10 Jahre Ökomobile in Deutschland

Vor zehn Jahren entschied sich die Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege (BNL) in Tübingen einen LKW zu einem rollenden Klassenzimmer umzurüsten, um vor Ort Schulklassen die Notwendigkeit von Naturschutz durch Naturerlebnisse und Untersuchungen von Lebensräumen aufzuzeigen. Dieses bundeswit erste Ökomobil ist ein 7,5 Tonner, der lediglich einen Fahrer mit Führerschein Klasse 3 benötigt und das Befahren von z.B. landwirtschaftlichen Wegen und somit Einsätze an entlegenen Stellen in der Landschaft zuläßt. Die Geräteausstattung umfaßt Binokulare mit Zoom, die über einen Zentralmonitor den ca. 24 Gästen ein gemeinsames Betrachten ermöglichen, Videoanlage, Analysegeräte für Sauerstoff, pH-Wert usw., Ferngläser, Mediothek mit Bestimmungsliteratur, Umweltspiele u.v.m. Einsätze sind u.a. Veranstaltungen mit Schulklassen, Projekttage, Lehrerfortbildungen, Messe- und Infostände usw. Es können alle naturkundlichen Themen bearbeitet und vielfältige Verknüpfungen zu anderen Themen hergestellt werden. Gemeinden, Vereine, Kindergärten oder andere gemeinnützige Veranstalter können in Baden-Württemberg das Ökomobil kostenlos anfordern. Inzwischen rollen allein im Ländle fünf solcher Ökomobile durch die Landschaft, bundesweit dürften es heute rund 20 Fahrzeuge sein, vom Lastenfahrrad über PKW-Kombi und Transporter bis zum 16-Tonnen-Sattelzug. Inzwischen trafen sich die "Ökomobilisten" (und wohl auch einige wenige "Ökomobilistinnen") bereits zum vierten Mal zum Erfahrungsaustausch, zuletzt anläßlich des 10jährigen Jubiläums des ersten rollenden Naturschutzlabors in Tübingen. Hieraus entstand ein ausgezeichnetes "Handbuch Ökomobil - Zehn Jahre mobile Naturschutzpädagogik in Baden-Württemberg und Deutschland", das der Umweltpädagoge Bodo Krauß, selbst erfahrener Ökomobilist in Tübingen, zusammengestellt hat. Es stellt den Versuch dar, möglichst alle derzeit existenten Ökomoibilprojekte in Deutschland abzubilden.

Das Kapitel 1 bietet eine bunte Palette, die ganz unterschiedliche Konzepte umfaßt, vom kostengünstigen Rucksack- und Umweltkistenmodell oder Lastenfahrrad bis zum teueren High-tech-LKW und Öko-Schiff. Alle Projekte werden mit Adressen und Ansprechpartnern vorgestellt und in einer Tabelle gegenübergestellt. In einem zweiten Kapitel stellen die Ökomobilen ihre praktische Arbeit aber auch Probleme und Entwicklungsperspektiven selbst vor, z.B. das Beispiel Wald, Ökosponsoring, Medieneinsatz, schlechtes Wetter usw. Ein dritter Teil befaßt sich mit den Rahmenbedingungen der Umwelt- und Naturpädagogik, z.B. der Bildung von Umweltbewußtsein, Zukunftswerkstatt, Naturbegegnung, artenschutzrechtliche Grundlagen usw. Eine Liste ausgewählter Literatur und Medien ergänzt auf sinnvolle Weise den Band, der dank verschiedener Sponsoren als Einzelexemplar von interessierten Gruppen kostenlos gegen Portoersatz und mit der Bitte um eine freiwillige bei der BNL Tübingen angefordert werden kann. Über die Notwendigkeit, mit einem LKW im Wald herumzufahren läßt es sich bestimmt gut streiten, daß es auch anders geht zeigen die Beispiele Lastenfahrrad und Rucksack. Dennoch hat auch ein mit faszinierender Computertechnik ausgestatteter LKW unbestreitbar seine Reize: bei Regenwetter sitzt die Gruppe im Trockenen, lebende (ungewohnte) Tiere, die vor Ort gefangen wurden, können sofort unter dem Bino betrachtet, auf ein Videoband aufgenommen und gleich mit nach Hause genommen werden. Schade ist, daß nicht mehr Erlebnisberichte aus Sicht der Teilnehmenden mit entsprechenden Fotos in dem Band aufgeführt wurden, einschließlich möglicher kritischer als auch zustimmender Äußerungen. Eine solche praxisnahe Auseinandersetzung der Zielgruppe mit der Ökomobil-Idee könnte z.B. in einem zweiten Band erfolgen. Die angenommenen Gegensätze zwischen beiden Formen der Umweltpädagogik, nämlich der mobilen in/mit einem Fahrzeug und der stationären in einem Zentrum, verblassen bei der Betrachtung der angewandten Methoden zum Naturerleben und der Notwendigkeit der Begegnung von Gruppen und Umweltpädagogen: beide müssen erst zueinanderkommen und wer sich bewegt, ist nicht so wichtig. Entscheidender ist vielmehr, ob es gelingt, einen Spannungsbogen zur Faszination in der Natur aufzubauen und als PädagogIn authentisch und überzeugend zu wirken. Der Rest ist Handwerk - bei den Ökomobilisten allerding ein sehr faszinierendes, zugegebenermaßen!

Kontakt: BNL, Bodo Krauß, Postfach 2666, 72016 Tübingen, Tel: 07071/757-3805, Fax: -3840