Lernprozesse schlagen Wurzeln

Vor 300 Jahren hat Berghauptmann von Carlowitz das Prinzip Nachhaltigkeit für die Nutzung sächsischer Wälder erstmals formuliert. Heute ist Nachhaltigkeit topaktuell und eine international anerkannte Zielsetzung, die weit über den Wald hinausgeht. Wald ist außerschulischer Lernort einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), der vielfältige Angebote ermöglicht. Dabei erwerben Teilnehmende nachweislich wichtige BNE-Kompetenzen.

Für die Bildung für nachhaltige Entwicklung spielt der Wald als thematisches Handlungsfeld eine bedeutsame und exemplarische Rolle. Wissenschaftlich Forschenden wie Stoltenberg 2009(1), Kohler & Lude 2010(2) sowie Kohler, Bittner & Bögeholz 2005(3) zufolge lassen sich am Beispiel Wald die Dimensionen der Nachhaltigkeit ideal in Bildungsveranstaltungen umsetzen. Der Rat für nachhaltige Entwicklung empfiehlt (2004)(4) sogar, Waldwirtschaft als Modell für nachhaltige Entwicklung zu einem Schwerpunkt für die nationale Nachhaltigkeitsstrategie zu verwenden. Ute Stoltenberg (2009) sieht im Wald einen Lernort, „an dem man nicht nur alles Mögliche über die Natur lernt, sondern darüber hinaus auch soziale Kompetenz und selbstständiges und verantwortungsvolles, vorausschauendes Handeln praktizieren muss“. 

Das Prinzip Nachhaltigkeit – anschaulich und lebensnah selbst erleben

Moderne Waldpädagogik knüpft an die Lebenswirklichkeit der Teilnehmenden an und fördert deren Eigeninitiative sowie zukunftsrelevante Kompetenzen. Im Bildungsraum Wald bietet sie Gelegenheit,eigene Lösungsansätze zu entwickeln und Selbstwirksamkeit zu stärken. Der waldpädagogische Leitfaden „Forstliche Bildungsarbeit“(5) enthält dazu eine Vielzahl von BNE Aktionsvorschlägen für verschiedenste Zielgruppen. Der Leser findet Hintergrundinformationen zur BNE sowie zahlreiche konkrete, erprobte Aktionsvorschläge mit Hinweisen zu den jeweils fokussierten BNE-Kompetenzen. Die Aktivitäten basieren auf den Ergebnissen eines Forschungsvorhabens(6) mit einem interdisziplinären Team von WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen aus ganz Deutschland. Die neueste Auflage wurde um Vorschläge von Studierenden und PraktikerInnen ergänzt. Ein Beispiel ist das Planspiel „Mein Wald“: Kleingruppen erhalten je eine konkrete Waldfläche zugeteilt, für die siedie Verantwortung übernehmen sollen. Sie entscheiden, was in den nächsten zehn Jahren mit „ihrem“ Wald geschehen soll. Die Planungen reichen von „alles abholzen, das bringt Kohle“ bis „den Wald unangetastet lassen“. Es gilt, die Konsequenzen der Gruppenentscheidungen zu reflektieren. Die Teilnehmenden überlegen, welche Auswirkungen ihre Planung auf das Ökosystem Wald, die Erhaltung der Biodiversität und sie selbst (als „Waldbesitzende“), die Nachbarn und die Gesellschaft hat. Sie erkennen, welche ökologischen, ökonomischen und sozialen Konsequenzen ihre Entscheidungen jetzt und in Zukunft, lokal wie global nach sich ziehen. Es gibt nicht die fertige Lösung – Partizipation der künftigen Entscheidungsträger ist gefragt. Probleme sollen erkannt und nachhaltige Strategien entwickelt werden.

Förderung von BNE-Kompetenzen wissenschaftlich nachweisbar

Speziell für GrundschülerInnen – die Hauptzielgruppe vieler WaldpädagogInnen – entwickelten Tandems aus Lehrkräften und Forstleuten innovative Waldprojekte(7), deren Wirksamkeit wissenschaftlich evaluiert wurde. Es konnte belegt werden, dass die teilnehmenden SchülerInnen im Hinblick auf ausgewählte BNE-Kompetenzen gefördert worden sind. So zeigte sich, dass die Teilnehmenden nach dem Waldprojekt mehr ökonomische, ökologische und soziale Aspekte zum Wald zu nennen wissen. Sie schätzen ihre Selbstwirksamkeit, etwas zum Schutz des Waldes beitragen zu können, sowohl direkt nach der Teilnahme, als auch drei Monate später signifikant höher ein und können signifikant mehr Alltagsgegenstände mit dem Wald verknüpfen. Insbesondere erkannten die SchülerInnen die Verknüpfung von Mensch und Wald.

Ein Licht entzünden, das alleine weiterbrennt

Besonders hervorzuheben ist, dass die Bildungsmaßnahmen auch nach Abschluss der Lerneinheit weiterwirken. So verknüpfen drei Monate nach Abschluss der Lerneinheit zwei Drittel der SchülerInnen (67 Prozent) Alltagsgegenstände mit dem Wald, während es vor der Maßnahme nur jeder Siebte (14 Prozent) und unmittelbar danach nur jeder Dritte (36 Prozent) gewesen  war. Dies steht im Einklang damit, dass die Erlebnisse aus Unterricht und Wald zum Thema in der Familie geworden sind: 89 Prozent erzählten ihren Eltern vom Waldtag, 94 Prozent der Eltern fanden Unterricht und Waldbesuch zum Thema Wald sinnvoll. Damit wurden zwei wesentliche Zielsetzungen einer BNE erreicht: Alltagsbezug und ein eigenständiges Weiterwirken der Impulse. Es konnte ein selbstständiger Lernprozess angeregt werden, der über die Lerneinheit hinaus Wirkung zeigt – ein wesentlicher Grundstein nachhaltiger Bildung.

Anmerkungen
XX(1) Stoltenberg, U. (2009): Mensch und Wald. Theorie und Praxis einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung am Beispiel des Themenfeldes Wald. oekom verlag, München
XX(2) Kohler, B. & Lude, A. (2010): Nachhaltigkeit erleben – Zug um Zug zu einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. In B. Kohler & A. Lude (Hrsg.), Nachhaltigkeit erleben. Praxisentwürfe für die Bildungsarbeit in Wald und Schule, S. 9-16. München: oekom.
XX(3) Kohler, B., Bittner, A. & Bögeholz, S. (2005): Von der waldbezogenen Umweltbildung zu einer waldbezogenen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung – neue Wege für die Waldpädagogik. Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, S. 52-58.
XX(4) Rat für nachhaltige Entwicklung (2004). Waldwirtschaft als Modell für nachhaltige Entwicklung: ein neuer Schwerpunkt für die neue Nachhaltigkeitsstrategie. Berlin.
XX(5) Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (2017): Forstliche Bildungsarbeit – waldpädagogischer Leitfaden. 8. Auflage. München
XX(6) Dobler, G. & Vogl, R. (2008): Theorie trifft Praxis: Waldpädagogik und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) – FORST UND HOLZ 12, S. 10 - 17.
XX(7) Vogl, R., Mandl., H., Meixner. M.; Klatt, S. (2015): Innovative Waldprojekte. Oekom Verlag, München.

Robert Vogl ist Professor für Kommunikation und Bildungsarbeit an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Sein Forschungsschwerpunkt
ist die Entwicklung und Evaluierung von Bildungsmaterialien und -konzepten. Zudem lehrt er Waldpädagogik sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung
an der TU München sowie der Ludwig-Maximilians-Universität.

Kontakt:
E-Mail: robert.voglhswtde,
www.hswt.de