Trinationales Netzwerk

Über die Zielsetzung herrscht von Nagoya bis Bonn Einigkeit: Der Qualifizierung von Lehrenden und MultiplikatorInnen kommt höchste Priorität zu, will man Bildungsprozesse und Bildungsinstitutionen so gestalten, dass sie Menschen befähigen, sich an einer nachhaltigen Entwicklung zu beteiligen.

In der Bonner Erklärung von 2014, die die Perspektiven für die mit der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung begonnene  Arbeit aufzeigt, wird „die Verankerung von BNE in der Aus- und Fortbildung von pädagogischen Fach- und Lehrkräften im Elementarbereich, an Schulen, an Hochschulen und in der beruflichen sowie der außerschulischen Bildung“ ebenso wie die „anderer Multiplikatorinnen und Multiplikatoren“ als Herausforderung für die weitere Umsetzung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung über die Dekade hinaus genannt. In der Roadmap für die Umsetzung des Weltaktionsprogramms, das 2014 in Nagoya verabschiedet wurde, gehört „Kompetenzentwicklung bei Lehrenden und Multiplikatoren“ für die Arbeit im Sinne von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zu einem von fünf prioritären Handlungsfeldern.


Netzwerk als Grundlage
Um diese Aufgabe mitzugestalten, wurde 2013 das „Deutschsprachige Netzwerk LehrerInnenbildung für eine nachhaltige Entwicklung – LeNa“ im Rahmen einer Tagung an der Leuphana Universität Lüneburg gegründet. Inzwischen sind 27 Hochschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und drei lehrerbildende Institutionen Mitglied des Netzwerks. Sprecherinnen und Kontaktadresse sind die Initiatorin Prof. Dr. Ute Stoltenberg und Verena Holz von der Leuphana Universität Lüneburg. Als erste gemeinsame Impulse für die Implementierung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung wurden zwei Papiere erarbeitet und den Bildungs- und WissenschaftspolitikerInnen und einer interessierten Öffentlichkeit zugeleitet:
„LehrerInnenbildung für eine nachhaltige Entwicklung – von Modellprojekten und Initiativen zu neuen Strukturen! Ein Memorandum zur Neuorientierung von LehrerInnenbildung in Deutschland, Österreich und der Schweiz“  sowie  „Forschung zur Lehrerinnenbildung  für eine nachhaltige Entwicklung. Ein Positionspapier zur Ausgestaltung von Forschungsprogrammen in Deutschland, Österreich und der Schweiz“.
Das Memorandum zeigt auf, wie Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zu einer grundlegenden Orientierung der Studiengänge für Lehrerinnen und Lehrer werden kann. Dabei wird verdeutlicht, dass es nicht allein um thematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsthemen gehen kann: „Fachwissenschaften, Fachdidaktiken, Bildungswissenschaften und schulpraktische Studien sind gefordert, Prinzipien, Inhalte und Arbeitsweisen von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung aufzunehmen und daraus ein integratives Studienangebot zu entwickeln.“ Das Forschungspapier gibt Hinweise zu den notwendigen Forschungsaufgaben, die die Implementierung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung begleiten und diese qualifizieren können.


Überblick über den Stand der Dinge
Im Rahmen des Netzwerks soll auch ein erster Überblick über Ansätze der Implementierung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in die LehrerInnenbildung erarbeitet werden. Wohl sind einzelne Modellprojekte und verschiedene Beispiele bekannt, Lehramtsstudierenden zu ermöglichen, sich mit dem Konzept Bildung für eine nachhaltige Entwicklung auseinanderzusetzen (die über die lediglich thematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsthemen in Curricula hinausgeht). Ein Überblick über den Stand der Implementierung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in die LehrerInnenbildung aber fehlt sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Die zum Abschluss der UN-Dekade von der KMK durchgeführte Abfrage bei den deutschen Bundesländern „Zur Situation und zu Perspektiven der Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ergab dazu auch nur vage Hinweise. Sie zeigte vielmehr, dass mit einem sehr unterschiedlichen Anspruch und Verständnis an die Aufgabe gegangen wurde und Umwelterziehung immer noch nicht durchgehend von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung unterschieden wird. In der Schweiz wurde im Rahmen des Projekts „Integration von Bildung für Nachhaltige Entwicklung in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung“ eine Bestandsaufnahme durchgeführt. Das Projekt wurde im Auftrag der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) durch das BNE-Konsortium der COHEP bearbeitet. Inzwischen unterstützt éducation21 im Auftrag der Kantone, des Bundes und der Zivilgesellschaft die Umsetzung und Verankerung von BNE auf der Ebene der obligatorischen Schule und der Sekundarstufe II in der Schweiz.


Nachhaltigkeitsbildung an Hochschulen und Universitäten
Eine Integration des Konzepts Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in Lehramtsstudiengänge ist in Deutschland bisher die Ausnahme. So setzen sich alle Studierenden der Leuphana Universität Lüneburg im ersten Semester im Rahmen einer Vorlesung und in einem interdisziplinär zusammengesetzten Seminar mit Nachhaltigkeitsfragen auseinander, erproben forschendes Lernen, inter- und transdisziplinäre Denk- und Arbeitsweisen und fragen nach gesellschaftlicher Verantwortung von Wissenschaft. Dem akkreditierten Studiengang Sachunterricht für das Grundschullehramt an derselben Universität liegt das Konzept Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zugrunde. An der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt gibt es seit 2010 den interdisziplinär ausgerichteten Masterstudiengang Bildung für nachhaltige Entwicklung, entstanden aus dem Fach Geografie heraus; er richtet sich explizit auf den Bildungsbereich und bildet Multiplikatoren aus und ist verschränkt mit der Lehrerbildung. In mehreren Hochschulen werden im Rahmen der Lehramtsbildung einzelne (Wahl-)Module angeboten, projektorientiertes Studium mit einem starken Regionalbezug erprobt oder in Praktika die Zusammenarbeit mit Schulen angestrebt, an denen die Arbeit auf der Grundlage des Konzepts Bildung für eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht wird. Überwiegend jedoch sind diese Ansätze noch sehr personenabhängig und projektorientiert.


Der Zusammenarbeit mit Akteuren der gesellschaftlichen Praxis kommt dabei eine hohe Bedeutung zu, da Bildung für eine nachhaltige Entwicklung sich auch durch Erfahrungs- und Gestaltungsräume für eine nachhaltige Entwicklung im Bildungsprozess selbst auszeichnet. Ein Beispiel dafür ist der an der Universität Erfurt praktizierte Ansatz, Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im Rahmen eines Studiums Fundamentale Nachhaltigkeit zu implementieren. Mit der Methode des Service-Learnings werden nachhaltige Projekte mit praktischem bzw. realem Bezug entwickelt und umgesetzt. Partner für LehrerInnenbildung werden verstärkt die Mitglieder des „Bündnisses Zukunftsbildung“ sein können; die in Deutschland noch wenig entwickelte Zusammenarbeit von lehrerbildenden Institutionen mit NGO’s gehört zu den Zielen. Ein Angebot zur gemeinsamen Erprobung von Konzepten und Unterrichtsmaterialien macht derzeit der WWF mit seinem MOOC zum Klimawandel. Es kann in Seminare der LehrerInnenbildung einbezogen und dabei zugleich weiterentwickelt werden.


Die wenigen Beispiele zeigen auf, dass es durchaus Gestaltungsmöglichkeiten und –räume für die Implementierung von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in die LehrerInnenbildung gibt, auch im Rahmen eines Bachelor-/Master-Studiengangs. Allerdings muss man umdenken – sowohl hinsichtlich der Inhalte, Arbeitsweisen und Strukturen an Schulen als auch an Hochschulen. Gefordert sind die Hochschulen selbst, aber auch die Bildungspolitik und -administration, die Rahmenbedingungen dafür ermöglichen muss.

Prof. Dr. Ute Stoltenberg ist Seniorprofessorin
für Nachhaltigkeitsforschung und Mitglied im Deutschen Nationalkomitee für das UNESCO-Programm „Men and Biosphere“

Posititionspapiere LeNa:
www.kurzlink.de/fxvTMT1VX
www.kurzlink.de/0dx2WC1ln