Liebe Jenny,
du arbeitest hauptamtlich sehr erfolgreich für den ANU Landesverband Hessen und bist ehrenamtlich Mitglied im Sprecherrat des ANU Bundesverbands. Du hast Erfahrungen auf Landes- und Bundesebene.
1. Wie stellst du dir eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Landesverbänden und ANU Bundesverband in Zukunft vor, welche Potenziale siehst du?
Klar ist, jedes Bundesland hat seine spezifischen Themen, Projekte und Partner. Jeder Landesverband hat unterschiedliche Ausgangslagen, auf denen seine Arbeit aufbaut. Bildungspläne, Netzwerkstrukturen oder Zuständigkeiten in Ministerien und Verwaltung, hier gibt es zum Teil große Unterschiede. Für Hessen kann man feststellen, dass es bestimmte Strukturen gibt, die Bestrebungen, Bildung für nachhaltige Entwicklung entlang der Bildungskette zu verstetigen, an der ein oder anderen Stelle positiv begünstigen. Das kann in einem anderen Bundesland ganz anders aussehen. Dennoch kann zu ausgewählten Themen ein Austausch über Ländergrenzen hinweg sinnvoll sein. Hier kann es die Rolle des Bundesverbandes sein, aufgrund von Anfragen aus den Landesverbänden, solche Themen zu identifizieren und einen Austausch herzustellen und zu moderieren. Ebenfalls klar ist, dass das natürlich eine Frage der personellen und finanziellen Ressourcen ist – auf beiden Seiten. Eine Idee könnte es sein, künftig Projekte auf Bundesebene gezielter gemeinsam mit Vertreter*innen der Länderebene zu entwickeln, sie als Umsetzungspartner einzubeziehen und sie mit entsprechenden Ressourcen auszustatten. So könnten Landesverbände und Bundesverband gegenseitig vom Erfahrungsaustausch zu aktuellen strukturellen Themen, wie dem Ausbau von Bildungslandschaften oder dem Whole Institution/School Approach profitieren.
2. Wo hat der ANU Bundesverband aus deiner Sicht seine größten Stärken und worin könnten in Zukunft Herausforderungen bestehen?
Der ANU Bundesverband ist am Puls der Zeit. Aktuelle Entwicklungen, sei es pädagogischer, inhaltlicher oder politischer Art hat der Bundesverband auf dem Schirm und entwickelt Lösungen für gesellschaftliche Probleme oder Herausforderungen. Ich erinnere mich beispielsweise an Projekte mit und für Geflüchtete, Programme zur Biodiversitäts- oder Transformationsbildung, Klimaschutzbildungsprogramme oder aktuell verschiedene Vorhaben mit Fokus auf Digitalisierung. Der Bundesverband kann sich mit seinen Projekten gut auf neue Herausforderungen einstellen. Auch intern steht der Bundesverband nicht still und entwickelt sein Selbstverständnis stetig weiter. Gerade im neu aufgesetzten BNE-Verständnis wird deutlich, dass die Postwachstumsbewegung und die SDGs auch im Bundesverband eine wichtige Rolle spielen. Eine Herausforderung in der Arbeit als Verband, der Mitglieder aus den Bereichen Naturpädagogik, klassischer Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung unter seinem Dach vereint, wird es sein, die vielfältigen Interessen und Bedürfnisse der sehr unterschiedlichen Mitglieder im Blick zu behalten. Insbesondere das Thema Digitalisierung und BNE hat schon ein gewisses Potenzial, die Mitglieder in zwei Lager zu spalten, befürchte ich. Hier werden die nächsten Jahre zeigen, wie sich die Bildungsarbeit bei den Mitgliedern und im Bundesverband durch den Corona-bedingten Digitalisierungsschub verändern wird und wie das mit den Grundprinzipien von BNE zusammengebracht werden kann. Im Dialog mit den Mitgliedern kann aber auch diese Herausforderung gemeistert werden.
3. Stell dir die ANU in 30 Jahren vor. Wir schreiben das Jahr 2050 – historisch, wenn man bedenkt, dass wir dann laut dem Pariser Klimaabkommen klimaneutral leben sollten. Was macht die ANU 2050 – was ist deine Vision?
Klimaneutralität ist, selbst wenn sie erreicht ist, sicherlich nicht statisch. Gesellschaften und Menschen entwickeln sich immer weiter. Die Welt steht nie still, keiner kann genau sagen, welche neuen und weiteren Herausforderungen ein klimaneutrales Leben mit sich bringen wird und welche anderen Herausforderungen uns 2050 umtreiben. Selbst wenn ich positiv denke und wir es schaffen, 2050 klimaneutral zu leben, wird die ANU weiterhin eine wichtige Daseinsberechtigung haben, um Menschen zu befähigen und dafür zu sensibilisieren, dass wir als Gesellschaft Verantwortung tragen – für unseren Planeten samt seiner faszinierenden Ökosysteme, für unsere Kinder und Enkel, in Deutschland und über unsere Landesgrenzen hinweg. Da ist der Klimawandel nicht das Einzige, was im Blick bleiben muss. Auch Artensterben, Populismus oder Ressourcenknappheit werden von uns weitere kreative Ideen abverlangen. Lebensstile werden sich verändern und wandeln müssen. Gestaltungskompetenzen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung werden damit wichtiger denn je. Ob vorausschauendes Denken und Handeln oder die Fähigkeit, in einer immer komplexer werdenden Welt, Informationen richtig einzuordnen und kritisch zu bewerten, all das sind Kompetenzen, die wir auch noch 2050 benötigen werden, um aktiv Probleme in die Hand zu nehmen und gemeinsam für sie Lösungen zu entwickeln.