Wertekommunikation - Jugend im weiten All der Werte

Die deutschen PädagogInnen waren gut 30 Jahre lang von einer Allergie gegen den Begriff "Wert" befallen.Werte wurden mit einem konservativen, gar reaktionären Weltbild assoziiert,mit autoritärem Duktus und Unfreiheit. Dabei hat Bildung immer mit Werten zu tun. Für die UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" ist die Wertediskussion ein zentrales Thema, denn sie fragt danach, wie wir in Zukunft leben wollen. Um Jugendliche für nachhaltige Entwicklung sensibel zu machen, ist eine Wertekommunikation unabdingbar.

Die junge Generation wächst in eine Welt hinein, in der sie sich kaum noch orientieren kann: Die kognitive Orientierung versagt, weil im erschlagenden Überfluss der Information nicht mehr gewichtet werden kann, was richtig ist und was falsch, was zuverlässig, was wichtig ist und was nicht. Begriffe werden diffus und Verlässlichkeiten lösen sich auf. Die biografische Orientierung versagt, weil niemand mehr einschätzen kann, mit welchem Partner die Beziehung lange hält oder gar Kinder gemeinsam großgezogen werden können; weil niemand mehr absehen kann, welche Ausbildung Arbeit sichert, welche Arbeit Einkommen bringt und wie lange sie das tun wird. Die ethische Orientierung schließlich versagt, weil niemand mehr verbindlich erklären kann, was gut und böse ist. Doch die Suchenden umwirbt ein florierender Markt, auf dem Weltanschauungen, Religionen und politische Richtungen konkurrieren.

Zukunft diskutieren heißt...

Jugendliche reagieren auf die Unübersichtlichkeit der Welt und die Fülle an Orientierungsangeboten, indem sie sich weitgehend in ihren überschaubaren, örtlichen und biografischen Nahraum zurückziehen. Doch wenn sie auch nicht mehr so stark rational und diskursiv wie die vorangegangene Generation kommunizieren, sondern mehr ästhetisch, intuitiv und emotional, stellen sie sich doch auch die Frage: Wie wollen wir in Zukunft leben? Und diese Frage richtet sich an uns alle. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen heute Fragen nach gerechter Ökonomie, sozialem Ausgleich und ökologischen Aspekte - gerade, wenn es um die nationale und globale Zukunftsfähigkeit geht. Wir steuern auf soziale, kulturelle und internationale Konflikte zu, die viele schon überwunden glaubten, so etwa die ungerechte Verteilung von Besitz und Einkommen, das Gegeneinander der Religionen, die Nichteinhaltung verbindlicher Menschenrechte sowie die globale Konkurrenz um Macht und Rohstoffe.

...Werte diskutieren

Die Agenda 21 nennt als Werkzeuge, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts begegnen zu können, unter anderem Interdisziplinarität, systematisches Denken und Partizipation. Sie weist Richtungen für eine zukunftsfähige Entwicklung und betont dabei immer wieder die Wichtigkeit von Bildung. Auch wundert es nicht, dass die UN eine ganze Dekade zu diesem Thema ausgerufen hat. Leider wird dabei "nachhaltige Entwicklung" zumeist einschränkend mit "Umwelt" assoziiert und Bildung für nachhaltige Entwicklung fälschlicherweise oft als bloße Weiterentwicklung von Umweltbildung und globalem Lernen verstanden. Dabei rührt der Begriff "nachhaltige Entwicklung" an der weitaus vielschichtigeren Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Dies erkennend, fordert die UNESCO deshalb in ihrem "Implementation Scheme" für die Dekade eine Auseinandersetzung mit Werten.

Im "WertAll" von Jugendlichen

Im Projekt "Open World - Happy People" formulierten Jugendliche aus den verschiedenen Weltreligionen sieben gemeinsame globale Werte und entwickelten ein Training für 12- bis 24-Jährige, das mit vielen Gruppen erfolgreich getestet wurde. "Jugend im WertAll" ist ein weiteres Projekt, bei dem in einer bunten Vielfalt von Themen und Methoden erprobt wird, wie Mädchen und Jungen Erfahrungen machen und Leitbilder reflektieren können, um sich selbst zu engagieren. Themen sind unter anderem Lebensziele, Engagement, Integration und vieles mehr aus dem "Wertall" von Jugendlichen, unter anderem "Planet der Zukunft", das auch als Dekadenprojekt ausgezeichnet worden ist. Umgesetzt wird das Programm vom Landesjugendring Baden-Württemberg mit Trägern der außerschulischen Jugendbildung und von 2003 bis 2007 von der Landesstiftung Baden-Württemberg finanziert.

Die Praxis zeigt: Jugendliche sind offen und sehr interessiert an der Kommunikation über Werte, wenn sie nicht im Stuhlkreis daherkommt und nicht von oben herab. Wertekommunikation darf nicht allein für den Kopf angelegt werden, denn Werte "wohnen" in Bauch und Herz. Das meint jedoch nicht "seicht" oder "gefühlsduselig". Die Auseinandersetzung mit Werten ist essentiell für die Entwicklung der Persönlichkeit. Die Sinus-Milieu-Studien zeigen: Wertewelten bilden sich zwischen dem 12. und 24. Lebensjahr und bleiben dann meist dauerhaft für den Rest des Lebens. Die Forschung zeigt aber auch, dass Jugendliche nach der Kommunikation über Werte eine stabile Umgebung brauchen, in der dann authentisch gelebt werden können. Nach Ende eines wertebezogenen Projekts muss also eines Bestand haben: eine verbindliche und institutionalisierte Praxis, die den Beteiligten etwas bedeutet, sprich, in denen Jugendliche Werte bestätigt finden.

<i>Michael Kalff</i>

Kontakt: Dr. Michael Kalff, Fon +49/711/1 64 47-75, Fax -77, E-Mail kalffljrbwde, www.wertall.de, www.openmind-training.de

Zum Weiterlesen:

Kalff, M.:Welt Weite Werte. Ein Trainingsprogramm für Jugendarbeit und Schule. Hagemann, Düsseldorf 2005, 96 S., 11,50 EUR

Reiseführer im WertAll, kostenloser Download unter www.wertall.ljrbw.de/download/reisefuehrer_im_wertall.pdf