Neue Heimat im Naturerlebnisgarten

In der Zusammenarbeit vom Haus der Kulturen Herten (NRW) und des BUND Herten finden die Männer vom Café Kumpel und die Frauen aus dem FrauenCafé im Naturerlebnisgarten neue Perspektiven.

Zühtü Barıtoğlu, ein Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt Unterbezirk Münsterland-Recklinghausen (AWO), betreut im Haus der Kulturen Herten der Wohlfahrtsverbände AWO, Diakonie und Caritas, im Rahmen des Café Kumpel Geflüchtete. Er hat das Café Kumpel ins Leben gerufen, wo sich einmal wöchentlich neu nach Deutschland gekommene Männer treffen. Die Geflüchteten stammen aus Afghanistan, Nigeria, Ghana, Guinea, Bangladesch und Syrien. Sie warten auf ihr langwieriges Asylverfahren. Deutschkurse sind von staatlicher Seite her nicht immer vorgesehen.

„Eine aktive Teilnahme am deutschen Bildungssystem ist oftmals genauso wenig möglich wie die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit“, sagt Barıtoğlu, „und so beginnen Zweifel, Desillusion oder gar Depression unter den Geflüchteten nicht selten von Neuem.“ Um dem entgegenzuwirken, wird im Café Kumpel ein Mix aus Freizeitangeboten, bildungsspezifischer und beruflicher Aufklärung und Empfehlung angeboten. Die Männer werden in die Angebote eingebunden und sollen selbst aktiv werden. Auf der Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten kam unter den Geflüchteten die Idee auf, einen Garten für den regelmäßigen Austausch von Einheimischen und neu hinzugezogenen Menschen zu schaffen. Daraus entstand eine fruchtbare Kooperation zwischen dem Haus der Kulturen und dem Umweltverband BUND Herten, der ein großes Grundstück, den BUND-Naturerlebnisgarten, besitzt.

Kumpel-Garten

Aus der Kooperation ergaben sich zwei Projekte: Der „Kumpel-Garten“ der Männer und das Frauengartenprojekt „Kartoffel trifft auf Kurkuma und Koriander“, das sich aus dem FrauenCafé des Hauses der Kulturen entwickelt hat. Die Projekte zeigen sehr gut, wie wichtig Vernetzung und Kooperation in der Umweltbildungsarbeit mit Geflüchteten sind. Eingebunden in die landesweite Vernetzung in Nordrhein-Westfalen (NRW) von Umweltbildungseinrichtungen, Naturschutzverbänden, staatlichen Stellen, Migrantenverbänden, waren Austausch und Vernetzung gegeben. Darüber hinaus erweist sich die Kooperation zwischen den Wohlfahrtsverbänden und UmweltbildnerInnen als für beide Seiten fruchtbar und beinhaltet jeweils Lernpotenzial.

Ort der beiden Projekte ist das 18.000 Quadratmeter große Gelände des BUND-Naturerlebnisgartens. Dieser hat sowohl vorhandene Gartenstrukturen als auch Wildnisbereiche. Die NRW-Stiftung förderte das Männerprojekt „Gemeinsam schaffen wir barrierefreie Naturerlebnisse“, bei dem Geflüchtete in Naturpflegemaßnahmen und handwerkliche Gartenarbeit wie das Anlegen von Beeten und Wegebau eingebunden wurden.

Zusammen mit Mitgliedern des BUND erschlossen Geflüchtete Teile des Grundstücks neu. Dabei wurden sie in die notwendigen Pflege- und Naturschutzmaßnahmen eingebunden, die zu einer größeren Nutzung des Naturerlebnisgartens für Menschen mit Beeinträchtigungen, Kitas, Grund- und Förderschulen führten. Der BUND Landesverband NRW stellte den Geflüchteten nach der Maßnahme ein Zertifikat aus. Darüber hinaus können die Männer einen Teil des Geländes als „Kumpel-Garten“ nutzen.

Kartoffel trifft auf Kurkuma und Koriander

Mit den geflüchteten Frauen, die sich im Haus der Kulturen im FrauenCafé trafen und ebenfalls gärtnern wollten, entwickelte Sigrun Zobel, BUND Herten, einen interkulturellen Frauengarten. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt förderte den FrauenGarten über 18 Monate. Da die Frauen wegen ihrer Kinder nicht an Sprachkursen teilnehmen, war die Verständigung anfangs ein großes Problem. Schnell stellte sich heraus, dass es besser ist, für die mitgebrachten Kinder der Frauen ein eigenes Programm durchzuführen, damit die Frauen ungestört an den Treffen teilnehmen können, auch wenn das im Finanzplan nicht vorgesehen war.

Im Laufe des Projekts haben die Frauen viele neue Pflanzen kennengelernt und können sich aus dem Garten selbst versorgen. Sie haben ein interkulturelles Kochbuch mit Rezepten geschaffen, legen selbst ihren Kompost an und stellen Salben, Tees und Tinkturen als „Grüne Apotheke“ für kleine Wehwehchen her.

Rückblickend zählt Sigrun Zobel die Stolpersteine im Projekt auf: Sprachbarrieren; keine Vorkenntnisse in der Gartenpraxis aus dem Herkunftsland; keine wetterfeste Kleidung vorhanden; Wetterbedingungen beeinträchtigten die Gartenarbeit; Verbindlichkeit bei Verabredungen waren in den ersten Monaten schwierig. Ein Manko bei der Integrationsarbeit mit Geflüchteten ist bei diesem wie auch bei anderen Projekten die fehlende konstante Finanzierung. 

Gelingensfaktoren waren: das partizipative Vorgehen, Vertrauen aufbauen, auf emotionale Bedürfnisse eingehen (gemeinsam lachen, gemeinsam weinen, Umarmungen), Learning by Doing und Zeit geben für Lernerfolge, kulturelle Vielfalt leben (gemeinsam Feste feiern), Musik machen und die Nutzung von Smartphones als Übersetzungshilfe, Wort- und Bildmemory etc.

„Wir sind der festen Überzeugung, dass Natur ein wunderbares Medium für Integration sein kann“, fasst Sigrun Zobel ihre Erfahrungen mit dem Projekt zusammen und, „wir haben versucht, Prozesse im äußeren Garten auch immer auf Prozesse im inneren Garten (Seelengarten) zu beziehen. Unser Projekt bietet den teilnehmenden Geflüchteten eine große Hilfe bei der Integration in der neuen Heimat.“

Die in diesem Artikel beschriebenen Projekte sind in der Dokumentation der ANU-Bundestagung „Natürlich bunt & nachhaltig – Integration geflüchteter Menschen durch Umweltbildung“ nachzulesen: www.umweltbildung-mit-fluechtlingen.de.

 

Marion Loewenfeld, ANU Bayern e.V.,

E-Mail: bayernanude,

www.umweltbildung-bayern.de, www.umweltbildung-mit-fluechtlingen.de