Freie kulturelle Arbeit in Gefahr?

Aus dem Bereich Kultureller Bildung gibt es erhebliche Bedenken gegenüber den verschiedenen aktuell diskutierten Handelsabkommen CETA, TTIP und TISA. Auch die Umweltbildung könnte von Qualitätsabsenkungen und der Einschränkung von Fördermitteln betroffen sein.

Vielen ist das Freihandelsabkommen TTIP über das „Chlorhühnchen“ bekannt geworden und oft genug wird das Abkommen darauf reduziert. Viele mögliche weitere Auswirkungen wurden zunächst eher von Fachorganisationen wahrgenommen. So befürchten Organisationen der kulturellen Bildung gravierende Veränderungen im Bereich der kulturellen Arbeit und Bildung. Die Befürchtungen betreffen aber nicht nur TTIP. Kulturorganisationen in Deutschland weisen darauf hin, dass Kultur und Kunst mit der Verabschiedung der Abkommen TTIP, CETA und TISA nur noch als Ware betrachtet werden könnten – mit erheblichen Auswirkungen auf die Kultur- und Bildungsarbeit in Deutschland. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zum Beispiel befürchtet eine Absenkung der Bildungsstandards in Deutschland, wenn US-Unternehmen in Deutschland Kitas, Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen gründen oder kaufen könnten. Entsprechend breit sind Skepsis und Widerstand gegen diese Abkommen: 

CETA: Das Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz CETA, ist ein europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen.

TISA: Das Trade in Services Agreement (TiSA; deutsch Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) soll weltweit Dienstleistungen liberalisieren und stärkerem Wettbewerb aussetzen.

TTIP: Das Transatlantische Freihandelsabkommen, offiziell Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, ist ein geplantes Freihandels- und Investitionsschutzabkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union und den USA.

Kultur auf Ware reduziert?

Betroffen wäre eine ausgedehnte Kulturlandschaft: In der Kultur- und Kreativwirtschaft sind rund 1,6 Mio. Erwerbstätige beschäftigt. Das sind wesentlich mehr als zum Beispiel in der chemischen Industrie. Ohne öffentliche Förderung könnten die meisten davon nicht existieren. Nach der Logik des Freihandels aber könnte die Förderung der Bildung und ihrer Einrichtungen als unzulässige, marktverzerrende Subvention angesehen werden.

Kulturpädagogische Angebote zielen auf die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit als eines Akteurs und Gestalters unserer Welt. Dazu gehört das Erproben eigener künstlerischer Ausdrucksformen durch Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Durch eine Reduzierung der Kultur auf einen Warencharakter würde genau das infrage gestellt. Zu befürchten ist zum Beispiel, dass die Kulturförderung in Zukunft als wettbewerbsbehindernde Subvention betrachtet werden könnte. Ebenso wäre die Buchpreisbindung in Gefahr und damit die Existenz vieler lokaler Buchhandlungen. Auch die Filmförderung und der öffentlich-rechtliche Rundfunk wären betroffen. Besonders Projekte, die sich kritisch mit der Entwicklung von Perspektiven (zum Beispiel nachhaltiger Entwicklung) beschäftigen und dabei quer zu einer reinen Unterhaltungskultur liegen, könnten damit in Gefahr sein. Ohne Förderungen wären Kinder- und Jugendprojekte zur kulturellen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung nicht finanzierbar und hätten keine Chance, wenn sie sich über einen Verkauf auf einem Kulturmarkt finanzieren müssten.

Ausnahmen für Kunst, Kultur und Wissenschaft gefordert

Die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung formuliert ihre Bedenken: „Es besteht die Gefahr, dass die bestehende Infrastruktur kommunaler Dienstleistungen und Angebote freier Träger durch TTIP infrage gestellt wird, was eine mögliche weitere Privatisierung und Kommerzialisierung kommunaler Dienstleistungen zur Folge haben könnte. Dies gefährdet das in § 31 der UN-Kinderrechtskonvention verbriefte Recht auf Bereitstellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten für die kulturelle und künstlerische Betätigung!“ (BKJ, „Kultur und Bildung brauchen kein TTIP!“, Mai 2015). In einer Stellungnahme stellt der deutsche Kulturrat fest: „Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hält den ausverhandelten CETA-Vertragstext für nicht zustimmungsfähig. CETA ist ein umfassendes Abkommen, das kanadischen Unternehmen weitreichenden Zutritt auf den europäischen Güter- und Dienstleistungsmarkt auch im Kultur-, Bildungs-, Wissenschafts- und Medienbereich ermöglicht.“ Und der Deutsche Musikrat formuliert:

„Jedes Buch, jeder Film, jede Theatervorstellung, jedes Musikevent ist als kulturelles Produkt mit einem finanziellen Wert Teil des internationalen Handels und damit Gegenstand von Freihandelsverhandlungen – genauso bei TTIP. Das Mandat der Europäischen Kommission enthält keine „kulturelle Ausnahme“, wie vielfach behauptet wird, „und fordert unter anderem: „Eine allgemeine Ausnahme von Kunst, Kultur und Wissenschaft in sämtlichen TTIP-Kapiteln“
(www.kurzlink.de/mrat).

 Auch die Akteure der Umweltbildung sollten – schon aus dem eigenen Interesse an der notwendigen Weiterentwicklung ihrer Arbeit – eine eigene Position zu den Abkommen entwickeln und sie deutlich vertreten.

 

Eine ausführliche Liste mit Stellungnahmen zu TTIP, CETA und TISA ist zu finden unter: www.kurzlink.de/TTIP-kubi

 

Günter Klarner, Pädagoge,
Umweltbildung, Kunst und Medien,
E-Mail: guenter.klarnercretade,
www.creta.de