Bildung im Klimawandel

Vom 6. bis 17. November findet in Bonn die 23. UN-Klimakonferenz (COP 23) statt. Wie kann sich Bildung zu den aus dem Klimawandel resultierenden gesellschaftlichen Herausforderungen verhalten? Die ANU nutzt dazu das Konzept der BNE – und stellt hier Beispiele vor.

Vor zwei Jahren wurde auf der COP 21 in Paris endlich das lange erwartete internationale Klimaabkommen verabschiedet. Dennoch stellt der Klimawandel Umweltbildner weiterhin vor einen herben ethischen Widerspruch: Auf der einen Seite betreiben wir Bildung, um die junge Generation auf ihre Zukunft vorzubereiten – und auf der anderen Seite sind wir Teil einer Gesellschaft, die mit ihrer Wirtschaftsordnung und ihrer Konsum- und Lebensweise den Klimawandel noch mehr anheizt und der jungen Generation damit genau jene Zukunft verbaut.

BNE als passendes Konzept

Die Idee, Kinder auszubilden, damit sie später einmal die Fehler der heute erwachsenen Generation korrigieren, wird dieser Situation nicht gerecht. Die Zeit haben wir beim Klimaschutz gar nicht, und das würde sich auch aus pädagogischen Gründen verbieten, denn es hieße, gesamtgesellschaftliche Probleme auf den Einzelnen abzuwälzen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), als politische und transformative Bildung verstanden, will hingegen Menschen befähigen, dass sie sich im Sinne ihrer eigenen legitimen Zukunftsinteressen in den Lauf der Dinge einmischen. Sie stärkt dazu die nötigen Kompetenzen und eröffnet Freiräume, in denen Lernende Veränderungen ausprobieren und Erfahrungen mit gesellschaftlicher Partizipation machen. Wie das in Schulen umgesetzt werden kann, zeigt die Ende Oktober neu erscheinende Broschüre „Klimadetektive in der Schule“, die vom ANU-Bundesverband unterstützt wird. Sie weist LehrerInnen und SchülerInnen den Weg, einen Klima-Check in ihrer Schule durchzuführen und konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz zu initiieren (siehe S. 35 in dieser Ausgabe). Im Projekt „Lernfeld Kommune für Klimaschutz“ (LeKoKli) erprobt das Energie- und Umweltzentrum am Deister die Beteiligung von SchülerInnen bei Planung und Umsetzung kommunaler Klimaschutzstrategien. Die in der ANU organisierten Umweltbildungszentren sind wichtige Partner von Schulen. In dem vom NaturGut Ophoven koordinierten ANU-Projekt BildungKlima-plus reflektieren gegenwärtig 16 dieser Zentren ihre Arbeit und entwickeln sie gemeinsam weiter (siehe www.16bildungszentrenklimaschutz.de).

ANU-Projekt „Stralsund 2050“

Im Zeitraum von Juli 2017 bis Februar 2019 setzt die ANU Mecklenburg-Vorpommern das Projekt „Stralsund 2050“ um. Es hat den Zeithorizont der großen Klimapolitik im Blick und will die gesellschaftliche Transformation im Kiez – in der historischen Stralsunder Altstadt – unterstützen.

Dazu werden fünf Themenschwerpunkte aufgemacht, nämlich Klima und Ernährung, Konsum, Energie, Mobilität sowie urbane Lebensqualität. Mit dazupassenden Aktionen und Veranstaltungen will die ANU Menschen sensibilisieren und Veränderungen ausprobieren. So startet der Themenschwerpunkt Ernährung mit einer Aktion „Klimatheke“ auf dem Stralsunder Erntedankmarkt. Dabei werden kostenlose „Klimahäppchen“ ausgegeben – mit Wurst, mit Käse oder rein pflanzlich. Die durch die Herstellung jeweils erzeugten CO2-Emissionen werden mit Luftballons visualisiert sowie auf einer „Rechnung“ aufgelistet, die mitausgegeben wird. Das Thema kann dann in der Diskussion vor Ort oder bei Folgeveranstaltungen vertieft werden. Im Themenschwerpunkt Klima und urbane Lebensqualität wird unter anderem daran gearbeitet, grüne Oasen in der Altstadt zu schaffen, die sich als Stadt aus Backstein versteht und damit UNESCO-Weltkulturerbe ist. Im Themenschwerpunkt Klima und Konsum werden unter anderem Alternativen zu dem herkömmlichen Konsummuster Kaufen – Benutzen – Wegwerfen ausprobiert, zum Beispiel durch Upcycling-Aktionen und durch die Kooperation mit dem 2016 gegründeten Reparaturcafé Stralsund.

Viele lokale Partner unterstützen das Projekt, darunter die Stadtbibliothek, die Evangelische Kirchgemeinde St. Nikolai, das Klimaschutzmanagement der Hansestadt, das Ozeaneum, die Ortsgruppen von BUND und NABU und die Transition Town Initiative Stralsund.

Während einzelne öffentliche Aktionen wie zum Beispiel eine Pflanzen- und Samentauschbörse eher marginale pädagogische Interventionen sind, finden die spannenden Lernprozesse zwischen den Zeilen und zwischen den Akteuren statt – etwa wenn ein nachhaltig ausgerichtetes Straßenfest vorbereitet wird und die Akteure sich darauf einigen, welche Ideen sie verwirklichen möchten, wenn die Straße für einen Tag den Menschen – und nicht den Autos – gehört.

Gemeinsam weiterdenken

Jeder Themenschwerpunkt mündet in eine Werkstattveranstaltung, die ein partizipatives Diskussionsformat wie Zukunftswerkstatt oder Barcamp nutzt. Hier können interessierte Menschen Visionen für eine nachhaltige Entwicklung ihrer Stadt im Zeitalter des Klimawandels entwickeln und Schritte zu deren Verwirklichung initiieren. Die Ergebnisse werden in einer „Agenda 2050“ festgehalten, welche das seit einigen Jahren existierende Klimaschutzkonzept der Hansestadt Stralsund ergänzt. Vor allem aber – so die Hoffnung – stehen hinter diesen Ergebnissen dann Menschen, die bereit und in der Lage sind, die Transformation zu einer klimagerechten Gesellschaft mitzugestalten.

Stralsund 2050 wird gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und vom Land Mecklenburg-Vorpommern als Maßnahme der Umweltbildung, -erziehung und -information von Vereinen und Verbänden.

 

Tilman Langner, Projektkoordinator „Stralsund 2050“,