Transformative Bildung für nachhaltige Entwicklung

- wie sich Arbeit und Ökologie verbinden lassen

Gewerkschaften können als Vermittlerinnen im vermeintlichen Zielkonflikt zwischen Arbeit und Ökologie maßgeblich zum Gelingen der sozial-ökologischen Transfor­mation beitragen. Doch dafür braucht es eine Befähigung von Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften, Handlungsspielräume und Lösungen für Transforma­tions­aufgaben zu finden.

Die Rolle der Gewerkschaften in der sozial-ökologischen Transformation

Gewerkschaften sehen sich angesichts der Transformationsaufgaben in Deutschland vielen Herausforderungen ausgesetzt. Beispielsweise müssen Industriegewerk-schaften mit einer Arbeitsplatzverlagerung vom Bereich der fossilen Energien zu erneuerbaren Energien rechnen. So sind sie in einem strategischen Dilemma ge­fangen. Einerseits wissen sie um die Notwendigkeit der Veränderung. Ande­rerseits wollen sie die Arbeitsplätze ihrer Mitglieder schützen. Dabei sind Gewerk­schaften zentral für die gesellschaftliche Unterstützung der sozial-ökologischen Trans­­formation. Der Deutsche Gewerk­schaftsbund (DGB) vereint mit etwa 5,6 Millionen Mitgliedern 12 Prozent der Er­werbs­tätigen in Deutschland. Als Be­schäftigte wirken die Mitglieder zudem in die Betriebe hinein und haben Multi­pli­ka­tor*innenpotential gegenüber nicht­-­ge­werk­schaftlich organisierten Ko­lleg*in­nen. Wenn Gewerkschaften sich als aktive Mitge­stal­ter*innen der sozial-ökologischen Trans­formation positionieren, kann das eine große Wirkung haben.

Neue Bündnisse zwischen Gewerk­schaf­ten und Umweltbe­wegungen werden groß

Inzwischen gibt es aber auch eine ganze Reihe von Bündnissen zwischen Gewerk­schaften und Umweltorganisationen. Die wohl bekannteste ist die Bewegung „Wir Fahren Zusammen“ von Fridays for Future und ver.di.
Zusammen setzen sich hier Gewerk­schaften und Umweltbewegung für eine nachhaltige Verkehrswende ein, die nicht nur den Ausbau des ÖPNV zum Ziel hat, sondern insbesondere auch für die Ver­besserung der Arbeitsbedingungen im Nahverkehrsbereich streitet. Aber auch Indus­triegewerkschaften arbeiten immer mehr Hand in Hand mit Umweltverbänden. Das zeigen beispielsweise die Positions­papiere der IG-Metall und des BUND  zur Verkehrswende oder die For­de­rung der IGBCE gemeinsam mit WWF, German­watch und DNR nach einer Abkehr von fossilen Energien in Deutschland.

Transformative Bildung als Schlüssel zur Auflösung gewerkschaftlicher Ziel­konflikte

Doch auch, wenn sich in den letzten Jahren bei den deutschen Gewerkschaften und in der Umweltbewegung viel getan hat, braucht es für eine erfolgreiche sozial-ökologische Transformation tiefergehende und breitere Bündnisse von Arbeit­neh­mer*innen und Umweltbewegung. Gerade da, wo eine Transformation den Wegfall eines Arbeitsplatzes bedeutet, ist die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Umweltbewegung besonders wichtig, aber auch besonders herausfordernd. Dazu zählen unter anderem der Energiesektor und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), deren Mitglieder bei­spiels­weise in der Kohleindustrie be­schäf­tigt sind. Hier sind die Zielkonflikte für Gewerkschaften besonders groß. Der dro­hende Arbeitsplatzverlust und die fehlende Handlungsperspektive führen bei Arbeit­neh­mer*innen zu Unsicherheiten und Ableh­­nung. Gleichzeitig ist der Transfor­ma­tions­druck in diesen Bereichen oft am größten. Denn um eine Restchance für die Errei­chung der Pariser Klimaziele zu er­halten, müsste schon ab 2024 die Kohle­ver­bren­nung jährlich um 25% der Leistung re­du­ziert werden und ein kompletter Kohle­ausstieg spätestens 2030 gelingen.

Transformationskompetenzen durch Bildung für nachhaltige Entwicklung

Zur Auflösung dieser Zielkonflikte brauchen die Gewerkschaften die Akzeptanz und Rückendeckung ihrer Mitglieder. Transfor­ma­tive gewerkschaftliche Bildung für nach­haltige Entwicklung spielt hierbei eine zentrale Rolle. Gewerkschafter*innen brau­chen Nachhaltigkeitskompetenzen, um zu verstehen, wie die Zielkonflikte entstehen, in denen sich die Gewerkschaften befinden. Zusätzlich brauchen sie Transformations-kompetenzen, um Handlungsspielräume zu eröffnen, um diese Zielkonflikte aufzulösen. Transformative Bildung ermöglicht es, ge­nau diese Kompetenzen schrittweise aufzu­bauen.

Schritt für Schritt vom Zielkonflikt zur Hand­lungsperspektive

Ganz am Anfang steht dabei die Aner-kennung und Realisierung eines irritieren­den Zielkonflikts. Beispielsweise die Rea­lisierung, dass die aktuelle Lebens- und Arbeitsweise zur Ausbeutung der natür­lichen Ressourcen beiträgt. Die daraus ent­stehende Unsicherheit und die gesell­schaft­lichen Ursprünge des Zielkonflikts werden gemeinsam reflektiert. So wird klar, dass der Zielkonflikt nicht aufgrund eigener Fehler entstanden ist und dass man nicht alleine mit dem Zielkonflikt dasteht. In einem nächsten Schritt können dann ge­mein­same Handlungsperspektiven zur Auf­lösung des Zielkonflikts gesucht werden. Im letzten Schritt geht es an das konkrete Planen und Ausprobieren der neuen Hand­lungsperspektiven.

Gerade der letzte Schritt ist für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit beson­ders wichtig. Beispielsweise durch betrieb­liche Mitbestimmung können Arbeit­neh­mer*innen die Handlungspers­pektiven di­rekt im Betrieb ausprobieren und Projekte zur nachhaltigen Arbeitsplatz­gestaltung an­stoßen. Ein Best-Practice-Beispiel dazu ist die Belegschafts­genossenschaft im VW Werk Emden. Dort gründeten Betriebs-rät*innen eine Energie­g­e­nossenschaft, um auf den Dächern der Werks Photovol­taik­anlagen zu installieren. Die Beschäftig­ten sorgten so für mehr er­neu­erbare Ener­gien im Betrieb und profitierten gleichzeitig von der Rendite, die die Genossenschaft mit dem Strom erwirt­schaftete.

Wenn Gewerkschafter*innen Transformationskompetenzen aufgebaut haben und sich sowohl in der Gewerkschaft als auch in den Betrieben aktiv für die Transformation einsetzen und Lösungswege suchen, ist dies eine gute Grundlage für breite gesell­schaftliche Bündnisse und damit eine Trans­formation, die sozial gerecht ist und gleichzeitig unsere ökologischen Grenzen wahrt.   

Autor*innen und Kontakt:

Jacob Hochhaus, Next Economy Lab (NELA),
Projektmitarbeiter
hochhausnexteconomylabde

Tanja Brumbauer, Next Economy Lab (NELA), 
Projektleitung
brumbauernexteconomylabde

Weitere Informationen:
www.nexteconomylab.de
www.oekologische-gewerkschaftspolitik.de