Nachhaltiger Konsum - Die Lohas lieben lernen

Lohas sind Menschen, die beim Konsum nicht nur an den Preis, sondern auch an die Nachhaltigkeit denken. Ob man dafür mit dem richtigen Marketing auch andere Menschen gewinnen kann, untersuchte die Beratungsagentur Stratum. Das Ergebnis: Produkte können durch Marketing zwar nicht nachhaltiger oder besser werden, aber ohne Marketing lassen sich auch nachhaltige Produkte nicht verkaufen.

Der Biokonsum boomt und die Nachfrage nach Produkten aus dem fairen Handel hat deutlich zugenommen – allein in den letzten beiden Jahren um 40 Prozent. Die von Trendguru Matthias Horx 2007 beschriebene Verbindung von Konsumlust und ökosozialem Gewissen ist unter der Chiffre Lohas – die Abkürzung für Lifestyle of Health and Sustainability – heute allgegenwärtig. Zwischen 20 und 40 Prozent der VerbraucherInnen werden diesem Lebensstilmuster bereits zugerechnet.
Entsteht hier nicht eine enorme Zielgruppe für die Protagonisten der Ökoaufklärung? Hätte die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) damit nicht eine neue Aufgabe – nämlich statt der abstrakten Vermittlung des richtigen Bewusstseins die Förderung des korrekten Konsums?

Am Anfang war die Marktforschung
Mit dieser Fragestellung startete vor einem guten Jahr ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördertes Projekt. In zwei Schritten wollte die Beratungsagentur Stratum Lösungen für ein verbessertes Nachhaltigkeitsmarketing zum Lohas-Trend finden. Zunächst sollte eine tiefer gehende Marktforschung die nötigen Einblicke in die Mentalität und Psyche der Lohas-Konsumenten geben. In einem zweiten Schritt sollten dann ausgewählte Praxispartner mit einem Lohas-adäquaten Marketing neue Kunden gewinnen.
Schon die Ergebnisse des ersten Schritts waren überraschend. Die Studie, die Stratum bei den Markenstrategen der Firma &Equity in Auftrag gegeben hatte, zeigt das Bild einer breiten neuen Zielgruppe: die Lohas-Affinen. Sie stehen zwar den Lohas nahe, doch wollen sie weder etwas mit der Selbstinszenierung der „bekennenden“ Lohas-Szene zu tun haben noch mit den hohen Erwartungen, die häufig mit dem neuen grünen Lebensstil verknüpft werden.
Insgesamt scheint das Ökothema durch die Lohas zwar an gesellschaftlicher Breite gewonnen, aber zugleich an inhaltlicher Tiefe verloren zu haben. Denn Lohas-Menschen sind erstaunlich unpolitisch, harmonieorientiert und durch Greenwashing zu beeindrucken, so die Studie.

Schlechtes Greenwashing – gutes Greenwashing?
Der erste Reflex auf dieses Ergebnis waren vielerorts Enttäuschung und Ablehnung. Sollten die Hoffnungen auf den sanften, aber stetigen Wandel der Gesellschaft durch nachhaltigen Konsum getrogen haben? War das „Ende der Märchenstunde“ gekommen, wie es Kathrin Hartmann in ihrem kürzlich erschienenem Buch mit dem Untertitel „Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt“ behauptete?
Doch in den Studienergebnissen steckten viele praktisch verwertbare Hinweise für erfolgreiches Nachhaltigkeitsmarketing. Auch „nachhaltige“ Produkte brauchen ein entsprechendes Marketing. „Gutes“ verkauft sich eben nicht von selbst. Deshalb sprechen die Stratum-Berater inzwischen etwas provokant vom „guten Greenwashing“. Damit wollen sie verdeutlichen, dass man durch Marketing natürlich Produkte nicht wirklich nachhaltiger oder besser machen, aber ohne Marketing auch nachhaltige Produkte eben nicht verkaufen kann: „Aus diesem Grund haben wir dann doch gelernt, die Lohas zu lieben.“
Die Formel für gutes Nachhaltigkeitsmarketing umfasst nach den Erkenntnissen von Stratum drei grundlegende Aussagen:

- „Einklang mit der Natur“ – das Motiv wird durch entsprechende Bild- und Farbwelten evoziert und kann durch den Aspekt der „Sauberkeit“ gesteigert werden.
- „Regionalität“ in der Aussage bietet einen hohen Vertrauenseffekt für Lohas-affine Konsumenten, besonders wirksam sind „Nähe“ und „Heimat“, oder gerne auch einfach „deutsch“.
- „Wir“ als gemeinsame Verantwortung von Produzenten, Handel und Konsumenten für die Sicherung der Zukunft; Lohas-Affine verstehen dies nicht als Vereinnahmung, sondern als Form einer Partnerschaft mit der Wirtschaft, als Win-win-Situation.

Großes Betätigungsfeld für die Bildung
Im zweiten Teil des Projekts bauten die Praxispartner aus dem Bildungsbereich diese Erkenntnisse in ihre Marketingstrategie ein. So bot etwa das Ökologische Schullandheim Spohns Haus im saarländischen Gersheim mit Unterstützung durch Stratum erstmals ein Kochwochenende an, um Lohas-affine Familien als neue Zielgruppe anzulocken. Für den Verein Flower Label Program (FLP), eine bekannte Organisation im fairen und ökologischen Blumenhandel, brachte Stratum alle Akteure der gesamten Produktions- und Vermarktungskette an einen Tisch, um auch die einheimische Produktion einzubeziehen.
Ein weiteres Beispiel ist das Umweltbildungsnetzwerk Stettiner Haff mit seinen zahlreichen Einrichtungen und Initiativen in der Ostseeregion. Fünf Einrichtungen konnten durch Stratum motiviert werden, neue Angebotsformen der Umwelt- und Naturschutzbildung zu entwickeln. So können in einem Outdoor-Krimi künftig Touristen und Schulklassen spielerisch selbst aktiv werden, um einen mysteriösen Fall aufzuklären. Ganz nebenbei werden Natur- und Umweltwissen, aber auch Motivationspsychologie und deutsch-deutsche Zeitgeschichte vermittelt.
Nachhaltiger Konsum sogar als Entwicklungschance ländlicher Räume? Gemeinsam entwickelten die Akademie für Nachhaltige Entwicklung Mecklenburg-Vorpommern und Stratum eine Idee: Unter dem Titel „Garten der Metropolen“ sollen sich ländliche Räume modellhaft mit ihren Erholungs-, Entschleunigungs- und Versorgungsfunktionen gestressten Lohas-Kunden aus der Großstadt anbieten.
Auch wenn das Förderprojekt jetzt abgeschlossen ist, will Stratum Einrichtungen der Umweltbildung, Regionalentwicklungsprojekte und naturtouristische Akteure weiterhin bei der Erschließung des Lohas-Marktes beraten.
[Richard Häusler, Jürgen Forkel-Schubert]

Kontakt: Stratum GmbH, Richard Häusler, Berlin, Tel. +49 (0)30 / 22325270, E-Mail: info@stratum-consult.de, www.stratum-consult.de
Literatur: Häusler, R.; Kerns, C.; Parlow, K.: Nachhaltigkeit ist Veränderung. Akteure der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung im Interview zu Entwicklung, Veränderung und Strategie. Erich Schmidt, Berlin 2009, 176 S., 32,80 €, ISBN 978 3-503-12071-0