Aalborg +10 - Umweltzentren bringen Dynamik in lokale Agenda-Prozesse

Vor 10 Jahren trafen sich zum ersten Mal Städte und Gemeinden aus ganz Europa in der dänischen Stadt Aalborg, um ihre Beiträge zur Agenda 21 auszutauschen. Seitdem unterzeichneten mehr als 2000 Kommunen eine Selbstverpflichtungserklärung, die sogenannte "Aalborg-Charta". Auf ihrer diesjährigen 4. Konferenz "Aalborg +10" vom 9. - 11. Juni 2004 wollen die Kommunen klare quantitative und qualitative Ziele für die Umsetzung der in der Aalborg-Charta festgelegten Grundsätze vereinbaren - die "Aalborg Commitments".

Das Ziel ist sehr hoch gesteckt: Nachhaltige Entwicklung soll zu einer selbstverständlichen Orientierung in der vorgegebenen Routine alltäglichen Handelns werden. Sie soll Generationen-Gerechtigkeit mit globaler Solidarität und internationalem Ressourcenschutz verbinden.Der Alltag sieht jedoch meist anders aus: Die Akteure von Nachhaltigkeitsinitiativen aus Institutionen, Verbänden und Unternehmen wenden einen erheblichen Arbeitsund Zeitaufwand für ihre häufig ehrenamtlichen Tätigkeiten auf, eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt "Öko" als Ideologie jedoch ab oder interessiert sich kaum für das Thema Nachhaltigkeit.

Kooperationen mit Umweltzentren

Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften, lokale Agenda-Gruppen, kirchliche Gruppen oder LehrerInnen sind Multiplikatoren, die zwar intensiv an einer Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen arbeiten. Sie leiden jedoch häufig an mangelhafter Koordination und Prozessteuerung, schlechter Moderation, aber auch an fehlender Kontinuität und ungenügender Anerkennung durch die Politik. Andererseits gibt es viele Umweltzentren, die gerade in den Bereichen Projektsteuerung, Aufbau kommunaler Vernetzungsstrukturen, Moderation oder zielgruppengerechter Kommunikation viel Erfahrung besitzen. Umweltzentren entfalten häufig allein schon durch ihren vorbildhaften Betrieb und der Ausstrahlung von Gebäuden und Gelände, aber auch der dort tätigen Menschen, eine große Multiplikatorwirkung. Das neue Modellprojekt der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung (ANU) will nun Umweltzentren und lokale Nachhaltigkeitsinitiativen zusammenbringen. Es wird bis Frühjahr 2005 vom Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium gefördert.

Weiterentwicklung durch die ANU

Annette Dieckmann vom ANU Bundesverband arbeitet dabei eng mit Ernst Zachow von der internationalen Agentur für nachhaltige Projekte in Bremen zusammen. Beide begleiten eine Modellgruppe von acht Umweltbildungseinrichtungen und ihre kooperierenden Nachhaltigkeitsinitiativen durch ein spezielles Weiterbildungsprogramm. Zusätzlich bietet die Unternehmensberaterin Katja Vittinghoff ein Coaching in den Bereichen systematische Organisationsentwicklung, Veränderungsmanagement, lösungsorientierte Kommunikation und Mediation an. Die Themen sind breit gefächert und reichen von Konsum und Lebensstilen über Freizeit und Tourismus bis zur Kooperation mit der regionalen Wirtschaft. Das Informationszentrum Naturpark Saar-Hunsrück arbeitet z.B. mit landwirtschaftlichen Selbstvermarktern und Gastronomiebetrieben an der Vermarktung von Apfelwein und anderer regionaler Produkte. Um das Thema Nachhaltigkeit in die Ausbildungspläne des metallverarbeitenden Betriebs Butting GmbH & Co KG zu bringen, arbeitet das Regionale Bildungszentrum für Nachhaltigkeit der Aktion Fischotterschutz e.V. in Hankensbüttel mit dem Bildungswerk der niedersächsischen Wirtschaft zusammen. Das Umweltpädagogische Zentrum der Stadt Nürnberg bietet gemeinsam mit dem regionalen Verkehrsverbund VGN zusammen das Projekt "Pauk & Ride" an, um Nachhaltigkeitsinitiativen, verkehrspolitische Verbände und Verkehrspolizei an einen Tisch zu bringen.

Dynamikpotenziale nutzen

Gemeinsames Ziel der Modellprojekte ist, so genannte Dynamikpotenziale aufzuzeigen und sie als neues Analysesystem zu etablieren. Dynamikpotenziale ermöglichen Aussagen über den Umfang, den Nachhaltigkeitsinitiativen bei der Durchsetzung neuer gesellschaftlicher Leitbilder und bei der Veränderung von Alltagspraxis spielen können. Dynamikpotenziale von Nachhaltigkeitsinitiativen werden in acht Kategorien unterteilt. Eine davon ist "Wirksamkeit". Sie wird in der Regel mit Effektivität gleichgesetzt und soll den Blick auf die Frage richten, in welchem Maße eine Nachhaltigkeitsinitiative in der Lage ist, vorherrschende Verhaltensmuster in der Gesellschaft zu überwinden. Dazu gehört die Fähigkeit Diffusionsstrategien zu entwickeln, die zu neuen Alltagsmustern führen.Weitere Kategorien sind Reichweite, Flexibilität, Effektivität, Außenwirkung, Durchhaltevermögen, Erfolge, Wirksamkeit, Kontinuität und Gruppenbindung. Eine ausführliche Beschreibung der Bedeutung dieser Begriffe findet sich im Internet.

Neue Materialien und Workshops

Die in Kooperation mit Econtur herausgegebene neue ANU-Broschüre "Umweltzentren und Nachhaltigkeitsinitiativen als Kooperationspartner" rückt Ergebnisse sozialökologischer Forschung in den Blickpunkt der Bildungspraxis. Sie gibt Auskunft, welche Rolle Nachhaltigkeitsinitiativen in der Gesellschaft spielen, führt in die Themen Dynamikpotenzial, Organisationentwicklung, Umweltmentalitäten und Lebensstilmodelle ein und nennt Beispiele der Modellinitiativen aus dem ANU-Projekt Nachhaltigkeitsinitiativen. Zu den Themen Konsum und Lebensstile, Mobilität, Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und Fundraising bietet die ANU ab Sommer offene Workshops für alle in verschiedenen Bundesländern an. Eingeladen sind hierzu auch andere Interessierte aus Schulen und Verbänden.

Jürgen Forkel-Schubert

Alle Informationen unter www.umweltbildung.de/nachhaltigkeitsinitiativen

Termine der Workshops:

16. Juli, Nürnberg:
Intelligent mobil mit Plan und Ziel - Mobilitätsbildung im Wandel - Akteure im Dialog

1. Oktober, Hannover:
Vom Bittsteller zum Dienstleister - Kooperationen zwischen Umweltzentren und Wirtschaftsunternehmen

22. Oktober, Freiburg:
Die Fragen nach dem Großen Geld - Mittelbeschaffung für Umweltzentren und Nachhaltigkeitsinitiativen

28. Oktober, Hamburg:
Jugend und Umwelt - eine Beziehungskrise - Umweltpädagogen und Jugendliche im Dialog

Bezug der Broschüre "Umweltzentren und Nachhaltigkeitsinitiativen als Kooperationspartner" bei der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband e.V., 3,- EUR (für ANU-Mitglieder 2,- EUR), Fon +49/6181/7 68 74, Fax -3 04 91 52, E-Mail dieckmannanude, www.umweltbildung.de