Umweltbildung und Ernährung. Gesund essen in der Schule

Die Hälfte der SchülerInnen in Bayern kommt ohne Frühstück und gesundes Pausenbrot in die Schule. Auch ein warmes Mittagessen in der Schulmensa ist nicht selbstverständlich. Außerschulische Akteure der Umweltbildung bieten zeitgemäße methodische Ansätze, um dieses Problem zu lösen.
„Unsere Kinder wachsen heute vielfach als Geschmacksanalphabeten auf.“ Das meint jedenfalls Ulrike Johannsen vom Institut für Ernährungs- und Verbraucherbildung der Universität Flensburg. Die Ökotrophologin war eine der ReferentInnen der Tagung „Gesunde Schulverpflegung in Bayern“ im März dieses Jahres in München. Eingeladen hatten Thomas Ködelpeter von der Ökologischen Akademie Linden sowie die Arbeitsgemeinschaft Natur und Umweltbildung (ANU) Bayern und Ökoprojekt – MobilSpiel als MitveranstalterInnen.

Gelebte Bildung für nachhaltige Entwicklung
Warum ausgerechnet Verbände für Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) die Initiative bei diesem Thema ergreifen, mag zunächst verwundern. Ausgangspunkt waren Diskussionen in der ANU-Fachgruppe Schule und Nachhaltigkeit über Ernährung und Klima, Umweltbildung und ökologische Landwirtschaft sowie Konzepte zur Schulentwicklung. Schnell wurde klar: Um etwas zu erreichen, müssen alle Akteure an einen Tisch. Mit der Tagung gelang es Thomas Ködelpeter und seinem Team, alle verantwortlichen Akteursgruppen zusammenzubringen. Rund 170 Teilnehmer, darunter Eltern, Schüler, Lehrer, Staatsminister, Köche, Ernährungswissenschaftler, Kantinenpächter und Hausmeister, Schulträger, Krankenkassen und Umweltpädagogen, informierten sich über Initiativen, Konzepte und Projekte, diskutierten, schmiedeten Pläne und vernetzten sich.
„Das Thema gesunde Schulverpflegung ist BNE pur, weil es alle Aspekte der BNE enthält“, erklärte Marion Loewenfeld in ihren Grußworten zum Auftakt der Veranstaltung. So könne man das Thema aus ökonomischem Blickwinkel (wie viel kostet die Verpflegung?), aber auch aus sozialer (wer isst was?), kultureller (wie verändert sich unsere Esskultur?) und ökologischer Sicht (gesunde Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft sind wichtig) betrachten. Es biete eine Fülle von Anknüpfungspunkten für die Zusammenarbeit zwischen Umweltbildungsakteuren und Schulen. „Gesundes Essen ist nicht nur gut für das ‚Schulklima‘, die Gesundheit und Lebensfreude, sondern auch ein praktischer Beitrag zum Klimaschutz“, ergänzte Ködelpeter.
„Die Ernährungspyramide steht quasi auf dem Kopf“, beschrieb Johannsen die Essgewohnheiten der heutigen Kinder und Jugendlichen. Sie essen zu wenig Obst, Gemüse und Vollkornprodukte und trinken zu wenig Getränke wie Wasser oder Obstschorlen. Zudem, so die Expertin, gehe der Trend zu unregelmäßigen Mahlzeiten zum verstärkten Genuss von Functional Food mit Geschmacksverstärkern, Aroma- und Konservierungsstoffen sowie zu einseitiger Ernährung mit zu viel Fett, Zucker und Salz. Hauptsache billig und schnell, laute das Motto bei den deutschen VerbraucherInnen. Schnellimbisse, Billignahrung und Süßigkeiten führten jedoch leicht zu Gesundheitsproblemen wie Zahnschäden, Allergieanfälligkeiten und Adipositas.

Umweltbildung liefert zeitgemäße Methoden
Doch nicht nur die körperliche Gesundheit ist gefährdet. „Essen ist eine allumfassende, ganzheitliche Sache“, stellte Hildegard Rust, Ministerialrätin im Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF), fest. Esskultur sei eine Alltagskompetenz. Menschen müssten heute „gesundheits- und ernährungsgebildet sein“, pflichtete Johannsen bei, deshalb sei die Gesundheitskrise eigentlich eine „verkannte Bildungskrise“. Eine gesunde Ernährung wirke sich bei Kindern und Jugendlichen positiv auf Konzentration, Leistungsfähigkeit, Sozialverhalten und Lernklima aus.
Daher stehen heutzutage Schulen und außerschulische Bildungseinrichtungen gleichermaßen vor der Aufgabe, Ernährungs- und Gesundheitsfragen aufzugreifen. Umweltbildung ermöglicht dabei spannende Projekte mit kreativen, partizipativen Methoden. Gerade hier haben die außerschulischen Akteure viel zu bieten, wie die auf der Tagung vorgestellten Beispiele zeigten, darunter das Schulklassenprojekt „Fit, fair und frisch“ von Ökoprojekt – MobilSpiel aus München.
In Sachen gesunde Schulernährung ist in Bayern ein Stein ins Rollen gekommen. Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten richtete im Frühjahr die Vernetzungsstelle Schulverpflegung ein, die in rund 20 Modellschulen Projekte startet und ein landesweites Informations- und Beratungsnetz aufbaut. Hier sind ein Austausch und gegebenenfalls Kooperationen mit der Initiative der Umweltbildner geplant.
Die Akteure der Umweltbildung wollen bei insgesamt sieben Runden Tischen auf Regierungsbezirksebene die Zusammenarbeit verbessern und das Thema in den Bezirken verankern. Die außerschulische Umweltbildung muss hier beweisen, dass sie durch Veranstaltungen, Projekte und Beratung SchülerInnen in besonderem Maße motivieren kann.
[Mareike Spielhofen]

Langfassung des Beitrags in: Rundbrief Netzwerk UmweltBildung Juni 2009, www.mobilspiel.de/Oekoprojekt/pdf/Rundbrief_Juni09.pdf

Ökoprojekt – MobilSpiel e.V., München, Tel. +49 (0)89 / 7696025, www.praxis-umweltbildung.de/erna_web.php

Ökologische Akademie, Thomas Ködelpeter, Dietramszell/Linden, Tel. +49 (0)8027 / 1785, E-Mail: oekologische-akademie@gmx.de, www.oekoakademie.de

StMELF, Vernetzungsstelle Schulverpflegung Bayern, München, Tel. +49 (0)89 / 21820, E-Mail: poststelle@stmelf.bayern.de, www.stmelf.bayern.de/ernaehrung/33905