Die Umsetzung der 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung: Ein Marathon

Die neue Kampagne „Ziele Brauchen Taten – Sport im Westen“ von RENN.west (Regionale Netzstelle Nachhaltigkeitsstrategien West), an der auch die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Hessen e.V. beteiligt ist, richtet den Fokus zur Umsetzung der 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs) auf Sportvereine, Sportverbände, deren Ehrenamtliche, Funktionionär*innen, Sportbegeistere und Fans. Die Fokussierung auf Sport kommt dabei nicht von ungefähr. Allein in der Region RENN.west, zu der das Saarland, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zählen, sind etwa 9 Millionen Menschen in 35.000 Sportvereinen aktiv. Bundesweit betreibt fast jede*r zweite Jugendliche Sport in einem Verein und wöchentlich fiebern zahllose Fans bei Sportereignissen mit – wie im Juni und Juli gerade wieder zur Fußball-Europameisterschaft. So liegt es auf der Hand zu fragen „Welchen Beitrag kann und sollte Sport zur Umsetzung der SDGs leisten?“ und „Wie können Sportakteure als Teil des Teams zur Umsetzung der 17 Ziele gewonnen werden? Welche Ansprachewege gibt es und wie können Umweltbilder*innen und Multiplikator*innen im Bereich BNE Partner für eben diese Akteure sein oder werden?
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, nachhaltige Entwicklung im und durch Sport direkt zu stärken. Doch wie hängen Sport und die 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung im Konkreten zusammen? Und welchen Beitrag kann Sport, auch in Kombination mit Bildung, leisten, um an der Umsetzung der 17 Ziele mitzuwirken? Die Arbeit rund um die Kampagne von RENN.west greift diese Fragen auf und verschafft ersten und auch bereits länger erprobten Praxisbeispielen Aufmerksamkeit. Damit möchte die Kampagne Anregungen zur Weiterarbeit am Thema geben und bisher weniger beleuchtete Bereiche in den Fokus rücken.
Die Themen für Sportverbände und  vereine reichen dabei von praktischen Fragen zu Lieferketten von Sportgeräten und -bekleidung über Energieverbräuche der Sportstätten und Mobilitätskonzepte bei Großveranstaltungen bis hin zum Leben und Vermitteln ganz zentraler gesellschaft-licher Werte wie Toleranz, Fairness und Respekt.
Mit Hilfe praktischer Beispiele aus der RENN.west Region und darüber hinaus möchten wir diese genauer beleuchten. Hieraus ergeben sich auch bisher wenig genutzte Wirkungsmöglichkeiten für Umweltbildner*innen und Multiplikator*innen, um über das Thema ihre BNE-Inhalte zu platzieren.

Soziales Miteinander

  • SDG 1: Keine Armut
  • SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen
  • SDG 4: Hochwertige Bildung
  • SDG 5: Geschlechtergleichheit
  • SDG 10: Weniger Ungleichheiten
  • SDG 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
  • SDG 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

Ein Beispiel aus der RENN.west Region ist das Programm „Sport für alle Kinder“ des Hessischen Landessportbundes, das sich an Vereine richtet und diese fördert, wenn sie Sportangebote für von Armut betroffene Kinder ermöglichen. Auch Ganztagsangebote von Schulen in Kooperation mit Sportvereinen ermöglichen Kindern jeden Alters einen positiven Zugang zu Sport. Dies dient wiederum indirekt langfristig der Gesundheitsförderung. Durch niedrigschwellige Schnupperkurse bekommen auch ggf. benachteiligte Kinder die Möglichkeit, sich zu erproben und weiterzuentwickeln, z.B. im TV Dienheim in Rheinland-Pfalz, dessen soziales Engagement 2004 mit der Fritz-Wildung-Plakette gewürdigt wurde.
Eine zentrale Rolle können auch gemein-nützige Organisationen wie OneTeam aus Frankfurt am Main spielen. Mit ihren mit Projekt Nachhaltigkeit ausgezeichneten Sportprojekten für Kinder und Jugendliche schlagen sie sogar Brücken in andere Länder und fördern Werte wie Gleichberechtigung, Teamgeist und Respekt.
So können informelle, non-formale und formale Bildungsangebote genutzt werden, um über den Sport Probleme im sozialen Miteinander zu thematisieren und zu beseitigen.

Nachhaltige Bewirtschaftung   

  • SDG 6: Sauberes Wasser uns Sanitäreinrichtungen
  • SDG 7: Bezahlbare und saubere Energie
  • SDG 13: Massnahmen zum Klimaschutz
  • SDG 14: Leben unter Wasser

Ein weiteres wichtiges Themenfeld ist die nachhaltige Bewirtschaftung im Sport. Klimaschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen in Sportstätten fallen ebenso darunter wie Fragen der umweltgerechten Bewässerung. Bundesweit gibt es hierfür verschiedene Fördermaßnahmen, weshalb diese Themen in Sportvereinen einen vergleichsweise hohen Stellenwert haben.
Landessportbünde beraten mit ihren Öko-Check-Angeboten zu diesen und weiteren Themen und auch der Deutsche Olympische Sport Bund stellt unter „Klimaschutz im Sport“ entsprechend umfassend aufbereitete Informationen und Hilfestellungen bereit.
Solche Maßnahmen bergen großes Potenzial, um durch Bildungsangebote auf Themen nachhaltiger Entwicklung aufmerksam zu machen. Doch bisher werden solche Maßnahmen noch viel zu selten von Bildungsangeboten flankiert, um beispielsweise die Installation neuer Anlagen offensiv als Bildungsanlass zu nutzen. Dabei gibt es bereits spannende Projekte, die tolles Bildungsmaterial bereithalten, etwa zum Thema Klimafolgenanpassung für Sportvereine. In einem vom Umweltbundesamt geförderten Projekt sind beispielsweise diverse Materialien entstanden, die auch für die Bildungsarbeit mit Sportvereinen geeignet sind. So finden sich unter Klimasport neben einer Toolbox mit spielerischen Elementen zur Annäherung an das Thema auch praktische Checklisten, ähnlich wie man sie von schulischen Bildungsmethoden wie „Energie-Detektive“ kennt.

Beschaffung und Konsum

  • SDG 2: Kein Hunger
  • SDG 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
  • SDG 12: Nachhaltiger Konsum und Produktion

Auch der Bereich Beschaffung und Konsum ist in manchen Sportarten bereits Thema. Neben Fragen der Ressourcenschonung durch lange Nutzung der Sportgeräte, Auswahl der Materialien etc. sind hier auch Fragen der Lieferkette relevant, zum Beispiel bei der Beschaffung von Getränken und Lebensmittel für größere Sportevents.
Hier liefern die sog. „Sport-Umwelt-Teams“, die im Kontext des Heidelberger BNE-Netzwerks stehen, beeindruckende Best-Practice Beispiele. Mit Projekten wie dem „Tauschregal für Kindersportbekleidung“ sowie Veranstaltungen wie der „Kinder-Fußball-WM“ oder dem Heidelberger „Schaufenster des Sports“, die durch Angebote des örtlichen Bildungsnetzwerks begleitet wurden, regen sie die Vereinsmitglieder zum Beispiel dazu an, nachhaltig produzierte Fußbälle oder Leitungswasser als Trinkwasser zu nutzen.
Doch insbesondere beim Einkauf von Sportgeräten zeigt sich, dass es nicht in allen Sportarten nachhaltige Alternativen gibt. So sind beispielsweise Sportgeräte in der Leichtathletik genormt: Gewicht, Länge und Schwerpunkt eines Speers müssen genau stimmen. Meist sind nur wenige Anbieter solcher Spezialgeräte auf dem Markt. Beschafft wird zudem oftmals über die Verbände und gar nicht unmittelbar durch einzelne Vereine. Erstere sollten also adressiert werden, um nachhaltige Veränderungen anzustoßen.

Biologische Vielfalt fördern   

  • SDG 13: Massnahmen zum Klimaschutz
  • SDG 14: Leben unter Wasser
  • SDG 15: Leben an Land

Die Förderung biologischer Vielfalt auf dem Land und unter Wasser bzw. die Minderung negativer Effekte auf die biologische Vielfalt spielt nicht in allen Sportarten eine Rolle. In einigen liegt das Thema jedoch auf der Hand, z.B. bei Sportarten mit großer Flächeninanspruchnahme wie Golf- und Ski-Sport sowie bei Wassersportarten wie Rudern, Kanufahren, Tauchen und Wasser-Ski. In Hessen werden z.B. alle Übungsleiter und Lehrkräfte, die Kanusportangebote durchführen, umfassend zu den Themen Ökologie und Gewässerschutz geschult. Ohne diese Schulungen dürfen sie keine Maßnahmen durchführen.     
Hinsichtlich der Biodiversitätsförderung konnten in der Vergangenheit verschiedene Vereine mit tollen Bewirtschaftungskonzepten ihrer Sportanlagen überzeugen, so z.B. das Jahnvolk Frankfurt mit ihren Blühwiesen. Ihr Engagement wurde 2019 vom Hessischen Landessportbund mit dem jährlichen Umweltpreis gewürdigt. Auch andere Biodiversitätsfördernde Maßnahmen, wie das Aufstellen von Insektenhotels, das Aufhängen von Vogelhäusern oder anderen Nisthilfen sind weitere Optionen. Genauso sind gemeinsame Pflanzaktionen sowie das Anlegen von Biotopen oder Barfußpfaden Maßnahmen, bei denen Sportvereine für die Zusammenarbeit, z.B. mit Natur- und Umweltpädagog*innen oder Bildungszentren dankbar sind.
Bisher findet diese Zusammenarbeit noch wenig statt. Unsere These: Kooperationen zwischen Sport- und Bildungsakteuren können fruchtbare Synergieeffekte nutzen, wenn mögliche Themen der Zusammenarbeit bekannter werden. Wege und Methden, um Sportbegeisterte für gemeinsame Aktionen zu gewinnen, zeigt RENN.west im Rahmen seiner neuen Kampagne auf.

RENN.west-Kampagne: Ziele brauchen Taten
Die Kampagne „Ziele brauchen Taten – Sport im Westen“ von RENN.west möchte vor allem die 17 Ziele als gemeinsame Umsetzungsbasis noch bekannter machen. Ziel der Kampagne ist es, Sport als „Kitt der Gesellschaft“ zu nutzen, um möglichst viele Menschen zu erreichen und für das Gemeinschaftswerk Nachhaltige Entwicklung zu begeistern, so Klaus Reuter, Konsortialführer von RENN.west. Teil der Kampagne sind unter anderem Konferenzen und Video-Clips mit prominenten Sportler*innen zu den 17 Zielen nachhaltiger Entwicklung, ergänzt durch konstruktiv-kritische Interviews mit ausgewählten Sportler*innen der RENN.west Region und neue, auch digitale Bildungsmaterialien.
Die Kampagne startete am 28.04.2021 mit einer Auftaktkonferenz rund um das Thema Nachhaltigkeit mit Vereinen, Verbänden und Dachorganisationen des deutschen Sports der RENN.west Region. Die dort identifizierten Themenfelder und Herausforderungen zu den 17 Zielen nachhaltiger Entwicklung im Sport sollen im Rahmen einer Zukunftskonferenz am 04.10.2021 aufgegriffen werden. Im Fokus stehen dabei vor allem gute Praxis- und Lösungsansätze.
Begleitend dazu bieten verschiedene spannende digitale Angebote wichtiges Hintergrundwissen zur Nachhaltigkeit in der Region West. Sie können z.B. in Halbzeitpausen, in Stadien oder zur Thematisierung der 17 Ziele in Vereinsversammlungen genutzt werden. So geben die 17 kurzen Clips mit bekannten Sportler*innen der RENN.west Region Einblick in die Inhalte und Themen der 17 Ziele sowie ihrer Verknüpfung zum Sport. Erste Clips z.B.  mit dem ehemaligen Stabhochspringer Balian Buschbaum zu SDG4 „Bildung“ sind bereits auf dem Youtube Kanal von RENN.west veröffentlicht.
Und die Kampagnen-Homepage hält noch mehr bereit: Interaktive Grafiken und Informationsmaterialien geben Einblick in Nachhaltigkeitsprozesse und die Elemente guter Nachhaltigkeitspolitik. Ein weiteres Highlight ist der im Kontext der Kampagne entwickelte Wirkel. Dies ist ein bundesweit einsetzbares Online-Tool, das wie eine App aufs Handy geladen werden kann und die 17 Ziele interaktiv und durch spannende Aufgaben und Challenges vermittelt. Er richtet sich an Bürger*innen jeden Alters. Das Ziel: Sportgruppen, alle weiteren Gruppen und Einzelpersonen im Freizeitbereich sollen motiviert werden, sich spielerisch mit der Umsetzung der 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung auseinanderzusetzen. Dafür hält er allerhand Aufgaben, Missionen und Ideen bereit, wie die 17 Ziele ganz selbstverständlich Teil des Alltags werden können. Besonderer Clou: Im Wirkel kann man Gruppen gründen und sich durch den gegenseitigen Einblick in den Punktestand zu den 17 Zielen gegenseitig motivieren, am Ball zu bleiben und gezielt gemeinsam aktiv werden.
Im Sinne des Grundsatzes für Erfolg im Sport: „Trainieren, besser werden und Spaß daran haben!“ lädt RENN.west dazu ein, die insgesamt drei kostenlosen und selbsterklärenden Online-Tools und Spiele zur Vermittlung der 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung im Verein, in Gruppen und Bildungsveranstaltungen auszuprobieren und zu nutzen. Mehr Informationen gibt es auf der ANU-Hessen Seite und der Kampagnen-Seite: www.ziele-brauchen-Taten.de

Autor*innen: Jennifer Gatzke, Alina Bätz (Projektmitarbeiterin), Reiner Mathar

Kontakt:
Jennifer Gatzke, jennifer.gatzkeanu-hessende
ANU Hessen e.V., Projektkoordination RENN.west Hessen

Reiner Mathar, reiner.mathar@t-online.de
Vorstandsmitglied ANU Hessen e.V.
Projektverantwortlich für RENN.west Hessen