Nachhaltigkeit - Schule in der Stadt

Engagierte BürgerInnen können viel bewegen. Oft mangelt es jedoch an Nachwuchs. Die Bereitschaft, sich mit seiner Umgebung auseinanderzusetzen, will erlernt sein: Viele Schulen haben jetzt in der Stadtplanung einen neuen Lernort für die Nachhaltigkeit entdeckt.

In fast allen Bundesländern arbeiten Schulen am Thema "Gemeinsam für die nachhaltige Stadt". Es ist Teil des Programmes der Bund-Länder-Kommission (BLK) "21 Bildung für eine nachhaltige Entwicklung". Die SchülerInnen informieren sich in Projekten über Themen der Stadtökologie, Siedlungsentwicklung, Verkehrsplanung, Freizeitgestaltung und öffentlichen Verwaltung und verlassen auch die Schule, um sich selbst ein Bild zu machen und ihre eigenen Vorstellungen gegenüber StadtplanerInnen und ExpertInnen zu vertreten. Die Schulen erklären damit "das gesamte Lebensumfeld der SchülerInnen zum Gegenstand der Umweltbildung", wie es die Vorsitzende des BUND, Angelika Zahrnt, in einem Interview ausdrückte.

Lernen von der Isar

In München gab ein Beschluss der Stadtväter den Anstoß für ein gemeinsames Stadt-Schul-Projekt: Aus der geradlinigen, betonierten Isar soll wieder ein voralpiner Wildfluss mit der Eigendynamik von Flussbett, Ufern und naturnahen Lebensräumen entstehen. Nun liegt das betroffene Flussstück nur wenige hundert Meter vom Thomas-Mann-Gymnasium in München entfernt und bietet einen ausgezeichneten Anlass für ein Projekt der ganzen Schule. Zahlreiche Unterrichtsfächer und Klassen lassen sich einbinden: Biologie-Themen werden fächerübergreifend behandelt, in Deutsch schreiben die SchülerInnen Erlebnisberichte, Phantasie-Erzählungen und Gedichte, in Kunst fertigen sie Zeichnungen an, im Rahmen des Physikunterrichts befassen sie sich mit Strömung, Druck und Deichbefestigung und der Erdkunde- und Wirtschaftunterricht handelt von der Stadt als Freizeit- und Erholungsraum. Daneben kommen die SchülerInnen immer wieder an den Fluss und entdecken, welche Fortschritte die Renaturierungsarbeiten machen. So sammeln sie vielfältige Eindrücke, gewinnen an Selbstvertrauen und werden selbst zu ExpertInnen, die Empfehlungen für die Ufergestaltung geben können.

Schülerinnen als Stadtführer

Eberswalde liegt in der Nähe von Berlin. Seine vielen Plattenbausiedlungen sind nicht gerade ein Schmuckstück für den Ort. Dennoch hat Eberswalde auch Interessantes zu bieten, zum Beispiel ein vor über dreihundert Jahren gegründetes Messingwerk mit einer dazugehörigen Siedlung, die teilweise zerfällt und teilweise in ein neues Wohngebiet umgewandelt werden soll. Für die LehrerInnen der Albert-Einstein-Gesamtschule drängte sich das Thema "Industrielle Revolution und die soziale Frage" hier geradezu auf. Die SchülerInnen erarbeiteten eine Fotodokumentation und führten Umfragen bei BürgerInnen und Recherchen in Museen und Archiven durch. Schließlich stellten sie ihre Ergebnisse im Arbeitskreis "Bildung" der lokalen Agenda 21 vor und veranstalteten ein Kolloquium, auf dem sie über ihre Erfahrungen und Ergebnisse berichteten. Ein besonderer Erfolg war das Engagement von zwei bislang als schwach eingestuften Schülerinnen, die eine Führung mit Programm über das Gelände der Messingwerksiedlung organisierten, von der alle beeindruckt waren.

Partner Umweltzentrum

Unter dem Thema "Nachhaltig leben in der Stadt" organisierte die Naturerkundungsstation Wolfsburg verschiedene Projekttage für Schulen. Im Projekt "Ökologische Stadtplanung" erstellten mehrere elfte Klassen dreidimensionale Planungsmodelle zu verschiedenen Bebauungsgebieten. Danach präsentierten die SchülerInnen ihre Entwürfe verschiedenen ExpertInnen, darunter dem Stadtplaner der Bauverwaltung, einem Vertreter der örtlichen Umweltverbände und dem Architekten, der für den Planungsentwurf zuständig war. Deren sich zum Teil widersprechende Aussagen zeigten den SchülerInnen deutlich, dass es keinen "richtigen" Plan, sondern nur unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe gibt. Die SchülerInnen wurden von den ExpertInnen ernst genommen und konnten durch ihre Arbeit Einblicke in Sachzwänge und die Komplexität der Planungsabläufe gewinnen. Bei diesem Projekt war die Unterstützung durch das regionale Umweltzentrum ausschlaggebend für den Erfolg der gelungenen Integration des Themas in den Unterricht. Die SchülerInnen setzten sich nicht nur intensiv mit der Entwicklung der Stadt, in der sie leben, auseinander. Sie erfuhren selbst, wie eine Partizipation im kommunalen Umfeld möglich ist.
Diese drei Beispiele vermitteln einen kleinen Eindruck davon, wie sich die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung mit dem Engagement für das städtische Umfeld verbinden kann. Schulen profitieren von einer Öffnung zur Stadt(-planung) in vielfältiger Weise. Durch den fächerübergreifenden Ansatz erfüllen sie zugleich einige Forderungen aus der PISA-Studie.

<i>Tobias Thiele</i>

Weitere Informationen: www.blk21.de

Das Themenheft "Schule in der Stadt" der Zeitschrift "21" kann für 8 Euro zzgl. Versand bestellt werden. BEZUG: pan adress, Semmelweisstr. 8, D-82152 Planegg, Fon ++49/(0)89/ 857091-55, Fax -31, E-Mail oekompan-adressde, www.oekom.de

Zum Autor: Tobias Thiele ist verantwortlicher Redakteur der "21 - das Leben gestalten lernen". Seine Arbeitsschwerpunkte liegen neben der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung und der Tätigkeit als Hochschuldozent für innovative Lehr- und Lernformen im Bereich der Auseinandersetzung indigener Völker mit den Auswirkungen von Globalisierungsprozessen.