Natur- und Kulturinterpretation: Bessere Bildung in Nationalpark

Viele Gäste wollen bei einem Besuch eines Nationalparks vor allem die Schönheit der Naturlandschaft erleben. Wie man dabei das Thema nachhaltige Entwicklung vermitteln kann, soll das Projekt ParcInterp zeigen. Es nutzt das aus den USA stammende Konzept der Interpretation, um die Qualität der Bildungsangebote zu verbessern.

Die deutschen Großschutzgebiete sind ideale Lernorte, um Nachhaltigkeitsthemen praxisnah zu vermitteln. Beispielsweise lässt sich auf einer Kanutour im Biosphärenreservat Spreewald nicht nur die internationale Bedeutung dieses Feuchtgebietes für den Naturschutz aufzeigen, auch Zusammenhänge zum Klimaschutz sowie die kulturhistorische und wirtschaftliche Bedeutung für seine Bewohner können hautnah erlebt werden. Doch ob diese komplizierten Wechselbeziehungen den Besuchern wirklich verständlich gemacht werden können, hängt maßgeblich von der Ausbildung und den pädagogischen Kompetenzen der Ranger ab.
Wie kann man angesichts der Vielfalt unterschiedlicher Schutzgebiete ein allgemeingültiges Bildungskonzept finden, das den Ansprüchen einer modernen Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gerecht wird? Die Besucher sollen nach einer Führung nicht nur Wissen über nachhaltige Entwicklung erworben haben, sondern die Erkenntnisse möglichst auch zu Hause im Alltag anwenden.
Fachleute bezeichnen dies als Gestaltungskompetenz. Sie unterscheiden dabei zehn Teilkompetenzen. Zu diesen gehört zum Beispiel, auch andere motivieren zu können aktiv zu werden, vorausschauend denken und handeln zu können sowie Empathie und Solidarität für Benachteiligte zu zeigen.

Weltweit erfolgreich: Naturinterpretation
In vielen Ländern der Welt wird das Konzept der Naturinterpretation erfolgreich eingesetzt. Seinen Ursprung hat es in den USA, wo es weit verbreitet ist und in den Nationalparks, aber auch in Museen, Zoos oder Botanischen Gärten Anwendung findet. Die Ranger durchlaufen dort eine umfassende Ausbildung zur Anwendung von Interpretation in der Besucherbetreuung. Sie lernen dabei, dass Besucher Sachverhalte besser begreifen und verinnerlichen, wenn man einen direkten Bezug zwischen einem konkreten Objekt oder Phänomen vor Ort und der Lebenswelt des Besuchers herstellt. Um beispielsweise dem Besucher den Wert einer Kopfweide verständlich zu machen, findet die Interpretation direkt an dem Baum statt. Hier kann der Interpret von der Heilwirkung des in der Weidenrinde enthaltenen Salicins erzählen und mithilfe einer Schachtel Aspirin, die denselben Wirkstoff enthält, einen Bezug zum Alltag der Besucher herstellen.

Kurse für MitarbeiterInnen in deutschen Großschutzgebieten
In Deutschland ist das Bildungs- und Kommunikationskonzept der Interpretation noch relativ neu. Seit einigen Jahren bietet das Bildungswerk interpretation unter der Leitung von Thorsten Ludwig Kurse für die MitarbeiterInnen von Schutzgebieten an. Die Teilnehmer lernen, wie sie bei einer Führung durch Metaphern oder Erlebnisberichte sogenannte Trittsteine in die Alltagswelt der Besucher hinein bauen können. Dazu müssen sie die Natur in ihrem Schutzgebiet sehr gut kennen und einen „roten Faden“ für die Gestaltung von Führungen oder Hinweistafeln entwickeln. Nach dem erfolgreichen Abschluss einer theoretischen und praktischen Prüfung werden sie mit dem Europarc-Zertifikat Natur- und Kulturinterpretation ausgezeichnet.

Breites Bündnis für mehr Qualität
Um dauerhaft eine hohe Qualität der Bildungsarbeit in Großschutzgebieten zu gewährleisten, haben sich mehrere erfahrene Partner zusammengeschlossen und das Projekt ParcInterp ins Leben gerufen. Daran beteiligt sind das Bildungswerk interpretation, der ANU-Bundesverband, der Bundesverband Naturwacht sowie Europarc Deutschland. Das Vorhaben wird von Heike Molitor, Professorin an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, wissenschaftlich begleitet und durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gefördert.
Die Projektpartner wollen herausfinden, wie das Konzept der Interpretation zur Qualitätsentwicklung von BNE in Großschutzgebieten beitragen kann und welche Voraussetzung für seine breite Anwendung geschaffen werden müssen.

Kernelemente des Projekts
Unter Anleitung des Bildungswerks interpretation werden zunächst bis zum November drei Zertifizierungskurse mit Mitarbeitern aus verschiedenen Schutzgebieten durchgeführt. Die Kurse finden im Nationalpark Eifel, im Biosphärenreservat Mittlere Elbe und im Naturpark Drömling bei Wolfsburg statt. Die Inhalte der Kurse werden gemeinsam mit den Teilnehmenden festgelegt und die Qualitätsstandards für eine BNE-orientierte Interpretation gemeinsam erarbeitet. Aus diesen Standards werden wiederum Kriterien abgeleitet, die künftig allen Rangern in Großschutzgebieten helfen sollen, wirkungsvolle Bildungsangebote zu erarbeiten, die den Ansprüchen von BNE gerecht werden.

Nach Ablauf des Projekts gegen Ende des Jahres sollen die BNE-Qualitätsstandards für die Natur- und Kulturinterpretation erarbeitet und modellhaft in Pilotregionen erprobt sein. Alle Ergebnisse werden in einem Materialordner zusammengefasst und über die Projektpartner der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

[Sebastian Zoepp, Jürgen Forkel-Schubert]

ParcInterp, E-Mail: info@parcinterp.de, www.parcinterp.de
Sebastian Zoepp, Burg (Spreewald), Tel. +49 (0)35603 / 150503, E-Mail: zoepp@spreescouts.de
Bildungswerk interpretation, Werleshausen bei Kassel, www.interp.de