Politische Bildung für nachhaltige Entwicklung – Bildung im Spannungsfeld von Ökonomie, sozialer Gerechtigkeit und Ökologie.
(Peter, Horst / Moegling, Klaus / Overwien, Bernd)

Die völlig überarbeitete Ausgabe des Bandes verortet den Nachhaltigkeitsbegriff in einer pädagogischen und politikwissenschaftlichen Weise, um den politikdidaktischen Wert von nachhaltiger Entwicklung und Bildung für nachhaltige Entwicklung einzuführen. Die drei Autoren spüren dem Begriff der Nachhaltigkeit in Bildungsprozessen nach, und decken theoretische wie empirische Fallstricke, vor allem aber Chancen und Potentiale der (politischen) Bildung für nachhaltige Entwicklung auf.
Nach der schlaglichtartigen Diskussion verschiedener Kritiken des Konzepts nachhaltiger Entwicklung, sondieren die Autoren die analytischen und kritischen Potentiale des Konzepts selbst, und im Hinblick auf verschiedene gesellschaftliche Handlungsfelder (Ökologie, Wirtschaft, Bildung, Gesundheit, Gesellschaft). Die in der Schule und andernorts institutionalisierten Bildungsprozesse und die Verfasstheit der Gesellschaft als demokratische (und damit gestaltbare) teilen folgende Bedingugnen: Die Mündigkeit der Zivilgesellschaft, Lernprozesse für Mündigkeit, wie auch das Erkennen nicht nachhaltiger gesellschaftlicher Verhältnisse aus einer systemischen Perspektive sind nicht ohne partizipative Bildungskonzepte denkbar.
Politisch-demokratische Prozesse und Bildungsprozesse haben gemein, dass den Subjekten innerhalb dieser Prozesse Partizipation durch wechselseitige Bezugnahme ermöglicht werden sollte. Gerade um weiteren Zerfaserungen des Konzepts nachhaltiger Entwicklung vorzubeugen (Stichworte: nachhaltige Rendite, nachhaltige Steuerpolitik, nachhaltige Kriminalitätsbekämpfung), ist es geboten diesen Zusammenhang nicht aus dem Blick zu verlieren. In diesem Sinne thematisiert Politische Bildung für nachhaltige Entwicklung Interesse und Kompromiss, schreckt jedoch nicht von den Kategorien Macht und Konflikt zurück. In Bildungsprozessen gilt es vielmehr diese dynamischen und komplexen Spannungsfelder (Ökologie und Ressourcenextraktion, Arbeit und Kapital, Geschlechterverhältnisse) aufzugreifen, und lebensweltnah zu thematisieren.
Politische Bildung für nachhaltige Entwicklung bedingt es in Bildungsprozessen systemische Betrachtungsweisen zu etablieren, die den Subjekten dieser Lernprozesse erlauben in reflexiv-partizipativer Gestaltung die politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen der Gesellschaft und ihrer (bislang noch nicht nachhaltigen Reproduktion) durch das eigene und kollektive Handeln zu verändern.
In der Praxis darf Bildung für nachhaltige Entwicklung, so die zentrale Eingangsthese der Autoren, weder Themen nachhaltig Entwicklung dekontextualisieren (und damit eben beliebig machen), noch darf sie in naturalisierender Weise eine „Moralisierung von oben“ vornehmen.
In dieser Art verstanden kann Bildung für nachhaltige Entwicklung Lehrende und Lernende in die Situation versetzen, um Verhältnisse nicht-nachhaltiger Entwicklung zu demaskieren, und – positiv gewendet – nach eigenen, nachhaltigeren Wegen zur Gestaltung der Lebensverhältnisse zu suchen. Systematisch arbeiten die Autoren deshalb die Potentiale der Bildung für nachhaltige Entwicklung für die Beschäftigung mit verschiedenen gesellschaftlichen Feldern im Politikunterricht und benachbarten Fächern, aber auch bezüglich der Schulprojektarbeit sowie Ansatzpunkte einer Restrukturierung der Lehreraus- und –Weiterbildung hinsichtlich der BNE heraus.
Konkret schlüsselt das Buch methodologische und didaktische Besonderheiten der BNE auf, und stellt praxisorientierte Modelle und Unterrichtsversuche für BNE in der Schule dar. Zahlreiche Beispiele aus der Unterrichtspraxis zeigen, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule aussehen kann. Ein umfangreicher Dokumententeil mit Originaldokumenten aus der Nachhaltigkeitsdiskussion und den UN- bzw. UNESCO-Initiativen zu BNE runden den Band ab. Die Dokumente geben Leser_innen Gelegenheit zur vertieften Lektüre, können aber ebenso im Unterricht eingesetzt werden. Aus der pädagogischen Praxis unterziehen die Autoren die Bildung für nachhaltige Entwicklung einem Test am „interaktiven Ernstfall“. Daran wird deutlich, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung nicht die in der Bildungsinstitution Schule verdichtete Themenstruktur und Didaktik unberührt lassen kann, sondern Schulstrukturen und Lehreraus- und Fortbildung notwendigerweise verändern muss, da ein „nachhaltiges Politikverständnis auf demokratischen Partizipation abzielt und nicht in autoritärer Vermittlung gewissermaßen „eingetrichtert“ werden kann“ (S. 10).
Horst Peter / Klaus Moegling / Bernd Overwien:
Politische Bildung für nachhaltige Entwicklung. Bildung im Spannungsfeld von Ökonomie, sozialer Gerechtigkeit und Ökologie.
In: Reihe Erfahrungsorientierter Politikunterricht, Bd. 4. Kassel (Prolog-Verlag), 2011.
290 Seiten
ISBN: 978-3-934575-66-0
28,80€
(Eintrag vom 19.04.2012)