Kritischer Konsum. Selbst- und weltbewusst

Kritischer Konsum ist seit Jahren ein populäres Thema und hat auch in die Jugendbildung Eingang gefunden. Denn Konsum bietet vielfältige Ansätze, um sehr konkrete Themen der Bildung für nachhaltige Entwicklung nahe an der Lebensrealität Jugendlicher zu behandeln.
Sich seine Jeans einmal genau anzuschauen und zu analysieren, wo und wie sie mit welchem Ressourcenaufwand produziert wurde und wer dabei welchen Anteil verdient hat, ist ein sehr erhellende Sache. Dabei zeigen sich deutlich die Komplexität der globalisierten Wirtschaft und die konkreten Zusammenhänge von sozialer Ungleichheit, Armut und Umweltzerstörung. Es wird auch deutlich wie KonsumentInnen in den wohlhabenderen Ländern nach wie vor von der rücksichtslosen Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen und der Ausnutzung der günstigen Arbeitskraft in Ländern des globalen Südens profitieren. Diese Tatsache gilt es zu benennen, zu analysieren – und Handlungsalternativen aufzuzeigen!
Mehrere Aspekte sind hilfreich, um das Thema Konsum in der Bildungsarbeit attraktiv und konstruktiv zu behandeln:


Jugendliche aktiv einbeziehen
Der Ansatz der „peer-to-peer education“ hat sich in vielen Bereichen bewährt und ist gerade beim Thema Konsum wertvoll. Wenn gleichaltrige, junge Menschen das Thema behandeln, wirkt das völlig anders, als wenn die VertreterInnen der Eltern/Lehrer-Generation dies tun. Denn diese sind nicht nur als EinkaufsberaterInnen ziemlich ungewünscht, sondern auch als Werteinstanz eher überstrapaziert.
Außerdem wählen Jugendliche automatisch für sie interessante und relevante Beispiele und Produkte aus. Es ist wichtig, zu beachten, dass Handys für Jugendliche viel spannender sind als Schnittblumen Nur wenn die Anknüpfung an reale Konsumverhalten und präferierte Produkte gelingt, kann die Auseinandersetzung entstehen.

Raum für Diskussionen schaffen
Fertige Antworten, Lösungen und Ergebnisse animieren die persönliche Auseinandersetzung mit den Themen und Problemen keineswegs. Wo immer möglich sollten Jugendliche zwar zuerst mit Hintergrundwissen versorgt werden. Dann aber muss die Diskussion eröffnet werden um die Bewertung der Fakten und die Erörterung der eigenen Positionierung den Jugendlichen zu überlassen. Je offener Informationen ausgebreitet, Optionen aufgezeigt und zu Diskussion gestellt werden, umso leichter gelingt es, eine wirkliche Auseinandersetzung einzuleiten. Vereinfachte Darstellungen, Moralisierung oder Handlungsanweisungen, sind ebenso wie der Einsatz von schockierenden Bildern und tragischen Geschichten selten hilfreich.


Vom Wissen zum Handeln leiten
In der Behandlung von Konsumthemen wird die Komponente „Handeln“ immer wichtiger werden. Studien, wie etwa die des Umweltbundesamtes zum Umweltbewusstsein zeigen, dass zwar immer mehr Menschen informiert und motiviert sind - sich ihre Handlungsmuster aber dennoch kaum ändern. Dieses Phänomen verdient auch in der Bildungsarbeit zunehmend Aufmerksamkeit und bringt wichtige Fragen mit sich:
Wie entscheide ich mich anhand meines Wissens und meiner Werte im konkreten Fall? Welche Umstände und Mehrkosten nehme ich in Kauf? Wo kann ich den Einfluss, den ich habe, auch ausüben? Hier kommt dem Thema Konsum besondere Bedeutung zu, da es eine unmittelbare Handlungsrelevanz hat. Während ich mir zu politischen oder sozialen Fragen in der Regel „nur“ eine Meinung bilde, bin ich im Bereich Konsum direkt mit meinem nächsten Kaufakt konfrontiert, der meine Haltung meiner Handlunggegenüberstellt.
Dabei wird dann auch deutlich, dass Konsum zwar eine Handlungskomponente ist, aber eben politisches Engagement nur ergänzt, nicht ablöst oder ersetzt.
 
Kollektives Handeln
Zumal es nicht nur um das individuelle Konsumverhalten gehen sollte, sondern auch das „kollektive Handeln“ zu erörtern ist. Konkret kann dies zum Beispiel die Frage der Mitbestimmung im schulischen Umfeld sein: Wie ist der Einkauf in Cafeteria und Mensa organisiert? Welches Papier wird in der Schule verwendet und wie viel wird verbraucht? Wer entscheidet darüber und unter welchen Kriterien? Wie können wir hier Einfluss nehmen und was ändern? Kritischer Konsum kann hierbei ein Einstieg in viele andere Lernprozesse sein, statt der „einfache Ausweg“, wie teilweise berechtigt kritisiert wird.


Erkennen, Bewerten, Handeln

Während nachhaltiger Konsum im Trend liegt, wird er keineswegs einfacher. Im wuchernden „Siegeldschungel“ entpuppt sich bei genauerem Hinsehen vieles was schön aussieht als reines „Greenwashing“. Von Seiten der Politik ist dabei keine Hilfe zu erwarten, eine klarere Kennzeichnung oder gar verbindliche Regelungen für Standards sind nicht in Sicht. Somit ist es sinnvoll, junge Menschen zu kompetenten KonsumentInnen zu machen und ihnen das Handwerkszeug zu geben um in der heutigen Konsumgesellschaft selbstbewusst und weltbewusst zu agieren. Letztendlich geht es dabei um die grundlegenden Kompetenzen „Erkennen, Bewerten, Handeln“.
Das Projekt WELTbewusst bietet Stadtrundgänge zum Thema nachhaltiger Konsum & Globalisierung. Direkt in der Innenstadt, am Ort des Konsumgeschehens, werden anhand beliebter Konsumprodukte (Jeans, Hamburger, Handy, Kaffee, Papier, etc.) beispielhaft Probleme der globalisierten Produktionskette erläutert, z.B. der Ressourcenverbrauch oder die Arbeitsbedingungen. Die Rundgänge werden von jungen MultiplikatorInnen des Projektes durchgeführt, sind interaktiv gestaltet und laden zur Diskussion über Alternativen und Handlungsmöglichkeiten ein.

[Jochen Dallmer arbeitet bei der BUNDjugend als Koordinator für WELTbewusst, dem Projekt zum Thema Konsum & Globalisierung.


www.weltbewusst.org