Umweltbildung am Meer: Digitale Stranderkundung mit dem BeachExplorer

Neuerungen in der digitalen Welt verknüpfen analoge Entdeckungen am Strand mit dem weltweiten Netz. Mit der Webplattform „BeachExplorer.org“ können auch Laien Strandfunde bestimmen und melden. Sogar grenzüberschreitend. Damit ergeben sich auch neue Chancen in der Umweltbildung. Die bisher bekannten Citizen-Science-Plattformen naturgucker.de und Ornitho.de richteten sich primär an „vorgebildete“ NaturbeobachterInnen.

Während YouTube, WhatsApp und Ballerspiele in der Gesamtheit eher zur Naturentfremdung beitragen, gibt es auch digitale Errungenschaften, die der Umweltbildung völlig neue Chancen eröffnen. Die Digitalfotografie bietet die Möglichkeit, Naturphänomene kostenneutral und blitzschnell zu dokumentieren und via Smartphone sofort weiterzugeben. Das Smartphone selbst erlaubt den Zugang zum Wissen im Internet und – mit entsprechenden Apps – auch eine sehr komfortable Artenbestimmung. Während früher Bestimmungsschlüssel auf Papier gekauft und mitgeschleppt werden mussten, ist es heute leicht möglich, digitale Bestimmungshilfen jederzeit verfügbar zu haben.

Der BeachExplorer ist eine Webplattform zur Bestimmung und Meldung von Strandfunden und wird aus dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt finanziert. Im Gegensatz zu den bundesweit verbreiteten Citizen-Science-Plattformen naturgucker.de und Ornitho.de richtet sich der BeachExplorer auch an naturkundlich unerfahrene Strandbesucher, die einen Einstieg in die Artenbestimmung benötigen, ehe sie Funde melden können. Als App oder Onlineversion soll es Interessierten ermöglichen, praktisch jeden Strandfund an der Nordsee ohne zusätzliche Fachliteratur zu identifizieren. Das Artenspektrum und das Gebiet, aus dem Funde in die Datenbank gemeldet werden können, reicht von der niederländischen Küste (Den Helder) bis nach Stavanger in Südnorwegen und bis zum Öresund in Schweden. Südlich der Dänischen Belte schließt nahtlos der BalticExplorer an, dessen Erfassungsgebiet bis zur Odermündung (Polen) reicht.

Für die beiden Explorer wurde von der Schutzstation Wattenmeer ein bildbasierter Bestimmungsgang entwickelt, bei dem jeweils aus bis zu zehn Alternativen die zutreffende angeklickt wird (polytomer Bestimmungsschlüssel). Nach fünf bis maximal sieben Klicks ist jeweils das Artenniveau erreicht, wobei uneindeutige Arten über mehrere Wege erreichbar sind. Insgesamt enthält der BeachExplorer derzeit über 2.000 verschiedene Typen von Strandfunden – von Auster und Brett bis Wasserball und Zitterrochen. Einige Arten sind auch mehrfach vertreten, beispielsweise der Austernfischer als Vogel, als Ei, als Schädel, als Flügel und mit seinen Fuß- und Stocherspuren.

Seit Ende 2014 sind knapp 20.000 Fundmeldungen vor allem von selteneren, gut erkennbaren Arten eingegangen. Es wurden mehrere Arten nachgewiesen, die aus Deutschland regional oder insgesamt noch unbekannt waren; sogar ein Erstfund für die gesamte Nordsee gelang. Für statistische Auswertungen sind die Funddaten allerdings nicht nutzbar, da sie unsystematisch über Raum, Zeit und Artengruppen verstreut sind. Durch besonders aktive UserInnen sind einige Strände wie Sylt, Eiderstedt, Rømø und Spiekeroog bereits gut untersucht. Aus den Niederlanden gibt es noch wenige Funde, da dort bislang für die niederländische Version des BeachExplorers keine Werbung betrieben wurde. Die Website und auch die App sind viersprachig angelegt, auf Deutsch, Englisch, Dänisch und Niederländisch.

Bislang haben etwa 10.000 UserInnen die App zum BeachExplorer heruntergeladen, wobei über 70 Prozent die App auch behalten. Dies ist fast das Dreifache der sonst bei kostenlosen Apps üblichen Behaltensrate. Etwa 1.000 UserInnen sind namentlich auf der Plattform registriert und melden tatsächlich Funde. Dies bedeutet, dass der BeachExplorer in erster Linie als „Bestimmungsbuch“ spazieren getragen wird, während das aktive Melden nur von einer Minorität praktiziert wird. Um die aktive Nutzung und Fundmeldung zu fördern, ist ein anonymes Meldeverfahren in Vorbereitung. Damit soll die Hemmschwelle, sich mit persönlichen Daten zu registrieren, umgangen werden. Insgesamt zeigt die positive Resonanz vieler UserInnen, dass vor allem die bildgestützte Bestimmungshilfe als sehr hilfreich empfunden wird.

Die Ansprache neuer UserInnen in den verschiedenen Regionen des Wattenmeeres erfordert eine gezielte Werbung über die Nationalpark- und Tourismuszentren. Idealerweise würde in jeder Ferienwohnung an der Nordsee ein Infoflyer zum BeachExplorer in der jeweiligen Landessprache ausliegen. Es ist durchaus eine Herausforderung, im heiß umkämpften Tourismussektor professionelle Werbung für ein Umweltbildungsangebot zu betreiben. Immerhin wurde der BeachExplorer Anfang 2017 mit der Goldenen Palme, dem deutschen Reisepreis der Zeitschrift Geo Saison ausgezeichnet. Eine mit erfahrenen TouristikerInnen aus Reiseunternehmen, Medien und Hochschule besetzte Jury erklärte den BeachExplorer in der Kategorie „Destinationen“ zum weltweit innovativsten touristischen Angebot – für ein Projekt der Umweltbildung eine sicher außergewöhnliche Auszeichnung!

Rainer Borcherding, Biologe, Schutzstation Wattenmeer e.V.,

www.beachexplorer.de