Selbstständige als wichtige Säule der Umweltbildung und BNE

Bundesweit hat die ANU derzeit 1126 Mitglieder, davon 369 Umweltzentren, der Rest sind Einzelmitgliedschaften. Wie viele davon tatsächlich freiberuflich tätig sind, ist nicht bekannt. Fest steht aber, dass ein zunehmender Teil der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung in Deutschland von Selbstständigen getragen wird.


Die Vielfältigkeit der Angebote, mit denen Selbstständige in der ANU die Bildungslandschaft bereichern, ist beeindruckend. Zur Angebotsvielfalt gehören Unternehmen mit mehreren Angestellten beispielsweise im Bereich Elementarpädagogik, oder nachhaltiger Tourismus. Die gesamte Palette reicht aber viel weiter: von Schulbauernhöfen oder Wildnis-Schulen bis hin zu Selbstständigen, die Beteiligungsprozesse moderieren, Personalentwicklung und Coaching für die freie Wirtschaft anbieten oder Lehr- und Forschungsaufträge wahrnehmen. Sie erstellen wissenschaftliche Gutachten oder Kartierungen für Naturschutzgroßprojekte, entwickeln BNE-Projekte für Organisationen oder führen Schulklassenprogramme für Umweltzentren durch. Im Naturerfahrungsbereich schließen sich freiberufliche UmweltpädagogInnen immer öfter in Netzwerken zusammen. Sie treten als Einheit in die Öffentlichkeit und können durch vielfältige Kompetenzen ihrer Mitglieder komplexe Angebote erstellen und verschiedene Zielgruppen bedienen.


Existenzgründer gefragt
Eine 2013 veröffentlichte Studie des Statistischen Bundesamtes zur Selbstständigkeit in Deutschland belegt, dass die Zahl der Selbstständigen von 2002 bis 2012 deutlich stärker gestiegen ist als die der angestellten ArbeitnehmerInnen. Der starke Anstieg ist vor allem auf die Entwicklung bei den Solo-Selbstständigen zurückzuführen, die keine Angestellten beschäftigen. „Unser Land braucht eine ‚Neue Gründerzeit‘. Wir wollen Unternehmertum und Gründergeist stärken und zu mehr gesellschaftlicher Anerkennung verhelfen“, erklärte die Große Koalition 2013 in ihrem Koalitionsvertrag. Leider gibt es im Vertrag keine konkreten Aussagen zu Problemfeldern wie hohen Pflichtbeiträgen für rentenversicherungspflichtige Selbstständige, den Umbau des Rentensystems, die Verhinderung von Scheinselbstständigkeit oder die Alterssicherung von Solo-Selbstständigen, die oft unterversichert sind.


Fachgruppe Freiberufliche
Die Selbstständigen in der ANU sind in der Regel hoch qualifiziert und haben oft langjährige Berufserfahrung. Die ANU Bayern bietet Selbstständigen mit der „ANU Fachgruppe Freiberufliche“ seit 2008 eine eigene Plattform. Gemeinsam wurden Kernziele festgelegt, die seither kontinuierlich bearbeitet werden. Die Fachgruppe beschäftigte sich mit den Zertifizierungsprozessen anderer Bundesländer und entwickelte Qualitätskriterien zur Vergabe der Dachmarke „Umweltbildung.Bayern“ an Selbstständige. Die Verbesserung von Rahmenbedingungen für selbstständige Akteure ist eines der großen Ziele der Fachgruppe. Bereits abgeschlossen ist die Entwicklung einer erschwinglichen und auf das Berufsfeld zugeschnittenen Berufshaftpflichtversicherung, die bundesweit allen UmweltpädagogInnen und BNE-Fachkräften nützen kann.


Faire Arbeitsbedingungen nicht nur beim Kaffee
Festangestellte, selbst solche mit Personalverantwortung, haben oft nur wenig Vorstellung von den Rahmenbedingungen selbstständiger Arbeit. Gewinnorientierung ist eine Voraussetzung, denn Selbstständige tragen das volle unternehmerische Risiko und alle Kosten, auch für soziale Absicherung, zu 100 Prozent selbst. Für sie gibt es keinen Arbeitgeberzuschuss zur Altersvorsorge oder zur Kranken-, Pflege-, Unfall-, Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits- und Arbeitslosenversicherung, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und keinen Anspruch auf bezahlte Urlaubstage, Fort- oder Weiterbildung. Netzwerkarbeit, Akquise, Absprachen, konzeptionelle Arbeiten, Betriebs- und Verwaltungskosten, Öffentlichkeitsarbeit und Evaluierungen müssen über Honorare finanziert werden. Wenn der Gewinn über der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer liegt, müssen Selbstständige neben der Einkommensteuer auf  alle Einnahmen 19 Prozent Umsatz- beziehungsweise Gewerbesteuer zahlen. Wer ernsthaft glaubt, dass die Stundensätze für Angestellte und Selbstständige in etwa gleich sein könnten, hat deshalb die Idee der Selbstständigkeit nicht wirklich verstanden. Förderinstitutionen, Fachverbände wie die ANU und die Selbstständigen selbst sind gefordert, nicht nur beim fairen Kaffee auf realistische Kostenkalkulationen und faire Arbeitsbedingungen zu achten. Denn im eigenen Umfeld der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung scheinen wirtschaftliche Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit gelegentlich im toten Winkel der Wahrnehmung zu liegen.

Caroline Fischer,
Stellvertretende Vorsitzende ANU Bayern,
Ansprechpartnerin Fachgruppe Freiberufliche,
Selbstständige Umweltpädagogin und
Dozentin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

www.umweltbildung-bayern.de
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