Kompetent in Selbstorganisation und in der Begleitung informellen Lernens stellten sich Umweltzentren bei einer bundesweiten ANU-Tagung unter dem Motto „Umweltzentren als starke Partner“ vor. Sie bieten damit sowohl lokalen Nachhaltigkeitsinitiativen als auch der beginnenden Dekade der Vereinten Nationen zur Bildung für nachhaltige Entwicklung ihre Zusammenarbeit an.
Vom 6.-8. Dezember 2004 besuchten gut 70 Teilnehmende die Abschlusstagung des vom ANU-Bundesverband und econtur geleiteten Projekts „aktiv für Nachhaltigkeit“ im Jugendhof Vlotho. Die Potenziale der Umweltzentren zur Begleitung von Nachhaltigkeitsinitiativen und zur Unterstützung informeller Lernprozesse wurden diskutiert und erfolgreiche Beispiele aus der Regionalentwicklung, der Lokalen Agenda 21, zum ÖPNV-Nutzung von Jugendlichen und einem Kleingartenverein im Ruhrgebiet vorgestellt. Gastreferenten aus Politik, Sozialwissenschaften und Organisationsentwicklung trugen durch aktuelle Beiträge zur Fortbildung der anwesenden UmweltpädagogInnen bei. Prominenter Eröffnungsredner war Ernst Ulrich von Weizsäcker.
Resümee der Tagung
Organisationsentwicklung kann erfolgreich zur Verbesserung der Arbeit von Nachhaltigkeitsinitiativen und Umweltzentren eingesetzt werden. Die Begleitung der Nachhaltigkeitsinitiativen schafft einen förderlichen Rahmen für intensive informelle Lernprozesse.
Auch zu einem abstrakten Thema gelingt es, eine erfolgreiche ANU-Bundestagung durchzuführen. Alte und junge Generation der Leiterinnen und Leiter von Umweltbildungseinrichtungen brachten großes Interesse an Innovationen und an Offenheit zum kollegialen Austausch mit. Auch dann, wenn es ans „Eingemachte“ der eigenen Organisation und Arbeitsweise ging. Die vorgestellten Beispiele und Methoden zur Organisationsentwicklung überzeugten die Teilnehmenden und weckten Interesse an weiteren diesbezüglichen Fortbildungen. Die wirtschaftlich enger gewordene Situation vieler Zentren wirkte sich in allen Diskussionen aus. Markt- und Eventorientierung verspricht hier vielleicht Erfolge, verlangt aber auch nach klaren Qualitätszielen. Besonders da es um Nachhaltigkeit geht, deren breit interpretierbaren Ziele und Leitbilder die Gefahr der Marginalisierung der ökologischen Dimension mit sich bringen. In informellen Lernprozessen, um die es hier vor allem geht, lassen sich allerdings zwar die Rahmenbedingungen setzen, die Inhalte und Lernziele aber noch schwerer als in ausgewiesenen Bildungsveranstaltungen steuern. Dies ist einerseits für manch eingefleischten Pädagogen nicht leicht zu akzeptieren. Andererseits bieten gerade die Anlässe für informelles Lernen vielleicht eine größere Chance Nachhaltigkeit breit zu verankern, als es die formale „organisierte“ Bildung trotz bester Absicht je schaffen wird. Umweltzentren tragen zu beidem bei und können sich dadurch als vielversprechende Institutionen auch für die bevorstehende UN-Dekade präsentieren.
E.U. v. Weizsäcker beklagt mangelnden Mut der Politik
Zu Beginn der inhaltlich dichten Tagung beleuchtete Ernst Ulrich von Weizsäcker den Nachhaltigkeitsbegriff aus politischer Sicht und beklagte die zu geringe Stellung der Ökologie im Nachhaltigkeitsdreieck sowie den geringen Mut der Politik, offen die globalen Probleme beim Namen zu nennen. Den Umweltzentren empfiehlt er eine Unterstützung der Effizienzrevolution, die rationale Kommunikation über die Notwendigkeit der ökologischen Steuerreform die Aufmerksamkeit für die emotionale Ausstattung der Menschen. Desweiteren Kontakte zur Wirtschaft, zur Kommunalpolitik, zu Ingenieuren und zu Pädagogen anderer Disziplinen.
Umweltgerechtigkeit - ein neues Konzept
Michael Wehrspaun vom Umweltbundesamt stellte engagiert ein neues Konzept der Sozialwissenschaften - die „Umweltgerechtigkeit“ vor. Seine Zieldimensionen in der "Nachhaltigkeitsfahrrinne sind Ressourcenschutz Lebensqualität Integration innerhalb und zwischen Kulturen und die Sicherung der Zukunft des Fortschritts im Sinnen von Erhaltung von „Evolutionsfähigkeit“. In diesem zusammenhang forderte er mehr Sinnkommunikation statt Nutzenkommunikation. Aufgabenstellungen für Umweltzentren siht er in Fördrung integrativem Denkens, dem Wissenstransfer für nachhaltige Lebensstile und die Aktivierung der zivilgesellschaftlichen Potenziale.
Veränderungsmanagement - eindrücklich präsentiert
Brillant präsentierte die Psychologin und Organisationsentwicklerin Katja Vittinghoff mit zahlreichen Bildern und Filmen. Ausgehend von der Hirnforschung (z.B. zu Musterwechsel und Trägheitsprinzip erläuterte sie die Grundlagen von Selbstorganisation und Veränderungsmanagement und berichtete aus ihren Erfahrungen in der Beratung der Zentren.
Dass Zentren und Initiativen in der konkreten Zusammenarbeit viel erreichen können, belegten die Berichte der acht „Kernzentren“ des Projekts Nachhaltigkeitsinitiativen über die Lernprozesse in ihren Einrichtungen und Partnerinitiativen.
Regionalentwicklung und informelles Lernen
Im Workshop zur Regionalentwicklung diskutierten die Teilnehmenden über die Rolle des informellen Lernens. Einig war man sich, dass z.B. Bauernmärkte und die Zusammenarbeit in Regionalvermarktungsinitiatien durchaus Anlässe für lebenslanges Lernen schaffen. Ob man hiermit aber dem Anspruch einer Bildung für nachhaltige Entwicklung gerecht wird, wurde kontrovers diskutiert. Auch bei der Förderung der ökologischen Landwirtschaft müssen Kompromisse eingegangen werden da vielerorts einfach nicht genügend Biobauern ansässig sind. VerbraucherInnen nehmen die Unterscheidungen bei Regionalmärkten oder Einkaufslisten zwischen Bio und konventionell nicht ausreichend war.
So steht die Gefahr der Verwässerung ökologischer Ziele der gewünschten Breitenwirkung gegenüber.
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit
Reiner Rück vom Umweltpädagogischen Zentrum der Stadt Nürnberg (UPZ) stellte im Marketing-Workshop die Kooperation mit dem Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) vor. Gemeinsames Marketing steht schon seit vielen Jahren im Mittelpunkt der Kooperation, die mit dem „Ökoplaner“, einem gemeinsamen Veranstaltungsprogramm aller Nürnberger Anbieter begann. Seit 2004 wird ein umfangreiches Web-Angebot unter dem Motto „Pauk&Ride entwickelt, das sich an Jugendliche und an Lehrerinnen und Lehrer richtet. Kooperationen entlang der eigenen Stärken zu entwickeln und große Projekte mit kleineren gemeinsamen Vorhaben vorzubereiten war Rück´s Empfehlung. In anschließenden Kleingruppen wurden für zwei Einrichtungen Ansätze für Marketing-Konzepte und Kooperationen entwickelt. Das Thema Mobilität wurde dabei vom Verein Umweltlernen aus Frankfurt aufgegriffen und auf das dort angesiedelte Grüngürtel-Projekt übertragen.
Fortbildungsbedarf zur Orientierung am Markt
Die Orientierung am Markt war Thema eines weiteren Workshops, der den Nerv vieler von Kürzung der öffentlichen Haushalte betroffenen Einrichtungen traf. Dass Bildung nur begrenzt marktfähig ist, liegt auf der Hand, wo jedoch die Grenzen liegen und wo die Chancen bestehen wurde unter Leitung von Ralf Hufnagel diskutiert. Man wünscht sich neben der Sicherung der längerfristigen Finanzierung auch PR-Effekte und neue Zielgruppen. Wiedersprechende Einschätzungen reichten von Angst vor dem Flexibilitätsverlust bis zur Hoffnung auf neue Impulse. Fortbildungsbedarf im betriebswirtschaftlichen/kaufmännischen Bereich besteht bei der Mehrheit der UmweltpädagogInnen.
Zusammenarbeit mit Partnern aus UNESCO und Verbänden gewünscht
Am dritten Tag öffnete sich der Kreis noch mal für Gäste aus Politik und anderen Verbänden. Alexander Leicht von der Deutschen UNESCO-Kommission stellte den Hintergrund der UN-Dekade „Bildung für Nachhaltige Entwicklung 2005-2014“ vor und den Stand der Vorbereitungen in Deutschland. Dass die Bundesregierung kein Geld für die dezentralen Projekte zur Verfügung stellt und fast ausschließlich auf Eigeninitiative der Akteure setzt, stieß auf Ernüchterung der wirtschaftlich schwachen freien Bildungsträger, die mehr Unterstützung bei Weiterentwicklung und flächendeckendem Transfer Bildungskonzepte zur Nachhaltigkeit benötigen.
Ob und wie Bündnisse weiterhelfen können wurde bei der abschließenden Podiumsdiskussion erörtert. Herrr Köster vom Verband der Naturparke, Herr Westermann von future e.V., einem Verband von Unternehmen, und Herr LaFond von der UFA-Fabrik Berlin/Verband soziokultureller Zentren fanden mit Herrn Wehrspaun und Frau Dieckmann gemeinsame Ansatzpunkte für eine zukünftige engere Zusammenarbeit.