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Titelthema - Digitalisierung & BNE
Instagram als Lernfeld für Nachhaltigkeit und Klimaschutz?
Social Media ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Lebenswelt junger Menschen. Insbesondere Instagram dient nicht nur als Unterhaltungsplattform, sondern auch als Informations- und Inspirationsquelle. Dort werden aktuelle Themen und Normalitätsvorstellungen der Akteur*innen gezeigt, die sich auf das Handeln der Nutzer*innen auswirken. Nachhaltige Themen und Lebensstile werden bisher jedoch noch unterrepräsentiert dargestellt. Kann diese Lücke von der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gefüllt werden? In fünf Modellprojekten wurde in Zusammenarbeit von jungen Menschen und Umweltbildungszentren (UBZ) im Rahmen des Projekts DINOA (digital.normal.nachhaltig) erprobt, wie Nachhaltigkeits- und Normalitätsvorstellungen hinterfragt und über Instagram kommuniziert werden können. Dabei sind einige spannende Aktionen, Kampagnen und Beiträge zu den beliebten Instagram-Themen Reisen, Kleidung und Mode, Beauty sowie Ernährung entstanden.
Normalitätsvorstellungen werden unbewusst bereits in der Kindheit durch die jeweilige Sozialisation und Kultur, also durch Einflüsse der Außenwelt, geprägt. Allerdings lassen sie sich durch aktives Reflektieren und Handeln verändern, auch noch in späteren Jahren. Junge Menschen werden zunehmend durch Social Media und in anderen digitalen Räumen beeinflusst. Ihr Alltag findet zu großen Teilen online statt und die Suche nach Vorbildern ebenso. Dadurch stellt sich die Frage, wie Normalitätsvorstellungen auf Instagram reflektiert und in eine nachhaltigere Alltagskultur verändert werden können. Bietet sich Instagram als Plattform an, um Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz zu thematisieren und ein Umdenken junger Menschen anzuregen?
Mit dieser und weiteren Fragen hat sich die ANU in ihrem DINOA-Projekt beschäftigt. Ein Ziel bestand darin, sich mit jungen Menschen und ihren eigenen (nachhaltigen) Normalitätsvorstellungen sowie denen anderer auseinander zu setzen. Durch die Kommunikation über Instagram nach außen, sollten weitere junge Menschen von der Reflexion profitieren und angeregt werden, sich mit ihren eignen Normalitätsvorstellungen zu befassen. Außerdem sollte die Präsenz von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Klimaschutzbeiträgen auf Instagram erhöht werden, um Nutzer*innen Einblicke und Inspirationen zu geben, wie nachhaltiges Verhalten einfach in den Alltag integriert werden kann. Für die Umweltbildungszentren (UBZ) bestand der Mehrwert darin, ihre Kompetenzen im Umgang mit Social-Media-Kanälen zu stärken und diese im Bereich der Umweltbildung und BNE einzusetzen.
Storys, Reels und Hashtags
Los ging es mit einer Einführung und Trainingseinheit zu Instagram für die Mitarbeitenden der UZBs, um die pädagogische Begleitung der jungen Menschen durch diese zu gewährleisten. Auf dieser Basis und zusätzlich gestärkt durch Erkenntnisse aktueller Jugendstudien, wurde anschließend ein Design Thinking Workshop als Auftakt zur Arbeit mit den interessierten jungen Menschen durchgeführt. Durch die Corona-Pandemie gestaltete sich die Kontaktaufnahme zu potenziellen Teilnehmenden teilweise schwierig und auch der Workshop konnte nicht in Präsenz, sondern nur digital durchgeführt werden. Doch auch online waren ein Perspektivwechsel, eine kreative Herangehensweise an Probleme und gemeinsame Ideenentwicklungen möglich. Im Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin entstand so beispielsweise ein buntes Programm aus Beiträgen zum Thema Ernährung (z.B. Anleitungen zur Haferdrinkherstellung und Kohl-Fermentierung) und Beauty-DIY‘s (z.B. zu Lippenpflege und -peeling). Im NABU Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle wurde der Fokus auf Produkte des alltäglichen Lebens gelegt, z.B. die Herstellung eines eigenen Reinigungsprodukts.
Alle Anleitungen und Videos sind unkompliziert und kostengünstig nachzumachen. Begleitet werden sie von Informationen zu den äquivalenten herkömmlichen Produkten und der Reflexion des eigenen Konsumverhaltens. Neben diesen unterschiedlichen Beiträgen auf Instagram, die unter den Hashtags #DINOA, #ReflectAndAct, #einfachmalmachen sowie #nachaltigERleben zu finden sind, wurden außerdem Aktionskampagnen in den Zentren vor Ort veranstaltet. Dies ist besonders gut in der NABU Umweltwerkstatt Wetterau mit den „Aktionstagen ohne Plastikmüll“ gelungen. Bei diesen wurden u.a. in Workshops die Themen Mülltrennung und Müllvermeidung mit Jugendlichen thematisiert und ihre persönlichen Verhaltensweisen reflektiert.
Instagram mit links?
Ein Fazit der Teilnehmenden war, dass eine regelmäßige Interaktion auf Instagram sehr arbeits- und zeitintensiv ist. Die Beiträge benötigen Planung im Vorfeld, Bearbeitung im Nachgang und eine gewisse Kontinuität der Veröffentlichung, um überhaupt Reichweite zu generieren. Auch für die teilnehmenden jungen Menschen bestand eine wichtige Erfahrung darin, einmal selbst zu erleben, was nötig ist, um einen Beitrag professionell zu erstellen. Es stellte sich nämlich heraus, dass die meisten jungen Menschen Instagram eher passiv nutzen. So konnten sie einen Perspektivwechsel von der*dem Follower*in zum*zur Content Creator erleben. Damit fand die Kompetenzerweiterung nicht nur auf Seiten der UBZs statt, sondern auch bei den jungen Menschen.
Außerdem wurde festgestellt, dass kreative Instagram Posts das Interesse an Nachhaltigkeitsthemen bei Nutzer*innen wecken können, die sich sonst eher für andere Themen interessieren. Dies gelang dem Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin mit einer Nachhaltigkeits-Ballade in der Gaming-Szene. Auch wenn die Beiträge der jungen Menschen auf den Instagram- Kanälen der Umweltbildungszentren nicht besonders viele Nutzer*innen erreichen konnten, hat bereits das Erstellen der Beiträge bei den Teilnehmenden Denkprozesse angestoßen, die Reflexion des eigenen Verhaltens angeregt und ihnen die Möglichkeit gegeben, sich kreativ auszuprobieren. So wurde zum einen die Medienkompetenz gefördert und zum anderen ein Lernen auf mehreren Ebenen ermöglicht.
Influencing
Die Zusammenarbeit mit Influencer*innen gestaltete sich bei den meisten Modellprojekten schwierig und glückte nur, wenn auf bestehende Kontakte zurückgegriffen werden konnte. Erfolgreich war die Kontaktaufnahme vor allem bei sogenannten Sinnfluencer*innen. Diese beschäftigen sich hauptsächlich mit Themen des Klimaschutzes, der Umweltbildung oder BNE, stellen jedoch nur einen kleinen Anteil der erfolgreichen Influencer*innen dar. Aufgrund des speziellen Fokus und der wenigen Kooperationsmöglichkeiten haben sie tendenziell eine geringere Reichweite. Die Entscheidung mit einem*einer Influencer*in zu kooperieren, um Bildungsinhalte zu teilen, sollte außerdem gut überlegt sein. Denn Influencer*innen sind nicht nur Multiplikator*innen, sondern werden vermehrt als „persönliche Medien- und Marktunternehmen“ gesehen. Mit anderen Worten: Sie haben großen Einfluss, geben maßgeblich neue Trends vor und regen oft zum Konsum an. Jugendliche wählen sie nach Übereinstimmung der eigenen Interessen aus und können sie als Vorbilder ansehen.
Die Erfahrung aus den Modellprojekten hat gezeigt, dass bei einer Zusammenarbeit klare Kommunikation notwendig ist, damit von Anfang an deutlich ist, was die Zusammenarbeit beinhaltet und welche Art von Bewerbung der eigenen Projekte gewünscht ist.
Die Frage, welche Bedeutung soziale Medien und vor allem Instagram und Influencer*innen für die Bildung für nachhaltige Entwicklung haben, konnte im DINOA-Projekt in Ansätzen, jedoch nicht abschließend beantwortet werden. Durch die Zusammenarbeit zwischen Umweltbildungszentren und jungen Menschen konnte eine Auseinandersetzung mit eigenen Normalitätsvorstellungen und Konsumverhalten angeregt werden. Die jungen Teilnehmenden nutzten die Möglichkeit, sich kreativ in die Nachhaltigkeitskommunikation einzubringen und dadurch Medienkompetenzen zu erlangen sowie Anregungen für eine nachhaltige Alltagsgestaltung zu bekommen. In den UBZs wurde wiederum ein Grundstein dafür gelegt, Social Media zukünftig vermehrt in Bildungskontexten einzusetzen. Damit dies zielführend ist, braucht es jedoch ein durchdachtes Konzept und eine längere Laufzeit als es im Rahmen des Projekts möglich war.
Autorinnen und Kontakt:
Julia Pesch: pesch(at)anu.de, 069 / 977 833 93 und Fiona Specht: specht(at)anu.de
Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband e.V.