Politische Ökologie 51: Perspektiven der Umweltbildung

Was ist Umweltbildung? Was soll sie leisten? Wo liegen ihre Grenzen? Die Umweltminister aller Länder beschlossen am 12./13. Juni 1996 in Lübeck einstimmig, daß eine dem Leitbild der dauerhaft umweltgerechten Entwicklung verpflichtete Zukunftsgestaltung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die durch Umweltbildung - als integraler Bestandteil und als Instrument der Umweltpolitik - zu fördern ist. Anliegen der Umweltbildung ist es demnach, die Menschen zu befähigen, sich an den notwendigen Lern- und Gestaltungsprozessen zu beteiligen. Wie sollen diese Aufgaben umgesetzt werden? Kann das Umweltbildung überhaupt leisten? Will sie das überhaupt?

Klar ist, daß trotz erheblich gestiegenem Umweltbewußtsein die Kluft zwischen Betroffenheit und Handeln nach wie vor groß ist. Innerhalb der Umweltbildung wird deshalb derzeit verstärkt diskutiert, welche Konzepte wirkliche Veränderungen bei den Menschen einleiten können. Brauchen wir vielleicht völlig neue Ansätze? Kann "Sustainability" als Leitbild für eine zukunftsfähige Umweltbildung dienen? Mit der Beantwortung dieser Frage steht und fällt die Wahrnehmung des zugewiesenen gesellschaftlichen Auftrages an die Umweltbildung in Deutschland. Diese Diskussion darf deshalb nicht im stillen Kämmerlein von Hochschule oder Verbandsebene ablaufen, sondern muß in (durchaus kontroverser) Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit geführt werden. Wollt ihr Umweltbildung und wie wollt ihr sie? Es ist deshalb das besondere Verdienst der Zeitschrift "Politische Ökologie" hierfür die Plattform zu bieten. Die neue Mai-Ausgabe "Perspektiven der Umweltbildung" enthält die wesentlichsten Analysen Hintergrundinformationen, Perspektiven und Konzepte für diese Diskussion. Das Heft biete die wichtigsten Ansätze, die im Sinne der Nachhaltigkeit derzeit in Schule, Erwachsenenbildung und außerschulischen Umweltbildung diskutiert und umgesetzt werden. Nach einer Einführung von Prof. Michelsen (Uni Lüneburg), der die verschiedenen Stränge und Optionen in der umweltpädagogischen Debatte der letzen 20 Jahre auf das Thema Nachhaltigkeit abklopft, skizziert Prof. de Haan (FU Berlin) den Paradigmenwechsel weg von der klassischen Ökopädagogik und hin zu integrativen und nachhaltigen Konzepten.

Den überhöhten Anspruch der Umwelterziehung und die begrenzte Wirksamkeit der pädagogischen Mittel zeigt anschließend Prof. Dollase (Uni Bielefeld) auf und umreißt die Anforderungen an eine zukunftsfähige Umwelterziehung. Sehr provokant sind die Thesen von Heino Apel (Clearingstelle Umweltbildung, DIE), der die derzeitige Krise der Umweltbildung darin sieht, daß moralisierende, aufklärende Angebote am Bedarf vorbei geplant werden. Umweltbildung sollte sich seiner Meinung nach am Markt mit allen Konsequenzen von Marketing, neuen Veranstaltungsformen etc. durchsetzen müssen und Dienstleistungscharakter bekommen. Stattdessen kommt mit dem "Sustainable Development" eine neue moralische Überfrachtung daher, die schwer mit den Alltagsbedürfnissen von Bildungsteilnehmern vereinbar ist. Helmut Schuchardt (Landeszentrale für politische Bildung, Thüringen) beschreibt die Sorgen und Nöte der KollegInnen in den neuen Bundesländen und erklärt das Ende der Umweltbildung im Osten. Aus dem politischen Raum stammen wichtige Aufsätze, so z.B. von Bundesminister Dr. Rüttgers, der die neuen Anforderungen der Nachhaltigkeitsdiskussion in die Umweltbildung integrieren will und auf die Große Anfrage der SPD im Bundestag eingehen wird. Ulrike Mehl (SPD), die diese Anfrage mitentwickelt hat, stellt ebenso ihre kritische Sicht zur Leistung der Bundesregierung dar wie Matthias Berninger (Bündnis 90/ Die Grünen), der die ökologische Bildung in Deutschland im internationalen Vergleich als "Weltspitze" bezeichnet, jedoch deutlich defizitär im Bereich der Nachhaltigkeit. Neben diesen mehr theoretischen Ausführungen werden viele Konzepte und Projekte vorgestellt, die Impulsgeber für die Praxis sind bzw. sein können. Die Liste ist lang und enthält u.a. eine Vorstellung des ANU-Netzwerkes von Dr. Sibylle Hielscher, der Umweltschulen in Europa (Axel Beyer, DGU), die Mitmachausstellung von Dr. Kochanek (NSBZ Leverkusen), das fifty-fifty-Projekt in Hamburg, das Projekt CREFELD der Unesco u.v.m. Mit Heft 51 der Politischen Ökologie könnte eine Synthese von Theorie und Praxis gelingen, die die Umweltbildung nicht nur aus ihrem Szenedasein in den öffentlichen Diskurs bringt - Leistungen aufzeigt, Probleme benennt, Wandel einklagt - aber vor allem darüber hinaus ihren gesellschaftlichen Wert verdeutlicht. Ein Lesebuch-Muß für alle UmweltpädagogInnen. Bezug ab Mai '97 in Buchhandlungen oder am Kiosk (Einzelheft DM 19,80; Abo = 6 Ausgaben pro Jahr für DM 98,- bzw. 78,- ermäßigt, Verlag ökom, Waltherstr. 29, 80337 München, Tel: 089/5441840, Fax: 5441899)

Und der wächst zwar ständig, aber ein Durchbruch gelang der Umweltbildung trotzdem nicht. Die Zahle der gesicherten Beschäftigungsverhältnisse im Umweltbildungsbereich nimmt eher ab denn zu. Hartnäckig hält sich das Vorurteil, daß Bildung nichts kosten dürfe und vom Staat bezahlt werden müsse - weswegen viele UmweltpädagogInnen betriebswirtschaftliche Konzepte nach wie vor ablehnen. Die PolitikerInnen erkennen erst sehr langsam, welches Instrument sie mit der Umweltbildung in den Händen halten. Die Umweltminister z.B. sehen Umweltbildung zwar als "integralen Bestandteil der Umweltpolitik" an, durch die Menschen befähigt werden sollen, sich an einer dem Leitbild der zu beteiligen - eine gesetzliche Verankerung oder eine Absicherung der ungeregelten Lehrerabordnungen in Umweltzentren wollen sie jedoch nicht.