„Darum also das Pfandsystem!“

Interessiert lasen wir im Oktober 2016 eine Ausschreibung, dass TrainerInnen für die Umweltbildung mit Geflüchteten gesucht werden. Umweltbildung mit Geflüchteten? Ist Ressourcenschutz für diese Zielgruppe ein geeignetes Thema? Und wie vermittelt man die Inhalte?

Unsere Neugier ist geweckt: Das ANU-Projekt „Ressourcentag“ stellt eine Verbindung zwischen interkultureller Arbeit und  Umweltbildung dar. Aus unserer Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe bringen wir das Wissen mit, wie man mit Personen mit sehr unterschiedlichen Sprachkenntnissen und Bildungsständen arbeitet – sicherlich hilfreich für dieses Projekt. Nach der Teilnahme an der TrainerInnenschulung nehmen wir Kontakt zu Trägern der Flüchtlingshilfe in Hamburg auf und können insgesamt zehn Termine für „Ressourcentage“ in Erstaufnahmen vereinbaren, darunter Containerunterkünfte, alte Schulgebäude und feste Gemeinschaftsunterkünfte. 

Ein Tag in der Erstaufnahme

„Darum also das Pfandsystem! Lass mich bitte noch ein Foto von dem Zeichen machen.“ Interessiert fotografiert Hanah aus Eritrea das Pfandsymbol einer Mehrwegpfandflasche mit dem Handy ab und übersetzt für ihre Freundin. Hanah ist erst seit Kurzem in Deutschland, aber das Thema Ressourcenschutz interessiert sie. „Das ist wichtig für mich, damit ich lerne, wie hier in Deutschland die Dinge funktionieren.“

Wir sind mitten im Modul „Abfall“ des Ressourcentages in einer Erstaufnahme in Hamburg, in der Familien und allein reisende Männer in einem alten Krankenhausgebäude untergebracht sind. Den Gemeinschaftsraum haben wir frühmorgens mit unserer dritten Trainerkollegin vorbereitet – Leinwand, Beamer, Moderationswand und Plakate schaffen eine gute Arbeitsatmosphäre. Eine Strommessstation ist aufgebaut, hygienisch gespülter Abfall liegt zum Sortieren bereit, eine Weltkarte hängt an der Wand – es kann losgehen! Die TeilnehmerInnen kommen unter anderem aus Syrien, Eritrea und dem Iran. Sie haben sich beim Sozialmanagement für die Schulung angemeldet. Der Raum ist gut gefüllt – im Laufe des Tages werden die Teilnehmenden noch mehr Familienmitglieder und Freunde hinzurufen, als klar wird, dass der Workshop wichtige Alltagskenntnisse vermittelt und auch noch Spaß macht!

Mit Bildern und Spielen

Nachdem wir den TeilnehmerInnen in langsamer Sprache, mit vielen Bildern und Gesten den Klimawandel, den hohen Stellenwert des Ressourcenschutzes in Deutschland sowie Wasserspartipps erklärt haben, beginnt der praktische Teil zum Thema Abfall. Nach kurzer Zeit klingen Lachen und Anfeuerungsrufe durch den Raum, eine „Müllstaffel“ bringt Bewegung in die Gruppe und verdeutlicht spielerisch das richtige Sortieren von Abfällen. Zwei Gruppen treten beim Müllsortieren gegeneinander an – die Begeisterung ist groß. Nebenbei vermitteln Filme den Weg von Wertstoffen im Recyclingkreislauf und verdeutlichen so die Wichtigkeit der korrekten Entsorgung. Die Ressourcenknappheit in Deutschland, Einblicke in unser Recyclingsystem, die Vermeidung von Plastik und Verpackungsmüll sowie der CO2-Verbrauch in Deutschland erstaunen die Teilnehmenden.

Weiter geht es mit dem Thema Energie: Wir messen den Stromverbrauch von gängigen Haushaltsgeräten und identifizieren die „Stromfresser“ im Haushalt. Wir bemerken schnell, dass manche der gezeigten Elektrogeräte, zum Beispiel Wasserkocher oder Kaffeemaschine, einigen Teilnehmenden unbekannt sind. Also demonstrieren wir die Funktion direkt in der Einführung der Übung, schaffen Sprechanlässe, in denen die deutsche Sprache geübt werden kann. Für fortgeschrittene Teilnehmende notieren wir zudem deutsche Vokabeln, was sie gut annehmen: „Ich freue mich, dass ich heute viele neue deutsche Begriffe über Energie gelernt habe, zum Beispiel das Wort Solarenergie. Ich habe die Begriffe von der Wand fotografiert. Dann kann ich mit meinen Freunden üben.“ Besonders gut kommt eine Erklärung zum Thema Nebenkosten im Mietverhältnis an, dazu nennen wir die Verbrauchspreise für Strom und Wasser von einigen Hamburger Anbietern und zeigen Beispielrechnungen.

Wir ergänzen die Module zu Wasser, Abfall und Energie durch kurze Exkurse zum Thema Hygiene (Benutzung von Wasser- und Sanitäranlagen, Umgang mit Damenhygieneprodukten), die Inhalte sind uns aus dem Kontext der humanitären Hilfe bekannt. Durch geschlechtergetrennte Gruppen ist ein vertrauensvoller Rahmen gesetzt, die Frauen fragen interessiert nach, wie mit Damenhygieneabfällen umgegangen werden muss.

Alltagskompetenzen werden verankert

Im Abschlussmodul fassen die Teilnehmenden das Gelernte zusammen. Eine Baumwolltragetasche beim Einkauf benutzen, das richtige Lüften üben, das Licht ausschalten und Papiermüll sowie Flaschen zum Container bringen: Das sind Ideen, die die TeilnehmerInnen äußern und weiter anwenden möchten. Am Ende des Workshops erhält jeder ein Zertifikat und wird von der Gruppe beklatscht und bejubelt. Insbesondere viele der Frauen erhalten das erste Mal in Ihrem Leben ein Zertifikat – stolz lassen sie sich fotografieren. Schon beim Abbau sehen wir Menschen um die Infoplakate mit Piktogrammen zu den Workshopthemen stehen, die wir gemeinsam mit den Geflüchteten aufgehängt haben. Diese erklären das Gelernte ihren MitbewohnerInnen, das Konzept hat funktioniert!

Die Ressourcentage – ein voller Erfolg!

Zum Ende des Projektes im Dezember 2016 werden wir insgesamt 240 Geflüchtete erreicht haben – darunter Familien, allein reisende Männer und Frauen, alleinerziehende Mütter sowie Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung. Die Ressourcentage waren für uns eine wertvolle Erfahrung, sowohl fachlich als auch persönlich, da uns der direkte Kontakt mit der Zielgruppe und die positiven Rückmeldungen große Freude bereiteten. Umweltbildung mit Geflüchteten? – Von uns gibt es dafür ein klares Ja!

 

Lydia Sleifir, Ethnologin, und
Henriette Bartsch, MPH, Master of Public Health,
health.rights, Bartsch&Sleifir GbR

 

E-Mail: Lydia.Sleifir@healthrights.de,
E-Mail: Henriette.Bartschhealthrightsde