Ernte teilen und lokal Einkommen sichern

Solidarische Landwirtschaft ermöglicht Verbraucherinnen und Verbrauchern authentische Lernerfahrungen über die Grundlagen ihrer Ernährung. Die Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof (BAGLoB) hat sich 2016 damit beschäftigt, ob die Solidarische Landwirtschaft ein Modell für den Hof und den Lernort Bauernhof der Zukunft sein kann. In der Solidarischen Landwirtschaft werden der Hof ideell und finanziell von vielen getragen und damit Risiko und Überschuss gerecht verteilt.

Häufig hängt die Existenz von landwirtschaftlichen Betrieben in Europa von Subventionen ab und wird stark beeinflusst von (Welt-)Marktpreisen. Die Einflussmöglichkeiten der Landwirtschaft sind stark beschränkt. Gleichzeitig wünschen viele VerbraucherInnen günstige und perfekt aussehende Lebensmittel zu jeder Jahreszeit und beschäftigen sich (noch) zu wenig mit den Konsequenzen dieses Konsums. Für ökologisch arbeitende Betriebe sind die marktwirtschaftlichen Zwänge die gleichen. Ihre Produkte erreichen den Supermarkt nur, wenn die Ware optisch einwandfrei ist. Auch sie sind immer häufiger gezwungen, Mitarbeitende, Boden und Tiere zu überlasten.

Solidarische Landwirtschaft als Zukunftsoption

Eine Möglichkeit, auf diese Schwierigkeiten zu reagieren, ist die sogenannte Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) oder englisch CSA – Community Supported Agriculture. Sie ermöglicht zudem den VerbraucherInnen, gesunde, regionale Lebensmittel zu konsumieren, zum Klima- und Ressourcenschutz beizutragen, kleinbäuerlichen Betrieben eine Überlebens-chance zu geben und mehr Bindung zum Produktionsprozess ihrer Nahrungsmittel zu haben. Das Grundprinzip ist einfach und sieht einen direkten Zusammenschluss von VerbraucherInnen und ErzeugerInnen vor. Eine Gruppe von Menschen garantiert die Abnahme von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und finanziert damit deren Produktion. Ziel ist ein geschlossener Wirtschaftskreislauf, der externe Faktoren und Märkte ausschließt. Zudem werden Risiken (etwa bei Ernteausfällen) und benötigte Investitionen ebenso geteilt wie die Verantwortung für Entscheidungen und später dann die Ernte.

Ganz nebenbei lernen die Beteiligten dabei etwas über die Vielfalt im Nutzpflanzenanbau, die regionale Vermarktung und meist auch den Biolandbau. Sie können bei ihren Treffen und Hofbesuchen über industrialisierte Agrarwirtschaft und kleinbäuerliche Landwirtschaft und die ökonomischen Zusammenhänge diskutieren. Sie erfahren geschmacklich die Saisonalität und Frische ihrer Lebensmittel und, dass „Missfits“, wie krumme Gurken und andere nicht den EU-Normen entsprechende Lebensmittel genannt werden, ihre eigene Qualität haben. So wird aus einer SoLaWi ein Lernort Bauernhof.

Alle Kosten im Zusammenhang mit der Lebensmittelproduktion (Lohnkosten, Saatgut, Abschreibungen, Stromkosten) werden im Vorfeld ermittelt und unter allen Personen, die diese Nahrungsmittel später konsumieren, geteilt. Der monatliche Richtwert, der sich aus der Kalkulation ergibt, kann von denjenigen überboten werden, denen es momentan finanziell besser geht. Gleichzeitig ermöglichen diese damit anderen, die mit der Finanzierung Schwierigkeiten haben, entsprechend weniger zu zahlen. Die ProduzentInnen kommen immer auf ihr vorher festgelegtes Einkommen.

Ernte und Risiko

Die produzierten Lebensmittel stehen den Mitgliedern zu gleichen Anteilen zur Verfügung – in der Regel einmal in der Woche. Sie werden auf den Höfen, in sogenannten Depots oder selbstorganisiert in den zur Verfügung gestellten Garagen der NachbarInnen, abgeholt oder verteilt. Alles geschieht ortsnah. In guten Erntemonaten freuen sich alle beziehungsweise müssen sich wieder an alte Traditionen des Einmachens erinnern. Sollte aber schlechtes Wetter, Schädlingsbefall oder eine Tierkrankheit die produzierte Menge einschränken, bleiben die ErzeugerInnen der Lebensmittel nicht auf den Kosten sitzen. Ihre Lebensmittel sind ja bereits im Voraus von den VerbraucherInnen bezahlt. Das Prinzip der SoLaWi stellt auch weitestgehend sicher, dass es nicht zur Überproduktion kommt: Die Ernte wird eben immer anteilig unter allen Mitgliedern verteilt.

Obwohl die Idee der SoLaWi schon aus den 1960er-Jahren stammt (aus Japan – dort Teikei genannt), schlummert gerade in Deutschland noch ein großes Potenzial. Den ersten Betrieb gab es 1988, im Jahr 2013 gab es etwa 13 solidarische Landwirtschaftsinitiativen. 2015 listet das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft 100 Initiativen in Deutschland auf: von der Gärtnerei, in der für 20 Menschen Gemüse angebaut wird, bis hin zu landwirtschaftlichen Betrieben, die 400 Haushalte mit Milchprodukten und Fleisch versorgen. Diese regionalen Wirtschaftsgemeinschaften sind oft auch unter dem Dach von Transition-Town-Initiativen zu finden, die den sozial-ökologischen Wandel in ihrer Region voranbringen. Das solidarische Wirtschaftsprinzip der SoLaWi ist ein Motor dafür.

www.solidarische-landwirtschaft.org

ernte-teilen.org

www.solawi-dortmund.org

www.lernbauernhof-schultetigges.de