Gegen den Plastikwahn

Im Projekt „leitungswasserfreundliche Schule“ von a tip: tap e.V. werden junge Menschen für den Konsum von Leitungswasser begeistert und engagieren sich für ressourcenschonenden Konsum. Dabei entstehen nicht nur knackige Werbeslogans...

„Seid krasser, trinkt Leitungswasser!“ Ein Werbeslogan, der dem Werbewahnsinn für Flaschenwasser etwas entgegensetzen will. Entwickelt wurde er von SchülerInnen einer 9. Klasse im Rahmen eines Kreativworkshops im Projekt „Leitungswasserfreundliche Schule“.

Der Verkauf von Flaschenwasser in Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten stark und kontinuierlich angestiegen. Ein wichtiger Grund dafür liegt in der intensiven Bewerbung von Flaschenwasser seitens der Flaschenwasserindustrie. Mit teuren und aufwendig produzierten Werbeclips und Werbeplakaten wird mittels Attributen wie „Reinheit, Frische oder Natürlichkeit“ die Qualität des Flaschenwassers betont und beworben. Die Wirkung auf den Konsumenten wird mit „Gesundheit, Vitalität und Jugend“ beschrieben.

Zusammen schaut sich die Klasse Werbeclips und Printwerbung zu Flaschenwasser an. Anschließend werden die Werbebotschaften und die verwendeten sprachlichen und bildlichen Mittel gemeinsam diskutiert. Danach bekommen die SchülerInnen Bastelmaterialien. Sie sollen sich in kleinen Gruppen zusammenfinden. Aufgabe ist es nun, selber Werbeplakate oder einen Werbefilm zum Thema Leitungswasser zu erstellen, vorhandene Flaschenwasserwerbung ironisch zu verändern oder zu entstellen. Das führt dann zu Ergebnissen wie „Schützt Umwelt und Meere – Leitungswasser trinken ist eine Ehre!“.

Ein weiteres Bildungsmodul beschäftigt sich mit den immensen Transportwegen von Flaschenwasser. Neben dem Verbrauch von Erdöl und dem hohen Energieaufwand zur Herstellung der Flaschen sind es vor allem die oft langen Transportwege vom Abfüllort bis zum Verkaufsort, welche den größten Einfluss auf die schlechte Ökobilanz von Flaschenwasser haben. Durch den Transport entstehen klimaschädliche CO2-Emissionen – je weiter eine Flasche transportiert wird, desto höher fällt ihr Klimafußabdruck aus.

Zur Verdeutlichung werden an der Tafel eine Europa- und eine Deutschlandkarte aufgehängt. Die SchülerInnen bekommen Etiketten von Flaschenwassermarken ausgehändigt. Die Aufgabe ist nun, die Angabe des Quellortes im Etikett zu identifizieren und diesen Ort auf der Landkarte zu finden. Hierbei ist eine Recherche mit Hilfsmitteln (zum Beispiel Smartphone) erlaubt. Die Etiketten werden auf der Landkarte bei den jeweiligen Quellorten angepinnt. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert. Macht es wirklich Sinn, Wasser aus den Alpen, aus der Türkei oder gar von den Fidschi-Inseln nach Berlin zu transportieren, wo wir doch ein ausgezeichnetes Wasser vor Ort aus dem Hahn bekommen?

Gewinnbringend für die SchülerInnen war auch immer der Geschmackstest. Zahlreiche Gespräche von a tip: tap e.V. mit KonsumentInnen an Infoständen und bei Workshops haben gezeigt, dass viele Menschen Flaschenwasser aus geschmacklichen Gründen bevorzugen. Bei durchgeführten „Blindwassertests“ mit je einer Geschmacksprobe Leitungswasser und einer Geschmacksprobe Flaschenwasser schmeckte den Befragten jedoch in circa 70 Prozent der Fälle das Leitungswasser besser beziehungsweise wurde kein Unterschied zwischen den Wassern festgestellt. Die Frage nach dem Lieblingswasser und die anschließende Blindwassertestprobe ist eine spannende und effektive Methode, um mit Menschen zum Thema Leitungswasser in den Dialog zu treten. Das konnten die SchülerInnen auch in den Schul-Workshops testen und führten den Test anschließend auf eigenen Wunsch auf dem Schulfest selbst mit Eltern und anderen BesucherInnen durch.

Zusätzlich wird im Geschmacksmodul auch immer die Möglichkeit zur Anreicherung von Leitungswasser mit frischen Kräutern oder Zitrusfrüchten beschrieben und getestet. So werden die eigenen Geschmacksvorlieben hinterfragt und geschmackliche Vorbehalte gegenüber Leitungswasser abgebaut. Eingebettet ist dieser Test in das Thema Gesundheit. Gesundes Trinkverhalten – ausreichend und ohne Zucker – ist besonders für junge Menschen im Schulalltag wichtig.

Im Rahmen des Projekts hat a tip: tap sieben informative Plakate zum Thema Leitungswasser erarbeitet. Diese ergänzen die Workshops und sind in den Partnerschulen dauerhaft ausgestellt. Ziel ist es, die Schülerschaft, die nicht am Workshop teilnehmen konnte, und LehrerInnen sowie Gäste der Schule zum Thema Leitungswasser zu informieren: Wie funktioniert der (Leitungs-)Wasserkreislauf? Welche Mineralien sind in unserem Trinkwasser? Warum ist Wassertrinken so wichtig? Wie viel kostet ein Liter Trinkwasser? Die Poster können als Druckdateien beim Verein kostenlos bestellt werden.

Im Pilotprojekt erreichte a tip: tap mit seinen Workshopangeboten circa 300 SchülerInnen der Klassenstufen 7 bis 11. Die Workshops wurden individuell auf die Klassenstufen abgestimmt, inhaltliche Schwerpunkte wurden zusammen mit den LehrerInnen gesetzt. Ziel der Workshops war es, die SchülerInnen dazu zu befähigen, ihr Leitungswasser mit Flaschenwasser vergleichen zu können. Zentrale Aspekte sind dabei Herkunft, Gewinnung und Qualität des Trinkwassers, Umweltbilanz, Preis, Müllbilanz und Gesundheit. Anhand der vielfältigen Aspekte von Leitungswasser und Flaschenwasser werden die SchülerInnen für die ökologischen Vorteile von Leitungswasser und die Plastikmüllproblematik sensibilisiert. Sie werden dazu angeregt, über ihr eigenes Konsumverhalten und dessen ökologische Auswirkungen nachzudenken. Zudem werden das Bewusstsein und Wertschätzung gegenüber der Ressource Trinkwasser gefördert.

Das Projekt wurde bereits kurz nach dem Start im Jahr 2017 mit dem Ehrenpreis als exzellenter Partner für Umweltschulen in Europa ausgezeichnet.

Kontakt: Samuel Höller
samuelatiptaporg
www.atiptap.org