Kindergartenstudie - Naturerfahrungen fördern Wissen

Die Frage, ob Naturbegegnungen das Umweltbewusstsein positiv beeinflussen, ist bisher nur bei älteren Kindern und Jugendlichen untersucht - und vielfach bestätigt - worden. Eine erste empirische Untersuchung kam jetzt für Kinder im Kindergartenalter zu dem gleichen Ergebnis. Allerdings gibt es einige Besonderheiten.

Wissenschaftliche Untersuchungen (Bögeholz, 1999; Lude, 2001) belegen, dass Naturbegegnungen bei älteren Kindern und Ju-gendlichen das Umweltbewusstsein positiv beeinflussen. Für Kinder im Kindergartenalter sind bisher keine empirischen Untersu-chungen hierzu bekannt. Um darauf Antworten zu finden, führte der Autor, Geschäftsführer der Kreisgruppe München des Bund Naturschutz in Bayern, eine empirische Untersuchung mit Münchner Kindergartenkindern durch.

Spinnen, Schnecken, Asseln und Käfer

Während eines rund dreistündigen Naturerlebnistages wurde den Kindern Wissen über Pflanzen und Tiere des Waldes vermittelt, außerdem Handlungswissen zum Müllverhalten bei einer Brotzeit in der Natur. Durch vorsichtige Annäherung und Aufklärung sollten die bei Großstadtkindern oft negativen Einstellungen gegenüber wirbellosen Tieren wie Regenwürmern, Schnecken, As-seln, Spinnen oder Käfern positiv beeinflusst werden.

Gruppeninterview "ohne Mithören"

Insgesamt 188 Kinder wurden sowohl vor der naturpädagogischen Maßnahme in einem Vortest und rund zwei Monate später im Nachtest beobachtet. Die Daten über Naturwissen, Müllverhalten und Einstellungen gegenüber wirbellosen Tieren wurden aus-gewertet. Als Methode wurde das Gruppeninterview "ohne Mithören" gewählt. Dabei flüstert jedes Kind die Antworten auf be-stimmte Fragen über einheimische Tiere und Pflanzen dem Umweltpädagogen möglichst leise ins Ohr. Zugleich wurden das individuelle Müllverhalten und die Reaktionen auf kleine Tiere beobachtet.

Naturerleben fördert Wissen und Verhalten

Mehr als ein Viertel der Kinder (28 Prozent) waren am Naturerlebnistag zum ersten Mal in einem Wald. Diese Kinder erreichten sowohl im Vor- als auch im Nachtest beim Naturwissen Werte deutlich unter dem Durchschnitt. Immerhin konnte mehr als die Hälfte aller Kinder nach dem Waldbesuch neben Kieselstein und Schneckenhaus auch Moos, Pilz, Zapfen, Eichel, Gras und Kröte benennen. Durch die naturpädagogische Maßnahme erreichten die drei- und vierjährigen Kinder sowohl bei den Pflanzen- als auch bei den Tierkenntnissen fast das durchschnittliche Wissensniveau von Sechs- und Siebenjährigen ohne naturpädagogische Erfahrungen. Das Naturwissen von Mädchen war dabei im Durchschnitt etwas größer als das der Jungen.

Entscheidend für den Wissenszuwachs waren Vorkenntnisse, Wiederholung der Lerninhalte, vorhandene Walderfahrung und das Alter der Kinder.

Müllverhalten meist korrekt

Lediglich zehn Prozent der beteiligten Kinder warfen während der Brotzeit im Wald Abfälle auf den Boden. Die große Mehrheit zeigte korrektes Müllverhalten. Insbesondere Kinder mit hohem naturkundlichem Wissen verhielten sich im Wald korrekt. Eine einmalige Vermittlung von Handlungswissen reicht allerdings nicht aus, um bei allen Kindern korrektes Müllverhalten zu errei-chen. Im Nachtest verhielten sich alle Drei- und Vierjährigen korrekt. Im Vergleich dazu zeigten noch zehn Prozent der älteren Kindergartenkinder nach der pädagogischen Maßnahme falsches Müllverhalten. Doppelt so viele Jungen wie Mädchen warfen im Pretest ihre Abfälle auf den Boden.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass neben der Förderung korrekter Verhaltensweisen durch Bezugspersonen auch vorhandene Naturerfahrungen des Kindes sowie die Verwendung von Mehrwegverpackungen entscheidend sind für korrektes Müllverhalten bei einer Brotzeit in der Natur.

Naturwissen hilft gegen Angst und Ekel

Ein weiteres Ziel der naturpädagogischen Maßnahme war es, vorhandene negative Einstellungen gegenüber "Krabbeltieren" abzubauen. Zu Beginn zeigten fast zwei Drittel der Kinder Abneigungen gegenüber diesen Tieren. Vorsichtige Annäherung und Aufklärung über die Ungefährlichkeit der Tiere überzeugten rund zehn Prozent dieser Kinder. Doch negative Gefühle gegenüber Wirbellosen nahmen innerhalb der Altersspanne von drei bis sieben Jahren nur wenig ab. Kinder, die noch nie im Wald waren, verhielten sich eher abneigend als Kinder mit Walderfahrung. Umgekehrt zeigten Kinder mit größerem Wissen im Durchschnitt geringere Abneigung gegenüber Regenwurm, Spinne & Co. Insgesamt war die Abneigung gegenüber Krabbeltieren bei Mädchen höher als bei Jungen.

Die negativen Einstellungen nahmen bei den meisten Kindern in der folgenden Reihenfolge ab: Regenwurm - Spinne - Stein-kriecher - großer Käfer - kleiner Käfer, Wanze, Assel, Schnurfüßer - Krötenhüpferling - Gehäuseschnecke. Als entscheidende Faktoren für die bei Kindern vorhandenen Gefühle der Angst und des Ekels gegenüber wirbellosen Tieren gelten das Wissen über Tiere, das Geschlecht der Kinder - aber in erster Linie das Verhalten der Bezugspersonen. Interessant war, dass selbst bei über-wiegend negativen Einstellungen gegenüber Krabbel- und Ekeltieren sich fast alle Kinder positiv über den Naturerlebnistag im Wald äußerten.

Fazit

Die empirische Untersuchung zeigt kurzfristig messbare Erfolge, vor allem beim Naturwissen. Abneigungen gegenüber Regen-wurm, Spinne & Co. sind durch einen einmaligen Versuch jedoch nur gering beeinflussbar. Beim Müllverhalten während der Brotzeit im Wald zeigen sich die meisten Kindergartenkinder vorbildlich. Von großer Bedeutung sind offenbar die Wirkungen mehrerer Naturerlebnistage bei Kindern sowohl kurzfristig, aber auch über mehrere Jahre hinweg. Bisher ist die Datenlage zum Umweltbewusstsein von Kindergartenkindern allerdings noch äußerst dürftig. [Rudolf Nützel]

Studie: Rudolf Nützel: Förderung des Umweltbewusstseins von Kindern. Evaluation von Naturbegegnungen mit Kin-dergartenkindern einer Großstadt. oekom Verlag, München 2007, 29,80 EUR, ISBN 978-3-86581-057-1

Kontakt: Dr. Rudolf Nützel, Bund Naturschutz in Bayern e.V., Pettenkoferstr. 10 a, 80336 München, Tel. +49 (0)89 / 515676-0,

E-Mail: rudolf.nuetzel@bn-muenchen.de,

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