Erzählungen aus der Zukunft - für das Handeln jetzt

Transmediales Erzählen ist seit vielen Jahren Gegenstand der Internationalen Sommeruniversität „Transmedia Storytelling | Kultur des Klimawandels“. Über einen Zeitraum von fünf Monaten werden in der Blended-Learning-Weiterbildung Szenarien für die Große Transformation entwickelt. Wie das funktioniert, stellen wir hier vor.

Das Kolleg für Management und Gestaltung nachhaltiger Entwicklung gGmbH in Berlin bietet alljährlich eine internationale Sommeruniversität zu Transmedia Storytelling im Bereich Nachhaltigkeit und Klimawandel an. Als Blended-Learning-Weiterbildung ist sie für eine Mischung aus E-Learning- und Präsenzphasen konzipiert. Ein wesentlicher Grund dafür, dass die Methode des Transmedia Storytellings zum Einsatz kommt, besteht darin, dass sie sich besonders für die Kommunikation komplexer Themen – und damit auch für die Nachhaltigkeits- und Klimakommunikation – eignet. So verdichten sich die vielen und vielfältigen Geschichten, die auf diese Weise erzählt und verbreitet werden, zu einer „big story“ oder „Storyworld“: Erfahrungswissen, wissenschaftliche Forschungsergebnisse, künstlerische Darstellungen, Bilder, Texte und Ton lassen sich zu einer konkreten Vision nachhaltiger Entwicklung verbinden.

Für das Verhältnis von Gesellschaft und Natur lässt sich durch Transmedia Storytelling ein Szenario für die Große Transformation entwerfen, das von den Akteuren selbst mitgestaltet wird. Es geht um das Teilen von Wissen und Erfahrungen, Reflexionen und das gemeinsame Lösen von praxisorientierten Aufgaben sowie um kreative Produktionen in Wort, Bild und Ton. Im Rahmen des Kerncurriculums der Sommeruni sind die konzeptionelle Ausgestaltung und Studienorganisation durch die Teilnehmenden offen. Partizipation, Interaktivität, Gestaltungskompetenz, Reflexion und positive Handlungsoption prägen als Grundsätze der Kommunikation von Nachhaltigkeit die Lern- und Austauschprozesse. Die Werte Achtsamkeit, Teilhabe und Verpflichtung können niedrigschwellig, partizipativ, Peer-to-Peer gestärkt und mit Offenheit für weitere Diskussion geteilt und verbreitet werden. Die Sommeruni ist als Blended-Learning-Weiterbildung eine Kombination aus E-Learning- und Präsenzphasen. In den E-Learning-Phasen werden anfangs theoretische Grundlagen zum Mensch-Natur-Verhältnis vermittelt. In der 14-tägigen Präsenzphase tauschen die Teilnehmer*innen Wissen und Erfahrungen aus, leiten Botschaften ab und entwickeln Szenarien.

Dann geht es in die konkrete Produktion von Episoden in Wort, Bild und Ton. Gemeinsam mit Expert*innen aus der Praxis wird mit vielfältigen audiovisuellen Formaten – Kurzfilme, Viralspots (Filme, die sich schnell über soziale Medien verbreiten), Reportagen, Radiohörspiele und -features, Animationen, Fotoreportagen und Blogs – eine Geschichte erzählt und in der Redaktionswerkstatt zu einem transmedialen Produkt zusammengeführt. Die Teilnehmer*innen erwerben mit professioneller Unterstützung grundlegende Kompetenzen für die Medienformate, planen und produzieren eigene Kommunikate.

In der abschließenden E-Learning-Phase erfolgt die Verbreitung der Kommunikate über Social Media (Twitter, Facebook, YouTube etc.) oder mittels Infoscreens, Radio, Kinos etc. sowie Verfassen von Blog-Beiträgen. Gelernt werden zum einen der Umgang mit Formen des Guerillamarketings, um mit vergleichsweise geringem finanziellem Aufwand und unkonventionellen Aktionen viele Menschen zu erreichen, und zum anderen das Funktionieren von Beteiligungs- und Aushandlungsverfahren.

Die internationale, englischsprachige Sommeruniversität 2015 drehte sich um die Frage, wie das Leben in Malchin in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2055 aussehen könnte. Genau 40 Jahre nach der internationalen Klimakonferenz in Paris findet die Weltklimakonferenz in der Kleinstadt Malchin statt. In der als Blog angelegten transmedialen Erzählung „Malchin – Stories from the Future“ wird über das Heute in der Vergangenheitsform geschrieben und die Leser*innen so in die gewünschte Zukunft versetzt: Was passierte, damit es zu dieser Zukunft kommen konnte?

Das Medium ist dabei neu, nicht das Erzählen. Verschiedene Geschichten werden über Animationen, Musikvideos, Podcasts, virale Spots und einen Spaziergang von den Teilnehmenden der Sommeruniversität geschildert. Den Teilnehmer*innen, die hier kollaborativ entwickelten, schrieben und produzierten, ging es um Visionen einer lebenswerten Zukunft. Nachzulesen sind sie im Interview „Malchin 2015-2055 | From local to global – How the change happened“. Der Blog „Malchin – Stories from the Future“ wurde für das Projekt „Zukunftsstadt Malchin“ im Rahmen des Wettbewerbs Zukunftsstadt 2030+ des Bundesbildungsministeriums auf deutsch adaptiert und ist nun Teil der transmedialen Geschichte der Zukunftsstadt Malchin 2030+.

Zentrale Aspekte sind dabei: Identität, Perspektive, Wandel und Partizipation. Über Soundcloud, einen Online-Musikdienst zum Austausch von Audiodateien, sind verschiedene Hörspiele zu finden, die für Malchin als weltoffene und energieautarke Stadt werben. Eine Fotostory, eingebunden über YouTube, zeigt Malchin als plastikfreie Stadt. Ein Musikvideo macht die Idee des Teilens anschaulich und beschreibt die Vision eines Wandels der urbanen Kultur. Die Animation Naturstadt 2055 greift die 750-Jahr-Feier in 2011 auf und fragt, wie sich die Stadt bis zur 820-Jahr-Feier entwickeln wird. Während eines Spaziergangs durch die Innenstadt hatten die Teilnehmenden und ihre Gäste kleine Bilderrahmen dabei und schauten hinter die Fassaden. Das Schaufenster des Uhrmachers, vollgestopft mit alten, analogen Uhren, Stand- und Pendeluhren, öffnete ein spannendes Gedankenfenster für die Zukunft: Was wäre, wenn wir acht Stunden dem Schlaf, aber der Arbeit statt acht nur vier Stunden widmeten? Dann blieben vier Stunden mehr für das soziale Miteinander.

www.malchingeschichten.wordpress.com/

www.malchinstorytelling.wordpress.com/about-2/

www.ccclab.info/2015/10/07/focuscity-malchin-stories-from-the-future/