Gemeinsam die Welt hinterfragen

Auf einer internationalen Begegnung werden die klassischen Vorstellungen der Teilnehmenden auf den Kopf gestellt. Der „dreckige Senegal“ hat ebenso wenig Bestand wie das „saubere Deutschland“.

Es ist ein kühler und verregneter Herbstmorgen. Fünfundzwanzig Personen stehen vor einer riesigen Grube. Manche halten sich Taschentücher vor Mund und Nase. Es ist ein sehr ungewöhnliches Ausflugsziel, das die Gruppe der deutsch-senegalesischen Begegnung für den Tag ausgewählt hat. Es ist jedoch auch eines, das vielen noch lange im Gedächtnis bleiben wird. 

Während der Führung durch die Müllverbrennungsanlage in der Nähe von Frankfurt am Main gehen den Teilnehmenden sehr unterschiedliche Gedanken durch den Kopf. Vor allem die deutschen Teilnehmenden sind geschockt über die Tonnen von Müll, die tagtäglich in den schwarzen Tonnen landen und hier verbrannt werden. Es sind Mengen an Müll, die sie sonst nicht zu sehen bekommen. In einem Land mit weltweit bekanntem und genau ausgefeiltem Mülltrennungs- sowie Pfandsystem wirkt im Alltag alles bestens organisiert und geordnet.

Ganz anders sieht es ein halbes Jahr später aus, als die Gruppe gemeinsam im Senegal wieder das Thema Müll behandelt. Denn der Müll ist hier deutlich sichtbarer. Kleine Plastiktüten säumen an vielen Stellen die Straßen und nahe der Hauptstadt Dakar liegt die riesige, offene Mülldeponie Mbeubeuss. Doch das Sichtbare kann trügen, denn die insgesamt pro Kopf produzierte Menge an Plastikmüll ist im Senegal deutlich geringer als in Deutschland.

Es ist ein Thema, das die Teilnehmenden bewegt. Sie überlegen, was sie selbst tun können. Sie diskutieren, wie in Deutschland und im Senegal mit dem Problem umgegangen wird. Sie teilen ihre eigenen Erfahrungen und Ansichten. Es geht um Müllvermeidung, Recycling und politische Regelungen. Der Senegal und mehrere andere afrikanische Länder wie Ruanda oder Kenia haben Verbote für Plastiktüten eingeführt. Deutschland versucht mit einer geringen Bepreisung von Plastiktüten in Supermärkten und freiwilligen Maßnahmen den Plastikverbrauch zu senken. Im Senegal werden viele Lebensmittel unverpackt über lokale Märkte vertrieben oder direkt selbst produziert. In Deutschland sind es deutlich häufiger große Supermärkte, die die Bevölkerung versorgen. Das Problem ist sehr ähnlich, die Ansätze und der Umgang damit jedoch unterschiedlich. Was können beide voneinander lernen?

Die Teilnehmenden sind sich sehr einig. Für sie steht besonders die Kommunikation des Problems im Vordergrund. Deswegen schreiben sie Artikel zum Thema und organisieren eine kleine Kampagne, für die sie eine Woche lang ihren Plastikmüll sammeln und Fotos und Texte bei Facebook einstellen. Die Teilnehmenden aus dem Senegal organisieren Müllsammelaktionen an ihren Universitäten, um auch ganz praktisch etwas zu tun. Sie wollen das Thema aus dem Verborgenen holen und die Menschen sensibilisieren. Für sie ist es ein Problem, das alle tangiert. Sowohl im Senegal als auch in Deutschland muss sich noch viel ändern.

Weiterhin beschäftigen sich die Teilnehmenden mit Gegenentwürfen und Lösungsansätzen. Während der Begegnungen besuchen sie einen Unverpackt-Laden in Berlin, schauen sich ein Upcycling-Geschäft in Dakar an und erfahren etwas über die Müllverarbeitungs- und Recyclingsysteme in beiden Ländern. Sie gehen in einen Schenkladen und kaufen in einem Secondhandladen in Berlin ein. Nicht wenige sind überrascht, wie viel sie dabei auch über ihr eigenes Land erfahren.

Am meisten lernen sie jedoch durch den Umgang miteinander. Mehrfach werden dabei scheinbar klare Ansichten in Frage gestellt. Ein Teilnehmer beschreibt es nach der Begegnung sehr treffend: „Wir hatten ein paar Vorurteile bezüglich der deutschen Lebensweise. Die Deutschen hatten auch Vorurteile gegenüber der senegalesischen Lebensweise. Aber während wir zusammen waren, haben wir gemerkt, dass das alles nur Vorstellungen sind, die so nicht der Realität entsprechen.“ Klischees vom „dreckigen Senegal“ und dem „sauberen Deutschland“ sind dabei verschwunden, aus Unterschieden wurden Gemeinsamkeiten, aus Fremden neue FreundInnen. Und auch wenn in den Diskussionen nicht immer alles rundlief und Missverständnisse auftraten, so hat die Gruppe dennoch gemeinsam eine Lösung gefunden. Eine gute Voraussetzung für die Lösung globaler Natur- und Umweltprobleme und ein gutes Ergebnis für eine gemeinsame Reise von nur wenigen Wochen.

Hintergrund:

Während der deutsch-senegalesischen Begegnung ist eine ganze Zeitschrift entstanden. Sie gibt vielfältige Einblicke in die Erlebnisse der Gruppe und kann hier bestellt werden: www.kurzlink.de/keonda

Auf internationaler Ebene sind junge NaturfreundInnen aus 28 Ländern als „International Young Naturefriends (IYNF)“ organisiert. Gemeinsam setzen sie sich weltweit für Solidarität, Gerechtigkeit, Jugendbeteiligung und Umweltschutz ein. Wer bei Camps, Seminaren, Schulungen und Austauschprogrammen dabei sein möchte, findet hier weitere Informationen: www.iynf.org

Lina Mombauer, Naturfreundejugend Deutschlands
E-Mail: linanaturfreundejugendde
www.naturfreundejugend.de/themen/internationales