Vom kritischen Konsum zur politischen Einmischung: Soll die BNE kämpferischer werden?

Viele gesellschaftliche Veränderungen lassen sich nur politisch bewirken. Wie kann die Bildung für nachhaltige Entwicklung dazu anregen, sich kritisch mit gesellschaftspolitischen Fragen auseinanderzusetzen und aktiv zu werden? Im März stellte Franziska Buch vom Umweltinstitut München beim Netzwerktreffen Umweltbildung von Ökoprojekt Mobilspiel e.V. in München vor, welche Bedeutung politische Teilhabe hat, in welchen Formen sie stattfinden kann und was sie bewirkt.

„Die Bildungsarbeit kann noch kämpferischer werden“, so Franziska Buch, Referentin für Energie und Klima des Umweltinstituts München beim Netzwerktreffen Umweltbildung im Frühjahr im Ökologische Bildungszentrum (ÖBZ). In der Bildung für nachhaltige Entwicklung stecke noch unausgeschöpftes Potenzial, sich mit politischem Engagement zu verbinden. Ihre Thesen sorgten für rege Diskussion unter den Teilnehmenden: Kolleginnen und Kollegen aus Bildungseinrichtungen, Verbänden, Institutionen, Initiativen und Verwaltung, sowie selbstständig Tätige mit den Schwerpunkten Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit.

Doch warum ist eine politische Einmischung überhaupt notwendig? Dringende gesellschaftliche Aufgaben – zum einen katastrophale Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern und zum anderen globale soziale Gerechtigkeit zu erreichen – machen laut Buch ein sofortiges Handeln notwendig. „Wir selbst sind für die Welt verantwortlich“, zitiert sie Sartre. Gegen die „Lobbykratie“, die Macht des Geldes, die Einflussnahme der Wirtschaft auf die Politik helfe es jedoch nicht, nur den eigenen Konsum zu verändern. Es müsse Druck aus der Bevölkerung auf die Politik geben, um ein Gegengewicht zum Industrielobbyismus zu schaffen. Denn schnelle umweltpolitische Veränderungen kann nur die Politik durch entsprechende Gesetze herbeiführen.

Wie funktioniert politisches Engagement?

Organisationen, die sich politisch einmischen, sind Parteien, gemeinnützige Vereine und Verbände, Jugendorganisationen, Bürgerinitiativen sowie soziale Bewegungen. Diese üben ihr politisches Engagement zum Beispiel durch Aufklärungsarbeit und Debattenbeiträge aus, durch Gespräche mit oder Druck auf die Politik, durch Demos und Protestaktionen. Eine neue Form des Aktivismus ist der sogenannte „Clicktivism“. Durch einen Klick im Internet können Menschen ihre Unterschrift unter politische Forderungen setzen. Dadurch kann an mancher Stelle öffentlicher Druck aufgebaut werden. Die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP, die das Umweltinstitut München mit organisiert hat, so berichtet Buch, habe online rund drei Millionen Unterschriften gesammelt. „Eine solche Zahl können PolitikerInnen nicht ignorieren.“

Eine weitere Form der Einmischung ist der zivile Ungehorsam. Hier findet eine bewusste Regelübertretung statt, die Aktiven machen sich strafbar. „Aktionen zivilen Ungehorsams sind nicht legal, aber legitim, da sie sich gegen ein Unrecht wenden, das von der Politik ignoriert wird“, so Buch. In Deutschland ist aktuell die Kampagne „Ende Gelände“ für Aktionen zivilen Ungehorsams gegen Kohleabbau und -verstromung bekannt, bei denen beispielsweise Gleise für den Kohletransport besetzt oder Bagger blockiert werden. Begleitend zu den Aktionen findet im Rheinland jährlich ein Klimacamp mit der Degrowth-Sommerschule statt, bei der es um Vernetzung, Bildung und gemeinsame Aktionen geht. Hier werden aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen untersucht, gemeinsam Utopien entwickelt und ganz praktische Fähigkeiten erlernt, die helfen, eine sozialökologische Transformation mitzugestalten: Wie gründe ich mit anderen Menschen eine Kooperative? Wie bauen wir ein Windrad? Was ist nachhaltiger Aktivismus? Die Aktivisten können sich hier kennenlernen, austauschen und thematisch informieren – ein Beispiel dafür, wie Bildungsarbeit und politisches Engagement verzahnt werden können.

Aktive Empörung oder Dialog?

Politisches Engagement, so die Ansicht der Referentin, kann somit auch die Gestaltungskompetenz im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung fördern, wie gemeinschaftliches Handeln oder Empowerment, also die Selbstermächtigung, Gestaltungsspielräume wahrzunehmen. „Unbequeme Positionen beziehen, die nicht jeder hören will und konfrontative Formen kann man nicht aussparen.“ Umweltbildung würde sich laut Buch sehr stark auf die Felder der Naturerfahrung und der Lebensstile mit individuellen Konsumentscheidungen konzentrieren. „Kritischer Konsum ist wichtig, reicht aber nicht aus“, so ihre Ansicht. „Daher mein Plädoyer, dass es gesellschaftlichen Widerstand gegen umweltzerstörerische Wirtschaftsweisen braucht, nicht nur kritischen Konsum.“ Politisches Engagement solle daher als ein Schwerpunkt der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) hinzukommen.

Wie jedoch die BNE politisches Engagement fördern kann, das stellte Buch zur Diskussion ins Plenum. Hier kamen zu den von ihr genannten Thesen einige kritische Anmerkungen. Darunter, dass Projekte der BNE sehr wohl systemverändernd seien, da sie Alternativen aufzeigten. Außerdem sei die politische Bildung bereits ein Kernpunkt der einstigen Umweltbildung und heutigen BNE. Daraus könnte ein politisches Engagement generiert werden. Eine weitere Stimme aus dem Plenum wies darauf hin, dass die sogenannten Change Agents, also AkteurInnen, die den Wandel vorantreiben, sich durchaus, beispielsweise im Rahmen des Weltaktionsprogramms BNE, auf politischer Ebene bewegten. Eine weitere Stimme betonte die Abhängigkeit der Bildungsanbieter von Geldgebern aus der Politik. Da sei Konfrontation nicht Aufgabe der Bildung, sondern es gehe eher darum, auf einer Kompromissebene im Dialog Herausforderungen anzugehen. Außerdem sei es nicht die pädagogische Funktion der BildnerInnen, ein „Wie“ des Handelns vorzugeben.

Stimmen, die meinten, es müsse im Rahmen der Bildung ein „Empörungssensor“ bei den Teilnehmenden ausgelöst werden, begegneten der Referentin mit breitem Zuspruch. Eine Bildungsarbeit, die stärker zu politischem Engagement motiviert, entweder durch aktive „Empörung“ oder auch im Dialog, und jedeR nach seiner Fasson – so konnte am Ende der Konsens im Plenum zusammengefasst werden.

Eine Zusammenfassung des Netzwerktreffens Umweltbildung unter www.oekoprojekt-mobilspiel.de/service/downloads

Mareike Spielhofen, Journalistin, Ökoprojekt MobilSpiel e.V.