Diversity Management als Chance für Organisationen der Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung

Dies ist ein Plädoyer dafür, die Vielfalt der Gesellschaft stärker in der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zu spiegeln – insbesondere in Bezug auf die Akteure im Bereich BNE. Personelle Vielfalt bietet dabei unter den verschiedensten Gesichtspunkten große Chancen für Organisationen der Umweltbildung und BNE.

Unsere Gesellschaft wird durch Globa­lisie­rung und Migration heterogener. Gleich­zeitig stehen einer sinkenden Anzahl Menschen jüngeren Alters eine steigende Anzahl älterer Menschen gegenüber. Weitere Zahlen zeigen, wie vielfältig unse­re Gesellschaft ist: so lebten zum Jahres­ende 2021 rund 7,8 Millionen schwer­behinderte Menschen in Deutschland.1 Wirtschaftliche Unternehmen und große Organisationen der Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sehen eine Chance in dieser Vielfalt. So haben 4500 Unternehmen und Institu­tionen die Charta der Vielfalt unter­schrie­ben. Anspruch der Charta ist es, „Aner­kennung, Wert­schätzung und Einbe­ziehung von Vielfalt in der Arbeitswelt voran zu bringen“.2 Mehr als die Hälfte der Unter­nehmen, die die Charta unterschrieben haben, erwarten, dass dieses Manage­ment von Vielfalt, Diversity Management, zukünftig noch wichtiger wird (ebd.).

Wie ist die Situation in Organisationen der Umweltbildung und BNE?

Es gibt kaum Untersuchungen in Bezug auf die aktuelle Personal- und Organisa­tionsstrukturen der Umwelt­bildung und BNE (vgl. Blings 2017: 109). Bei vielen kleinen Organisationen der Um­welt­bildung und BNE gibt es jedoch personelle Heraus­for­derungen, z.B. der Wechsel von der Gene­ration der Organi­sa­tions­grün­der*innen zur Nachfolge­gene­ra­tion (vgl. ebd.: 152). Es gibt steigende inhaltliche Anforderungen: statt klassischer Umwelt­bildung mit dem Fokus auf eine Zielgruppe besteht der Anspruch, die 17 globalen Nachhaltig­keitsziele der Verein­ten Nationen umzu­setzen und eine Trans­formation der gesamten Gesellschaft zu erreichen (vgl. Brock/Grund 2020: 3 ff.). Und es wird deutschlandweit verstärkt pädagogisches Personal benötigt.3
Inwiefern bietet Diversity-Management Chan­­cen für kleine Organisationen der Umweltbildung und BNE, um mit den aktu­ellen Herausforderungen umzugehen?
Mit dieser Fragestellung habe ich mich in meiner Masterarbeit im Rahmen des Studiums Management von Kultur- und Non-profit-Organisationen befasst (Kirsch 2023). Der Artikel ist eine Zusammen­fassung der Ergebnisse. Ziel des Artikels ist es, für das Thema Diversität in der Organisation zu sen­si­bilisieren und den Blick auf die Diversität der eigenen Organisation und das eigene Diversity Management zu schär­fen.

Diversity und Diversity Management

Diversity wird sprachlich aus dem latei­nischen diversitas abgeleitet und be­deu­tet: Vielfalt (Pons 2022). Aktuelle Ansätze von Diversity betonen mit ihrer Sichtweise sowohl Unterschiede als auch Gemein­samkeiten (vgl. Schreiber 2020: 54). So definiert Krell Diversität wie folgt: „Schluss­endlich zielen Diversity Studies darauf ab, Ausgrenzungen und Diskri­minierungen ent­gegenzusteuern, die Qua­li­fi­kationen und Potentiale der vielfältigen Menschen zu maximieren und ihre Zusam­menarbeit und ihr Zusammenleben rei­bungs­loser zu gestalten“ (Krell et al. 2007: 14).

Grundlage der Definition über Unter­schiede und Gemeinsamkeiten ist, dass Individuen immer mehrere Merkmale ha­ben. Sie können sich z.B. im Geschlecht unterscheiden, aber der gleichen Berufs­gruppe angehören. Vielfalt ist also kein neutraler Begriff, der eine objektiv gege­bene Tatsache beschreibt, sondern „eine Bezeichnung, die sich ihren Gegenstands­bereich selbst erschafft“ (Schreiber 2020: 58). Es gibt in der Literatur folglich unter­schiedliche Modelle zur Kategorisierung der Vielfalt. Das Modell der Charta der Vielfalt unterscheidet im inneren Kreis die sieben schwer veränderbaren Kern-Dimen­sionen: Alter, sexuelle Orientierung, sozi­ale Herkunft, ethnische Herkunft & Natio­nalität, Geschlecht & geschlechtliche Iden­tität, Religion & Weltanschauung, körper­liche und geistige Fähigkeiten. In der äuße­ren Ebene und in der organisa­torischen Ebene liegen die leichter ver­änderbaren Dimensionen.

Dive­rsity Management gehört in den Arbeits­bereich des Personalmanagements. Beim Diversity-Management (DiM) wird Verschiedenheit zur Geltung gebracht. Die Mitarbeitenden werden zum bewussten Um­gang mit Differenzen und zur Reflektion eigener Werte und Kommunikationsstile angeleitet. Das Andere, Fremde wird als Chance verstanden, um über die Nor­malität nachzudenken und als Impuls für Innovationen (vgl. Schreiber 2020: 121). „Es bedeutet, (kulturelle) Vielfalt als Re­ssource zu erkennen, zu verstehen, zu moderieren, zu akzeptieren und zu ver­net­zen“ (Schreiber 2020: 122).

Ergebnisse der Forschungsarbeit

Bei den untersuchten kleinen Organi­sa­tionen der Umweltbildung und BNE (we­niger als 5 Mitarbeitende) wurde das Personalmanagement im Team oder allei­ne durchgeführt, mit viel persönlichem Engagement und autodidaktisch erarbei­tetem Know-how. Führung war überwie­gend intuitiv und Kommunikation oft infor­mell, aber mit hoher Bedeutung. Die Haltung der Führungskräfte war von Respekt, Wertschätzung, Akzeptanz und Einbeziehung gekennzeichnet und ent­spricht damit einer Diversity-Haltung (vgl. Aschenbrenner- Wellmann, Geldner 2021: 196).

Die Organisationen schätzen sich ins­ge­samt überwiegend „homogen-bio­deutsch“ ein. Vor allem bezogen auf ethnische Herkunft/Nationalität, soziale Her­kunft und körperlich-geistige Fähig­keiten. Sexuelle Orientierung und Reli­gion/Weltanschauung wurden als bedeu­tungs­los eingestuft. Heterogenität gab es z.T. bezogen auf das Alter und in Bezug auf Geschlecht/geschlechtliche Identität wurde sie angestrebt.

Diversity war im Leitbild nur in einer Orga­nisation verankert und wurde auf stra­te­gischer Ebene von fast allen Organisa­tionen nicht beachtet. Jedoch gab es auf operativer Ebene Maßnahmen, wie z.B. eine „Regenbogentoilette“. Diversität war bei den untersuchten Orga­ni­sa­tionen über­wiegend das Ergebnis von Offenheit und Zufall.

Chancen durch Diversität

Im Interview formulierten die Führungs­kräfte aus den befragten Organisationen verschiedene Chancen, die sie in einem Diversity-Management sehen. Die Chan­cen sind im Folgenden möglichen Strate­gien zugeordnet:

Aufgabenbewältigungsstrategie
Die Arbeit im Leitungsteam, welches z.B. aus Mann und Frau besteht, die sich un­terscheiden, „anders sind“, ermöglicht es, Auf­gaben besser zu lösen, da mehr Aspekte beachtet werden. Diese Stra­tegie ist eine Reaktion auf die hohen Heraus­forderungen auf der Führungs­ebene.

Pädagogische Strategie
Vielfalt unter den pädagogischen Mitarbei­tenden ermöglicht es, die Zielgruppen besser zu erreichen. Die Strategie ist eine Antwort auf hohe Herausforderungen durch viel­fältigere Zielgruppen und ermöglicht es, den geforderten Lebens­welt­bezug herzustellen.

Organisationsentwicklungsstrategie
Diese Strategie ermöglicht Lernen im Team durch Vielfalt unter den Mitar­bei­ten­den: Lernen findet dabei auf per­sönlicher und fachlicher Ebenen statt. Die­se Stra­tegie bezieht sich auf die gestie­genen inhaltlichen und pädagogischen An­sprüche.

Finanzierungsstrategie
Diese Strategie ermöglicht eine Finan­zierung von Projekten durch die Umset­zung von Diversität oder Betonung der Diversity Aspekte.

Voraussetzungen für Diversity und ein Diversity-Management

Entscheidend, ob kleine Organisationen der Umweltbildung und BNE divers sind, ist vor allem, ob die Führungskräfte ein Bewusstsein für Diversität haben, ob sie positive Erfahrungen mit Diversität ge­macht haben und, ob Diversität ein Ziel der Führungskräfte ist. Grundlage für das Erkennen und Wahrnehmen von Chancen ist somit die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, der Diversität in der Organisation und dem Personal­mana­gement. Die besondere Bedeutung, die Führungskräfte bei der Gestaltung der Organisationskultur bezogen auf Diversität haben, und dies vor allem in Non-Profit-Organisationen, macht deutlich, wie wichtig die Ziele und die Haltung der Führungskräfte sind, wenn Diversität und Diversity-Management als Chance genutzt werden sollen.

Die Chancen, die in einem Diversity-Management liegen, können allerdings noch viel stärker ausgeschöpft werden. Qualifizierungen im Bereich Personal­ma­na­gement und insbesondere Diversity-Management wären hilfreich. Die Ergeb­nisse der Forschungsarbeit zeigen auch, dass kleine Organisationen bei einem Diversity-Management Unterstützung be­nö­tigen, z.B. durch Stiftungen und andere Stakeholder. Inwieweit Stakeholder der kleinen Organisationen der Umweltbildung und BNE, z.B. die fördernden Stiftungen bzw. deren Kuratorien, divers zusammen­gesetzt sind und, was dies für die För­derung bedeutet, wäre ein weiterer inte­ressanter Forschungsgegenstand. Es ist ein positives Zeichen, dass immer mehr Unternehmen die Charta der Vielfalt unter­zeichnen und mit groß angelegten Kam­pagnen für Vielfalt werben. Zu hoffen ist, dass diese Aktionen nicht nur die Fassade der Unternehmen betreffen, sondern kon­krete Maßnahmen beinhalten. In den nächs­ten Jahren wird sich zeigen, ob Diversität und Diversity-Management auch in kleinen Organisationen der Umwelt­bildung und BNE als Chance wahrge­nommen werden.

Dazu braucht es einen Perspek­tivenwechsel auf politischer, institutioneller und individueller Ebene. Die Aufgabe der Politik ist es, entsprechende Rahmen­bedingungen zu schaffen. Institutionelle Strukturen, wie Fördergremien und BNE-Gre­mien, können sich mit dem Thema auseinandersetzen und Impulse zur Förde­rung von Diversität setzen. Jede und jeder kann Kontakte zu Menschen aufbauen, die erst einmal „anders“ erscheinen. So ent­stehen Verständnis und Respekt. Auf den Punkt gebracht:

 „Vielfalt zu managen, bedeutet sich auf einen Weg zu machen. Vielfalt leben be­deutet, sich mit Andersartigkeit immer wieder auf das Neue auseinander­zu­setzen“ (Rahnfeld 2019: 2).

1www.kurzelinks.de/BehinderteMenschen

2https://www.charta-der-vielfalt.de/fuer-arbeitgebende/vielfaltsdimensionen/

3https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1326564/umfrage/berufe-mit-den-groessten-fachkraefteluecken/

 

Autorin und Kontakt:

Antje Kirsch, M.A. (Management von Kultur- und Non-profit-Organisationen)
Vorstandsmitglied ANU Baden-Württem­berg und Mitarbeiterin im Leitungs­team der Ökologiestation Lahr
infooekologiestation-lahrde

Quellenverzeichnis:

Aschenbrenner-Wellmann, Beate; Geldner, Lea (2021): Diversität in der Sozialen Arbeit. Theorien, Konzepte, Praxismodelle. Stuttgart: W. Kohlhammer.

Blings, Jessica (Hg.) (2017): Qualitäts­entwicklung in der außerschulischen Um­welt­bildung. Mün­chen: oekom.

Kirsch, Antje (2023): Diversity Management als Chance für Organisationen der Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Masterarbeit. www.antjekirschcoaching.de/beteiligungsprozesse

Krell, Gertraude; Riedmüller, Barbara; Sieben, Barbara; Vinz, Dagmar (Hg.) (2007): Diversity Studies. Grundlagen und disziplinäre Ansätze. Frankfurt/New York: Campus Verlag.

Rahnfeld, Claudia (2019): Diversity-Mana­gement. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Schreiber, Silke (2020): Diversitäts­orien­tierte Personalauswahl. Verlag Bar­bara Budrich