Aus dem Projekt "Umweltbildung: Ganz einfach interkulturell": Schaufensteraufkleber zum Landschaftsschutz durch Weidetiere

In der Praxisphase des Projekts ub:ikul wurden sechs Casual-Learning-Maßnahmen erarbeitet, deren Formate sich eng an den Bedarfen der Zielgruppe orientieren. Die Beispiele dienen als Ideen und Anknüpfungspunkte für eigene interkulturelle Umweltbildungsangebote mit Casual Learning. Zu allen Maßnahmen stellen wir editierbare Druckdateien kostenfrei zur Verfügung (finep.org/ubikul). Die Materialien können in gleicher Form im eigenen Umweltbildungskontext genutzt werden, die Ideen lassen sich aber auch an eigene Themen und Orte anpassen.

Eine der sechs Maßnahmen sind Aufkleber am Schaufenster eines arabisch-türkischen Supermarkts in Münsingen auf der Schwäbischen Alb. Die Aufkleber stellen drei Hirt*innen dar – ein arabischer Kamelhirte, ein türkischer Ziegenhirte und eine deutsche Schäferin – und verdeutlichen den Kund*innen des Supermarkts den weltweiten Beitrag der Weidetierhaltung zum Erhalt offener Landschaften. Die Beweidung ist zentral im Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Nur durch sie kann die offene Landschaftsform der Wacholderheiden erhalten werden. Viele Menschen kaufen Lebensmittel aus Produkten der Weidetierhaltung. Der Zusammenhang zwischen persönlichem Konsum und der Wirkung auf die Landschaft ist den meisten jedoch nicht bewusst.
Die Aufkleber entstanden gemeinsam mit dem Inhaber des Lebensmittelhandels, nachdem dieser in Rücksprache mit der Geschäftsstelle des Biosphärengebiets Schwäbische Alb Interesse bekundet hat. Für die weitere Kommunikation war ein*e Übersetzer*in notwendig. Hierbei hat der Diakonieverband Reutlingen helfen können.

Bevor die Wahl auf die Schaufenstergestaltung fiel, standen unterschiedliche Formate zur Auswahl, die sowohl mit den Kund*innen als auch mit dem Inhaber diskutiert wurden – Papiertüten für offenes Obst und Gemüse zum Thema Plastikreduktion oder Einkaufskörbe mit integrierten Informationen zum „nachhaltigen Warenkorb“. Da diese Formate aber weder von den Kund*innen noch vom Inhaber als notwendig erachtet wurden, da die meisten Besucher*innen ihre Waren während des Einkaufs direkt an der Kasse ablegen, wurden beide Ideen nicht als sinnvoll erachtet. Der Inhaber entschied sich für die Aufkleber. Die dafür verwendeten Hinterglasaufkleber haften auf der Rückseite der Scheibe und sind so vor äußeren Einflüssen wie Witterung oder Vandalismus geschützt. Für die Ausarbeitung des Themas „Weidetierhaltung“ und die Darstellung der Hirt*innen war eine aufwendige Recherche notwendig. Der Inhaber legte großen Wert darauf, dass echte Menschen abgebildet werden. Wir wollten im Projekt Stereotypisierungen vermeiden. Deshalb haben wir mit viel Aufwand in drei Ländern echte Hirt*innen ausfindig gemacht und beteiligt. Sie stellten Fotos zur Verfügung, anhand derer ein Illustrator sie in ihrer Landschaft mit ihren Weidetieren porträtierte. Es steht jeweils das Haupterzeugnis im Vordergrund. Für den Kamelhirten ist das die Milch, für den Ziegenhirten Käse und für die Schäferin Lammschinken. Auf diese Weise wird die Verbindung zwischen dem Einkaufsverhalten und den Produkten der jeweiligen Weidetierhaltungsform hergestellt. Für Deutschland fiel die Wahl bewusst auf Fleisch, da der Verkauf von Fleisch (in diesem Fall in Demeterqualität) die Schafhaltung mit ihrer Wirkung für die Landschaftspflege wirtschaftlich macht.
Der Begleittext unterhalb der Illustrationen ist jeweils derselbe und in Arabisch, Türkisch und Deutsch abgedruckt: „Karge Böden, steile Hänge, Trockenheit. Hirtinnen und Hirten beweiden mit ihren Tieren Flächen, die nicht anders genutzt werden könn-ten. Die Weidetiere fressen Gras und junge Sträucher und halten so die Landschaft offen. Auf diese Weise entstehen weltweit einzigartige Lebensräume für viele Tiere und Pflanzen, wie die Wacholderheiden der Schwäbischen Alb, die anatolische Steppe oder Oasen in der roten Sandwüste Nefud. Wusstest du, dass du hier mitten im Biosphärengebiet bist? Hier gibt es viele Schäferinnen und Schäfer, deren Schafe zudem Wolle und Fleisch in Bioqualität liefern. Im Biosphärengebiet passiert sogar noch mehr. Besuche doch mal die Ausstellung im Biosphärenzentrum und mache dir selbst ein Bild!“
Casual Learning in der interkulturellen Umweltbildung bezieht sich hier auf die Zielgruppe „Kund*innen eines arabisch-türkischen Lebensmittelhandels“ am Schaufenster dieses Ladens mit Aufklebern, die ein lokales Umweltthema aufgreifen, das globale Bedeutung hat. Im Vorbeigehen lernt sowohl die Zielgruppe wie auch andere interessierte Passant*innen etwas über ein Thema, für das die Geschäftsstelle in ihrer Umweltarbeit sensibilisieren möchte. Die Geschäftsstelle hat mit dieser Kooperation Neuland betreten.
Autorinnen: Anna-Maria Schuttkowski, Petra Schmettow

Kontakt:
f i n e p, forum für internationale entwicklung + planung
Plochinger Str. 6
73730 Esslingen
Tel. +49-711/ 93 27 68- 63
petra.schmettowfineporg
www.finep.org