naturerlebnisse mit den Kindern der SVE, Projektwochen mit SchülerInnen der Grund-, Haupt- und Berufsschulstufe, Ferienwochen mit der offenen Behindertenarbeit und Naturerlebnisnachmittage mit BewohnerInnen des Wohnheims durchgeführt. Von Anfang an wurden diese naturpädagogischen Veranstaltungen auch teilweise inklusiv, also zusammen mit nicht behinderten Menschen durchgeführt. Unsere Erfahrungen zeigen, dass naturpädagogische Veranstaltungen sich positiv auf das Verhalten und die Entwicklung auswirken.

Das Projekt „Umweltassistenten“

Die Idee für die „Umweltassistenten“ kam 2009 bei einer inklusiven Fachtagung in Bremervörde. Umweltbildung für alle ist das Motto der ÖBI. Und so liegt es nahe, auch Umweltbildung für Menschen mit geistiger Behinderung anzubieten. Um die gemeinsame Arbeit nachhaltig und praxisnah zu gestalten, wurde 2014 das Projekt „Umweltassistenten“ ins Leben gerufen. Menschen mit geistiger Behinderung sollen nicht nur an naturpädagogischen Veranstaltungen der Umweltstation teilnehmen, sie sollen selbst diese Projekttage gestalten. In den Jahren zuvor wurde dieser Ansatz bereits in einem Probedurchlauf im Rahmen von zwei Projekten am Förderzentrum, Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in Marktredwitz begonnen. Umweltmentoren der Haupt- und Berufsschulstufe wurden ausgebildet, um anschließend Grundschülern mit und ohne Handicap die bearbeiteten Themen (Bsp. vier Elemente) erlebbar zu machen.

Und so wurde die Idee mit der Gartengruppe der Werkstätte für behinderte Menschen (WfbM) in die Tat umgesetzt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhielten eine Schulung in Rhetorik und der Gestaltung eines Flyers. Sie entwarfen ein Logo für einen Anhänger, den die Kinder zur Erinnerung als Geschenk bekommen. Das Logo wurde in der WfbM gefertigt. „Wasser“, „Wald“, „Wiese“ und „Heilkräuter“ waren die Themen. In einem ersten Schritt führten wir zu den einzelnen Themen mit den angehenden Umweltassistenten als Teilnehmern Aktionstage durch. Es wurde dabei Wissen rund um die Natur (Wassertiere, Bäume, Heilkräuter, Wiesenpflanzen) vermittelt sowie naturpädagogische Methoden (Sinnesübungen, Spiele, Geschichten und Ähnliches) vorgestellt. In einem weiteren Schritt wurde das Wissen vertieft und gefestigt. Danach stellten wir gemeinsam das Konzept für einen Projekttag mit Kindern zusammen und übten die Durchführung. Jeweils zur Generalprobe wurden Kollegen und Kolleginnen aus der Werkstatt und aus dem Wohnheim eingeladen. Und dann folgte der spannendste Moment der Ausbildung: die Durchführung der Veranstaltungen zu den Themen Wald, Wasser, Wiese und Heilkräuter mit den Grundschulkindern. Jeder Umweltassistent hatte seine Aufgabe, seinen Fähigkeiten entsprechend. Diese reichen vom Austeilen von Forscherausrüstungen, dem Erklären von Spielen bis hin zur Vorstellung der einzelnen Heilkräuter und Waldbäume. 

Das Feedback der LehrerInnen und SchülerInnen der teilnehmenden Grundschulen war durchaus positiv. Und die Werkstattleitung war begeistert von der Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum Abschluss der Ausbildung erhielten die frischgebackenen Umweltassistenten ein Diplom, auf das sie recht stolz waren.

Das Projekt wird stetig weiterentwickelt. So gestalten seit 2016 zwei Umweltassistentinnen auch naturpädagogische Projekttage an Altenheimen zu unterschiedlichen Naturthemen, beispielsweise über Schmetterlinge, Vögel, Tiere des Waldes, Kräuter und Bäume. Auch hier sind die Umweltassistentinnen die Hauptagierenden. Vonseiten der Pflegedienstleitungen der Altenheime kommen immer wieder ein großes Lob und der Hinweis auf die gute und positive Entwicklung der Persönlichkeiten der Umweltassistentinnen.

Natürlich ist das derzeit neunköpfige Team auch 2019 mit diesem einmaligen Inklusionsprojekt wieder an Grundschulen und in Altenheimen unterwegs! Ganz besonders freut es uns, dass unser Projekt „Umweltassistenten“ als offizielles Projekt der UN-Dekade im Sonderwettbewerb „Soziale Natur – Natur für alle“ ausgezeichnet wurde!

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