Sustainable Living Herberge Mirow

Seit seiner Gründung zu Beginn unseres Jahrhunderts war für das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) die Förderung eines naturnahen und umweltbewußten Verhaltens bei seinen Gästen stets eine ernstgenommene satzungsgemäße Aufgabe. Belege hierfür aus der neueren Zeit sind z.B. die "Umweltstudienplätze", das "Gut-Drauf-Projekt", die "Sunday-Funday-Freizeiten" und die "Jugendreisen mit Einsicht". Mit 1,5 Millionen Mitgliedern, ca. 10 Millionen Übernachtungen jährlich an 620 Standorten in Deutschland sowie weiteren ca. 4500 Jugendherbergen in über 60 Ländern weltweit ist die Jugendherbergsbewegung nicht nur der Partner der mobilen Jugend, sondern zugleich ein Multiplikator für umweltpädagogisches Gedankengut schlechthin.

Die 14 deutschen Umweltstudienplätze bieten derzeit ein mehr oder weniger breit gefächertes umweltpädagogisches Programmangebot, das vorrangig von Schulklassen und Seminargruppen, aber auch von Familien und Einzelreisenden angenommen und genutzt wird. Naturerleben und Selbsterfahrung stehen dabei im Mittelpunkt. Als konsequente Weiterentwicklung dieses Ansatzes entstand nach mehrjähriger, intensiver Planung das Konzept für eine "Sustainable Living Herberge" (SLH), bei der eine nachhaltige Lebensweise von verschiedenen Gästegruppen im sozialen Prozeß erlebt und reflektiert werden soll. Dr. Wilfried Buddensiek (Uni Paderborn) hat in seinem Entwurf für ein umwelt- und wirtschaftspädagogisches "Entwicklungsgutachten" für das geplante Projekt die grundlegenden Rahmenbedingungen formuliert: Entscheidend sei das Bemühen 1) die eingesetzten Ge- und Verbrauchsgegenstände einer Ökobilanz zu unterziehen und nach Möglichkeit nur solche Produkte zu verwenden, die aufgrund des aktuellen Kentnisstandes als umwelt- und sozialverträglich gelten, 2) beim Einkauf von Importprodukten das Kriterium der internationalen Verteilungsgerechtigkeit zu beachten, 3) sämtliche Versorgungsbereiche des Herbergsbetriebs soweit wie möglich mit regenerativer Energie zu versorgen, und 4) den Neubau soweit wie möglich aus nachwachsenden oder erneuerbaren Rohstoffen zu errichten und dabei ein Niedrigenergiekonzept zu realisieren.

Dieses Gutachten, das im Herbst dieses Jahres vorliegen soll, steht am Beginn einer mehrjährigen Planungs- und Bauphase, in der das Sustainable Living Konzept in der Jugendherberge Mirow ("SLH Mirow" als Arbeitstitel) in Mecklenburg-Vorpommern mit Fördermitteln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt umgesetzt werden soll. Inhaltlicher Schwerpunkt des Förderantrags ist die Erstellung eines umweltpädagogischen Rahmenkonzeptes für die SLH, bei dem ökologisches Lernen nicht als "individuelle Bewußtseinsbildung" verstanden wird, sondern als "kollektive Gewohnheitsbildung in sozialen Systemen", insbesondere im Lernorteverbund zwischen SLH und Schule. Mit diesem Projekt wagt sich das DJH weit ins Neuland der aktuellen umweltpädagogischen Debatte vor und scheut dabei auch ungewohnte Schritte und somit sicherlich auch entsprechende Kritik nicht. Als grundlegende Bauform wurde z.B. das Sechseck gewählt, weil es selbstorganisierende Unter- und Obereinheiten (z.B. Sitzecken) und entsprechende Grundrisse (z.B. variable Raumgrößen) bei geringstem Raumbedarf ermöglicht (fraktalen Geometrie). Die Förderung eines nachhaltigen Lebensstils in einer lernenden sozialen Struktur entstammt der Idee der fortlaufenden Selbstorganisation einfacher Strukturen und Prozesse von Fritjof Capra, der ein neues Denken in nicht-linearen, zyklischen und prozeßorientierten Formen propagiert. Beispiele für die Entwicklungsziele einer "Sustainability -Pädagogik" sind u.a. die Weiterentwicklung des "Wohlfühl-Konzeptes" zu einem attraktiven, nachhaltigen Lebensmodell, sanfttouristische Freizeitangebote und die Vermittlung von Schlüsselerlebnissen der Naturerfahrung, ein multidimensionales Informationsangebot mit Sustainability-Shop, Bistro und Infothek, eine Mini-Ökosteuer-Reform durch SLH-eigenes Zahlungssystem und transparenter Preispolitik sowie eine breite Palette spezieller Seminare und Fortbildungskurse. Eine ganzheitliche Unternehmensphilosophie soll auch für den ökonomische Erfolg sorgen. Für dieses sicherlich sehr anspruchsvolle Vorhaben wurde ein Gesamtbeirat ins Leben gerufen, in dem Praktiker aus der Umweltpädagogik und Herberge ebenso wie Fachleute aus Hochschule und Verbänden vertreten sind. Die ANU ist als Mitglied des DJH durch Jürgen Forkel-Schubert (Hamburger Umweltzentrum Karlshöhe) vertreten. Nach einer ersten Sitzung im Januar dieses Jahres sollen Fachgruppen und das Projektteam ein integriertes Konzept erarbeiten, auf das der Bauantrag aufbauen soll. Die wissenschaftliche Leitung hat Dr. Buddensiek übernommen, die Projektkoordination liegt in den Händen von Jörg Klockenkämper. Wir dürfen gespannt sein auf die Ergebnisse dieses interesanten Experimentes, durch das sich die Jugendherberge Mirow zu Vorbild für einen nachhaltigen Lebensstil entwickeln könnte.