Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Syrien - Nachhaltigkeit im Morgenland

Während viele industrialisierte Länder große Anstrengungen unternehmen, um den Nachhaltigkeitsgedanken über die Bildung in der Bevölkerung zu verankern, stehen die meisten arabischen Staaten hier noch ganz am Anfang. Auf einer internationalen Konferenz in Damaskus wurden im Januar erste Schritte unternommen, einen nationalen Aktionsplan für BNE in Syrien auf den Weg zu bringen.

Umweltbewusste Reisende sind oftmals über die katastrophalen Hygiene- und Umweltzustände in Entwicklungsländern erschrocken. Das gilt auch für Syrien, das sich langsam entwickelt und der Marktwirtschaft öffnet. Die Flüsse ähneln eher stinkenden Kloaken, Plastiktüten verschandeln den letzten Winkel der Wüste und der Autoverkehr erreicht schier unerträgliche Grenzen. Das arabische Land steht drückenden Umweltproblemen gegenüber: Abfallentsorgung verbunden mit Verunreinigung von Wasser und Böden, Wasserknappheit, Bodendegradation, Verlust an Biodiversität und Luftverschmutzung. Dabei verfügt Syrien eigentlich über eine hervorragende Ausgangssituation: Erdöl, Erdgas und sogar Lebensmittel werden exportiert und Wasserkraft liefert ausreichend Strom.

Damaskus – Paradies auf Erden?
Der Prophet Muhammed soll der Legende nach vor den Toren der Stadt umgekehrt sein. „Ich will nur einmal ins Paradies“, soll er gesagt und sich für das jenseitige entschieden haben. In der Tat hat die Altstadt von Damaskus trotz aller neuzeitlichen Anpassungen den Charakter einer orientalischen Stadt aus „Tausendundeiner Nacht“ erhalten können.
Die älteste dauerhaft bewohnte Stadt der Welt ist Unesco-Weltkulturerbe und blickt auf mindestens fünf Jahrtausende zurück. Durch Kriege und Erdbeben zerstört, wurde sie immer wieder aufgebaut. Der Anblick vieler Lehmhäuser enttäuscht von außen, doch hinter bescheidenen Fassaden öffnet sich mitunter ein Paradies: Im Innenhof plätschern Springbrunnen, blühen Orangenbäume. Wände und Marmorböden zieren wunderschöne Ornamente.
Die Stadtverwaltung will jetzt die Autos aus den engen Gassen der Altstadt verbannen. Die Hauptverkehrsader ist stellenweise nicht einmal zehn Meter breit. Anwohnerparken, Fußgängerzonen oder Lieferzeiten für Lkws sind unbekannt.

Umweltschutz versus Wirtschaftswachstum
Syrien boomt. An den Ausfallstraßen von Damaskus reihen sich hypermoderne Gebäude westlicher Firmen aneinander. Das Wirtschaftswachstum lässt die ungelösten Umweltprobleme explodieren. Viele Bereiche des Einparteienstaates wie öffentlicher Verkehr, Wasser- und Stromversorgung oder Müllentsorgung sind hoch subventioniert, völlig ineffektiv, unrentabel und wenig innovativ. Ob der vielen Umweltprobleme sind die Menschen unzufrieden, doch wo anfangen?
Zwar hat die Regierung die Zeichen erkannt und 2003 einen Umweltaktionsplan aufgelegt. Ein Nachhaltigkeitsstrategiepapier gibt es schon seit 2001. Solaranlagen oder Windräder sind aber kaum zu sehen, obwohl die Bedingungen ausgezeichnet sind. Das zeigt eine Studie von 2009, die von der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt wurde. Auch die Beteiligung unabhängiger Organisationen bei der Planung, Umsetzung und Kontrolle fehlt – und daher oft auch der Wille in der Bevölkerung. Der Weg in eine nachhaltigere Zukunft scheint unabwendbar über den Umweg industrieller Verschmutzung zu führen.
Auf Initiative der griechisch-orthodoxen Kirche fand in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium im Januar dieses Jahres in Damaskus eine international besetzte Konferenz für BNE statt. Die rund zwei Millionen Christen in Syrien, die in den letzten zwei Jahren rund 40 Prozent ihrer Mitglieder verloren haben, haben sich als Pioniere auf diesem Gebiet ausgezeichnet. Vielleicht gerade weil der Wegzug von Akademikern und Eliten aus dem Vorderen Orient seit Jahren andauert, bemühen sich viele Organisationen über Religionsgrenzen hinweg um eine gesunde und lebenswerte Zukunft für ihre Kinder.
Die Konferenz sollte einen nationalen Aktionsplan für BNE auf den Weg bringen. In Syrien fehlt es an modernen Methoden, fortschrittlichen Lehrplänen und nicht- formalen Bildungsansätzen. Eröffnet wurde die Veranstaltung vom Patriarchen Ignatius IV. und der syrischen Umweltministerin Kawakab Dayeh persönlich.

Nachhaltigkeit will gelernt sein
Vor allem aus Europa waren Bildungsfachleute eingeladen. Als Vertreter der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt erläuterte ich in meinem Vortrag anhand der Initiative „Hamburg lernt Nachhaltigkeit“, wie wichtig es ist, Bürger und NGOs einzubeziehen. Die Stadt wurde zum European Green Capital 2011 gekürt, weil sie im Umweltschutz große Anstrengungen unternommen hat und weil Nachhaltigkeit dort als entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung gilt. Als etwa gleich große Stadt kann Hamburg Vorbild für Damaskus sein. Weitere Vortragende kamen vom Hamburger Unesco-Institut für Lebenslanges Lernen, von der Firma Petro-Canada als Sponsor der Konferenz, der niederländischen Universität Wageningen und von privaten Organisationen.
Am Ende wurden Empfehlungen verabschiedet und der Regierung übergeben. Ihre Umsetzung mag man zum Wohle Syriens nur wünschen. Eigentlich sollte dies für einen starken Staat wie Syrien kein Problem darstellen – vorausgesetzt er meint es ernst damit.[Jürgen Forkel-Schubert]

Orthodoxes Patriarchat: www.antiochpat.org
Studien: Environmental Strategy For Syria und Renewable Energy Project. www.enviro-syria.org
EU-Kommission: Länderstrategiepapier 2007–2013 und Nationales Indikativprogramm 2007–2010 für Syrien. www.ec.europa.eu/world/enp/partners/enp_syria_de.htm
www.hamburg.de/nachhaltigkeitlernen
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