Lieber Jürgen, schauen wir zurück auf die ersten ANU-Jahre 1990-2000. In Berlin war gerade die Mauer gefallen, auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro wurde die Agenda 21 beschlossen und über Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sprachen noch die wenigsten.
1. Warum und wie wurde die ANU 1990 gegründet?
Es gab bereits seit 100 Jahren einige außerschulische Bildungseinrichtungen, in der Schule aber wurde das Thema Umwelt kaum aufgegriffen. Viele Lehrkräfte wollten dies ändern und zugleich weg vom Frontalunterricht. Deshalb gingen sie mit ihren Klassen in außerschulische Umweltbildungseinrichtungen, die etwa ab 1980 in großer Zahl entstanden. Einige Leiter*innen dieser Umweltzentren gründeten einen lockeren Verband, luden im September 1988 zur Tagung „Wege zur Natur- und Umwelterziehung“ ins Biologie-Zentrum Bustedt in NRW ein und warben für die Gründung eines Vereins mit Namen „Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umwelterziehung“, kurz ANU. Als erstes gemeinsames Projekt, um bekannter zu werden, veröffentlichten sie den Band 1 der neuen ANU Schriftenreihe: ein westdeutsches Verzeichnis mit rund 110 Umweltbildungseinrichtungen.
Als dann 1989 plötzlich die Grenze auf war, stellte man fest, dass Zentren in West und Ost sich gar nicht kannten. So organisierte die ANU 1990 ein erstes gesamtdeutsches Treffen im Berliner Ökowerk am Teufelssee, zu dem rund 200 Personen kamen. Sie gründeten den Verein Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umwelterziehung e.V. und bestimmten einen 13-köpfigen „Sprecherrat“ (Vorstand), der Dr. Hermann Diekmann aus dem Biologie-Zentrum Bustedt als 1. Vorsitzenden wählte.
Das erste gesamtdeutsche Umweltbildungsverzeichnis der ANU (1991) listete 205 „Umweltzentren in Deutschland“ auf, die erweiterte Fassung (1996/97) bereits 479 Einrichtungen.
2. Welche Themen und Aktionen bewegten die ANU in ihren ersten Jahren?
Natur und Biologie im Freien standen zu Beginn der ANU im Mittelpunkt. Das lag daran, dass die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft als Patin der ANU bereits 1987 in einer „Resolution zur Natur- und Umwelterziehung“ gefordert hatte, dass Schulen mehr praktische Naturerfahrung vermitteln sollen. Hierzu seien außerschulische Umweltbildungseinrichtungen nötig, die durch die öffentliche Hand finanziert werden müssen.
Gerhard Winkel, Direktor des Schulbiologiezentrums Hannover, ein großer Förderer der ANU, war von der Notwendigkeit eines die Schule ergänzenden außerschulischen Angebots überzeugt.
In der jungen ANU gab es aber auch viele Mitglieder, die nicht nur die Naturphänomene, sondern die Gefährdung der Natur und die Umweltzerstörung in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellten. Die Themen der Bundestreffen in den ersten 10 Jahren spiegeln daher die Umweltpolitik jener Jahre wider und zeigen, wie fortschrittlich man damals dachte, z.B
- „Schutz der Erdatmosphäre – eine Herausforderung an die Bildung, an die Umweltzentren, an die Schulen...“ (1991, Bustedt)
- „Ozonkampagne – und danach? Neue Projekte und Kooperationen in der Umweltbildung“ (1994, Schulbiologiezentrum Hannover)
- „Umweltbildung und Agenda – eine Zwischenbilanz der Umweltzentren“ (1997, Gut Sunder)
- „Nachhaltige Regionalentwicklung – eine Aufgabe für Umweltbildungseinrichtungen?“ (1998, Brandenburg)
- „Naturpädagogik als Baustein einer Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2000, Projekt ANU 2000)
- 1996: Der Sprecherrat tagt unter dem Titel „Neue Wege in der Umweltbildungsarbeit des Bundessprecherrates“ im Schulbologiezentrum Kassel. Von links nach rechts: Hermann Diekmann, Hans-Martin Kochanek, Martin Schlichtenberger, Michael Duhr (unten), Johann-Wolfgang Landsberg-Becher (oben), Birgitt Fitschen, Carlo Engstfeld, Martina Schmidt-von Boeselager, Lukas Laux, Hans Stuik (†) (unten), Jürgen Forkel-Schubert (oben), Klaus Lindner (†), Regina Urban, Eberhard Reese.
3. Was waren in dieser Zeit die größten Herausforderungen und Erfolge?
Eine große Herausforderung war zunächst der Aufbau eines funktionierenden bundesweiten Dachverbands für Umweltzentren. Hier leisteten die größeren Umweltzentren die Basisarbeit und stellen ihre räumlichen, finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung, denn es gab und gibt keine institutionelle Förderung.
Um auf Länderebene Lobbyarbeit machen und Fördermittel beantragen zu können, wurden ab 1992 in 12 Bundesländern ANU Landesverbände gegründet.
Das Nebeneinander von Bundesverband und Landesverbänden brachte viele Fragen mit sich: Corporate Design, Darstellung im Internet, Vertretung gegenüber Förderinstitutionen oder die finanzielle Verteilung der Mitgliedsbeiträge mussten geregelt werden.
Ein wichtiger Punkt war die Öffentlichkeitsarbeit. Durch eine Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt für das Projekt „ANU Netzwerk“ (1996-1999) konnte die ANU ihre Präsenz im Internet (www.umweltbildung.de) aufbauen, E-Mail-Verteiler anlegen und unzählige Beratungen und Fortbildungen durchführen.
1999 veröffentlichten die drei großen bundesweiten Verbände, ANU, Deutsche Gesellschaft für Umwelterziehung (DGU) und Gesellschaft beruflicher Umweltbildung (GbU), ein „Gemeinsames Bildungsprogramm für nachhaltige Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland“, in dem sie eine Weiterentwicklung der Umweltbildung forderten und die Entwicklung in Richtung BNE aufzeigten. Das war ein wichtiger Meilenstein für die Zukunft der Umweltbildung in Deutschland.