Der Bauernhof als Lernort

Valentin Thurn beklagt die Distanz zwischen LandwirtInnen und VerbraucherInnen. Initiativen, die diese Distanz überbrücken können, gibt es bei den Umweltbildungszentren der ANU oder in der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof, einem Zusammenschluss von Lernbauernhöfen. Agrabiologin Claudia Leibrock berichtet von deren Möglichkeiten.

Ein Wochenende mit Jugendlichen zum Thema „Bewahrung der Schöpfung“: Bei der Ankündigung, dass wir an diesem Wochenende auch einen Bauernhof besuchen werden, waren die 20 Jugendlichen zwischen 12 und 13 Jahren noch wenig begeistert. Am wichtigsten war, dass sie nicht hinlaufen (der Hof ist 6 km entfernt) und bitte auch nicht schmutzig werden wollten. Nachdem wir uns in der Theorie mit den Ansprüchen unserer Nutztiere an eine artgerechte Tierhaltung auseinandergesetzt und im Film die konventionelle Tierhaltung in Großställen angesehen hatten, ging es mit dem Bus zum Biobauernhof.

Die Faszination des direkten Erlebens

Auf dem Hof gibt es Mutterkühe, Legehennen und Mastschweine. Die Begrüßung durch den Landwirt konnte für die Jugendlichen nicht kurz genug ausfallen, die Hauptfrage war sofort: „Dürfen wir die Schweine streicheln?“ Mit verschiedenen Arbeitsaufträgen zur Beobachtung der Tiere auf dem Hof machten sich die Jugendlichen dann daran, die Offenställe und Ausläufe zu erkunden. Den Hühnerstall durften sie in Begleitung auch betreten. Die Faszination, hier in direkten Tierkontakt treten zu können, blieb auch bei dieser Gruppe nicht aus. Die Rückmeldungen zeigten deutlich, dass das Erlebnis, ein Huhn auf dem Arm gehalten zu haben, prägender als alles andere an diesem Wochenende war. Etliche Erfahrungen wie diese zeigen immer wieder, dass der Bauernhof wie kaum eine andere Umgebung geeignet ist, die Kompetenzentwicklung im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen. Als Lernort eröffnet er Mitarbeitsmöglichkeiten, die in Echtsituationen von Kindern und Jugendlichen Entscheidungen einfordern und selbstständiges Arbeiten fördern. Hierzu bieten insbesondere die Schulbauernhöfe, die ganze Bauernhofwochen für SchülerInnen organisieren, zahlreiche Gelegenheiten.

Eine Woche Selbstversorgung

Eine Woche auf einem Schulbauernhof ist ein Schullandheimaufenthalt der etwas anderen Art. Hier können die Kinder und Jugendlichen auf dem Hof mitarbeiten und ihr Mittagessen überwiegend aus Produkten des Hofes selbst kochen. Wenn dann bei den Kindern die Frage auftaucht, wie die wenigen MitarbeiterInnen des Hofes die Arbeit denn schaffen wollen, dann ist das Konzept aufgegangen. Neben der Wertschätzung für den Arbeitsalltag von Bauern und Bäuerinnen können Kinder und Jugendliche in dieser Woche auch erleben, wie sie durch ihre Arbeit Brot und Kuchen herstellen, die Tiere versorgen oder auch mal einen Bach säubern und Zäune reparieren können. Insbesondere die Beziehung zu den Nutztieren ermöglicht es, sich Gedanken um die Ansprüche dieser Lebewesen zu machen und darüber zu reflektieren, woher und wie unser Fleisch auf den Teller kommt. Nicht selten bekommen die Höfe die Rückmeldung aus den Klassen, dass sich der ein oder andere Speiseplan zu Hause umgekrempelt hat.

Zertifizierte Qualifikation

Neben den Schulbauernhöfen bieten weitere Betriebe Projekte und Tagesangebote für Kinder und Jugendliche an. In Schleswig-Holstein, Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden 9- bis 15-tägige Kurse in mehreren Modulen zum/r zertifizierten Bauernhofpädagogen/in angeboten. Die Qualifizierungen befähigen die Teilnehmenden, ein betriebsspezifisches Angebot zu erstellen und eine Erwerbskombination im Bereich Schul- und Erlebnisbauernhof aufzubauen.