Auf der Suche nach dem Glück

Schülerinnen und Schüler überlegen sich im Ökologischen Bildungszentrum München ihr persönliches Glücksrezept und verstehen, dass man nicht alles Glück kaufen kann.

Anna mag am liebsten Pizza, Joschka Nudeln. Cem freut sich über seine guten Noten, Malika über ihre Katze. Paul und Jonas haben gerade eine Band gegründet, Marie hat mit ihrer Handballmannschaft das letzte Auswärtsspiel gewonnen und alle drei wollen nichts lieber, als mit ihren Freunden Musik zu machen beziehungsweise Handball zu spielen. Anna, Cem und Malika, Paul, Jonas und Marie sind Schüler und Schülerinnen einer vierten Klasse einer Münchner Grundschule. Sie sind „auf der Suche nach dem Glück“ und haben dafür einen ihrer Unterrichtsvormittage ins Ökologische Bildungszentrum München verlegt. In dessen freundlicher und großzügiger Umgebung lässt es sich leicht mit dem außergewöhnlichen Schulstoff umgehen, findet ihre Lehrerin. Kann man nach dem Glück suchen? Und, viel wichtiger noch, wo kann man es finden? Und was ist das überhaupt – Glück?

Um dem Wesen des Glücks auf die Spur zu kommen, überlegen sich die Schülerinnen und Schüler Antworten auf die Fragen: Was magst du am liebsten? Worüber freust du dich? Was macht dich glücklich? Mit wem bist du gerne zusammen? Sie schreiben ihre Ansichten auf Moderationskarten, heften sie an die Übersichtstafel und stellen anschließend erstaunt fest, dass jede und jeder von ihnen etwas anderes bevorzugt – ein wesentlicher Schritt, um das schwer fassbare Glück greifen zu lernen. Jedem Menschen ist je nach Persönlichkeit, Alter und Lebens-umständen etwas anderes wichtig. „Das ist gut so“, finden sie, „denn wir sind ja auch nicht alle gleich!“ Jedes Glückskärtchen hängt jetzt gleichberechtigt neben den anderen. Da versteht es sich fast von selbst, dass auch die unterschiedlichen Ansichten, was denn nun glücklich macht, gleichwertig sind. Einordnen lassen sich die unterschiedlichen Vorstellungen von Glück allerdings schon. Mit großem Eifer sortieren die Kinder die unterschiedlichen kleinen und großen Glücksmomente in Kategorien wie „persönliches Glück“, das „Glück mit anderen teilen“ oder unterscheiden das „materielle“ vom „immateriellen“ Glück. Sie verstehen, dass es einen Unterschied macht, ob man persönlich an etwas Gefallen findet, wie am Lieblingsessen oder dem Lieblingstier, oder ob man etwas gemeinsam macht und ein Erlebnis teilt, wie zum Beispiel beim Fußballspielen oder dem Musizieren im Schulorchester. Genauso eingängig finden sie auch, dass man manches Glück zwar kaufen kann, zum Beispiel das neueste Computerspiel, anderes wie Gesundheit und gute Noten aber nicht.

Beinahe von alleine finden die Schüler und Schülerinnen auch die ganz besonderen Kategorien, die unerlässlich sind, um Glück zu empfinden. Zum Beispiel die Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken, Schlafen und ein Zuhause, die befriedigt sein müssen. Oder die Grundrechte, die allen Menschen zustehen sollten, um ein glückliches und erfülltes Leben führen zu können. Schnell sind die Kinder dann bei aktuellen Themen wie Flucht und Krieg. Und diskutieren darüber, wie es sich unter diesen Umständen mit dem Glück verhält. „Jeder soll glücklich sein dürfen!“, fordert Daniele und Larissa ergänzt, „da können wir auch mithelfen“. Und alle gemeinsam überlegen auch gleich, wie.

Passend zu dieser sozialen Grundeinstellung ist auch, dass vielen der Neun- und Zehnjährigen ihre Freunde und Familie, das Zusammensein mit ihnen und ihre Gesundheit sehr wichtig sind. Selten stehen die großen materiellen Wünsche auf den Glückskärtchen, eher noch sehen die Schülerinnen und Schüler ihren schulischen Erfolg als Glücksgarant. Manchmal stellen die Viertklässler auch das Ganze infrage: „Man muss nicht immer glücklich sein!“, steht auf einer der Moderationskarten. Auch diese findet ihren Weg an die Tafel und wird mitten zwischen die anderen großen und kleinen Glücksversprechen geheftet und diskutiert. „Natürlich muss man nicht immer glücklich sein“, meint Anton. „Das geht ja gar nicht“, findet Nina, „da kommt manchmal was dazwischen.“

Damit die Schülerinnen und Schüler auch aus krisenhaften Zeiten einen Ausweg finden und sich an ihre eigenen glückversprechenden Ansichten erinnern, basteln sie sich ihr persönliches Erinnerungsstück: ein Glückstagebuch zum Beispiel, einen Glücksbringer als Anhänger für den Schlüsselbund, oder sie schreiben sich einen Erinnerungsbrief. Auch als Gemeinschaft werden sie im Schulklassenprogramm tätig und erfinden ihr eigenes Glücksrezept, mit dem sie gemeinsam besser durch ihren Schulalltag kommen. „Auf der Suche nach dem Glück“ – am Ende der drei Stunden hat jeder und jede ein eigenes kleines Stückchen vom Glück gefunden.

Simone Gerhardt, promovierte Biologin, freiberufliche Umweltpädagogin und Fachjournalistin, E-Mail: simone.gerhardt@web.de