Informelle Umweltbildung - Wie sag ich's meinem Kunden?

Immer häufiger wollen Naturkundemuseen, Zoos oder Botanische Gärten ihre Gäste nicht nur unterhalten, sondern sie auch im Sinne einer "Welt-Naturschutzstrategie" zum Erhalt der weltweiten Biodiversität und zu entsprechendem Engagement auffordern. Erfolg versprechen Methoden der informellen Umweltbildung, für die allerdings die wenigsten MitarbeiterInnen ausgebildet sind.

Wie öffentliche Einrichtungen Menschen in Urlaub und Freizeit starke Erlebnisse und Erfahrungen ermöglichen können - das vermittelt das Buch "Management in der informellen Umweltbildung", herausgegeben von Lars Wohlers. Es zeigt Bausteine für die notwendige weitere Professionalisierung vieler Einrichtungen auf, denn nach Expertenmeinung ist Deutschland im Marktsegement der freizeitorientieren Umweltbildungsangebote eine "verspätete Nation".

Marktpotential

In Deutschland existieren wenigstens 1.500 Einrichtungen, die informelle Umweltbildung betreiben: Biosphärenreservate, Nationalparke, Zoos und botanische Gärten, Planetarien, Naturparks, Museen, forstliche Bildungseinrichtungen sowie in wachsenden Maße auch Freizeitparks. Kommunen und private Institutionen haben in den vergangenen Jahrzehnten viele Millionen Euro in den Bau von Besucherzentren, die Entwicklung von Ausstellungen, Naturlehrpfaden und die Verteilung von Naturbroschüren investiert - häufig ohne grundlegenden Kommunikationsfragen viel Aufmerksamkeit zu widmen: Was sind unsere Ziele, wie sollten wir sie kommunizieren, welches ist unsere Zielgruppe, welche Methoden sind die effizientesten und wie können die Ergebnisse evaluiert werden?

Mindestens 100 Millionen Gäste besuchen nach vorsichtiger Schätzung diese Einrichtungen. Die Zahl der pädagogisch geschulten MitarbeiterInnen ist jedoch in der Regel gering: Sie liegt bei den botanischen Gärten und den Planetarien mit maximal fünf Personen relativ hoch, dagegen gibt es in den meisten Zoos und Naturkundemuseen allenfalls nur in Teilzeit beschäftigte und pädagogisch geschulte Fachkräfte.

Wirtschaftliche Dimensionen

Informelle Bildungseinrichtungen sind ein Segment der Tourismus- und Freizeitindustrie. Diese im Vergleich zu anderen Wirtschaftbereichen höchst krisenfesten Bereiche sind, wie es der Freizeitforscher Horst Opaschowski ausdrückt, die "Leitökonomie der Zukunft". Die drängend notwendige Professionalisierung informeller Umweltbildung dürfte somit nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten von großer Bedeutung sein. Traumhafte Zuwachsraten wie etwa bei Aquarien, Neubauten von Infozentren in Schutzgebieten, Zoobesucherzahlen, Science Centers und auch naturgebundenen Erlebnisangeboten unterstreichen diese Aussage eindrucksvoll - ebenso wie die ökonomischen Flops. Der Kunde ist König. Seine Wünsche lauten: "Heiß' mich willkommen", "Akzeptiere mich und meine Vorkenntnisse", "Gib mir eine Herausforderung, von der ich weiß, dass ich sie bestehen kann" oder "Bereite mir Spaß!"

Bildungspolitische Dimensionen

Ein Blick auf das bildungspolitische Ziel eines lebenslangen Lernens zeigt, dass gerade Erwachsene einen deutlichen Nachholbedarf an Bildung haben, die in diesem Alter vorwiegend in der Freizeit stattfinden kann und muss. Daher ist von besonderem Interesse, dass über informelle Bildungseinrichtungen auch Erwachsene angesprochen werden können - ein Klientel, das ab einem Alter von etwa 20 Jahren von formalen Bildungsinstitutionen nicht mehr erreicht wird. Viele Institutionen der informellen Bildung wollen eben nicht nur Unterhaltung bieten, sondern auch ihrem Bildungsauftrag gerecht werden. Im Gegensatz zu ihren BesucherInnen möchten sie einen Lernprozess in Gang setzen, und zwar in der Freizeit. Freizeit bedeutet im Rahmen einer Bildung für Nachhaltigkeit dabei zugleich Selbstbestimmung, Eigenaktivität und Freiheit, aber auch freiwillige Teilnahme und notwendigerweise Bemühen um die KundInnen.

Ökologische Dimensionen

Grundsätzlich hat informelle Umweltbildung das Ziel, zu einem umweltfreundlicheren Lebensstil zu motivieren und Wege dorthin aufzuzeigen, ohne im Einzelnen vorzugeben, was "umweltfreundlich" ist. Eine Defition ist stets vor dem jeweiligen kulturellen Hintergrund der Zielgruppen zu sehen und regt oft Diskussionen über Wirksamkeit und Auswirkungen umweltfreundlichen Handelns an. Bildung für nachhaltige Entwicklung fordert darüber hinaus die Verknüpfung ökologischer mit wirtschaftlichen und sozialen Aspekten. Dies bedeutet zugleich auch eine beträchtliche Erweiterung des Spektrums der Einrichtungen in Bezug auf Bildungsangebote, Aktivitäten und Zielgruppen.

Ausbildung und Professionalisierung

Das Anforderungs- und Tätigkeitsprofil der informellen Bildung ist sehr vielfältig und lässt sich bislang nur in Umrissen skizzieren. In Deutschland gibt es noch keine entsprechende staatliche Ausbildung. Qualifizierte Fachkräfte benötigen in jedem Fall Kenntnisse über Lern- und Erwachsenenbildungstheorien, die Psychologie von Teilnehmern, Grundkenntnisse in Journalismus, Betriebswirtschaftslehre, Tourismus und Erholung sowie Mediendesign. Bislang können Berufseinsteiger beispielsweise Erziehungswissenschaften, Pädagogik, Freizeitwissenschaften, Museumskunde, Tourismus oder Umweltwissenschaften studieren. Darauf aufbauend gibt es fast 50 Fortbildungsmöglichkeiten - doch bis zur Vollerwerbstätigkeit ist es meist noch ein sehr langer Weg. Die notwendige Entwicklung konsequenter, an den Anforderungsprofilen informeller Bildungseinrichtungen orientierter Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten steht noch aus. [Lars Wohlers, Jürgen Forkel-Schubert]

Wohlers, L. (Hrsg.): Management in der informellen Umweltbildung. edition erlebnispädagogik, Lüneburg 2006, 120 S., 11,50 EUR, ISBN 3-89569-070-8

Grundlagenpapier der AG Informelles Lernen vom 26.11.2006: Die Bedeutung von informellem Lernen für verschiedene Arbeitsfelder, Download unter www.dekade.org

13.-14.09.2007, Schneverdingen (D)

Nachhaltigkeit erleben - nachhaltige Erlebnisse:

Perspektiven, Potentiale und Praxisbeispiele. Seminar.

Kontakt: Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz, www.nna.de